Ein Blick hinter die Kulissen des TUI-Krisenmanagements
Ob Bomben, Streiks oder Geiselnahme, Hotelbrand, Lawinen, Busunglück, Airline-Pleiten, Erdbeben oder isländische Aschewolke, jedes Mal, wenn irgendwo in der World of TUI ein negatives Ereignis die Idylle zerstört, schrillen bei ihm in Hannover die Telefonglocken. Dann erörtert Ulrich Heuer, Chef des TUI Krisenstabes, die Situation und löst, falls nötig, die interne Alarmkette aus. Ordnet den Ausnahmezustand an. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Die Chance, vom gemütlichen CTOUR-Stammtisch aus einen Blick hinter die Kulissen des TUI Krisenmanagements zu werfen, nutzten am 9. Februar weit über fünfzig CTOUR-Mitglieder und Gäste. Der Saal im Abacus Tierpark-Hotel war überfüllt. Selbst aus Dresden und Stralsund waren Mitglieder angereist. Zu den zahlreich erschienenen Gästen gehörten u. a. Prof. Dr. Dr. Jörg Soller, Bereichsleiter Tourismus an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, der ehemalige DRV-Präsident Gerd Hesselmann sowie Medienexperte Prof. DR. Jo Groebel. Alle wollten wissen, wie professionell die TUI mit Krisen umgeht, sich ihrer annimmt, sie „bekämpft“. Allein der Begriff hat ja eine gewaltige Spannbreite, reicht von wirklichen Katastrophen bis hin zum kleinen Malheur. Vom Tsunami bis zum verpassten Urlaubsflieger. Während Krisen-Chef Ulrich Heuer vor uns durchspielte, was wann wo und wie in Hannover und am „Tatort“ geschieht, wenn der Stein ins Rollen kommt, der Krisenstab hochgefahren wird, machte Mario Köpers, Leiter der TUI-Deutschland-Unternehmenskommunikation und das „Fernseh-Gesicht“ des Unternehmens, uns Journalisten klar, welch überragende Bedeutung im Zeitalter der sozialen Medien der Öffentlichkeitsarbeit in Krisen zukommt.
In der Regel nähert sich das ferne Unglück der Heimat in bruchstückhaften Eilmeldungen, kommt per Telefon, SMS, Email, Twitter oder ersten Augenzeugenberichten in den sozialen Medien. „Je umfassender unser Wissen“, sagte Ulrich Heuer, „desto effektiver können wir reagieren.“ Ein ausgeklügeltes Informationssystem sorgt dafür, dass alle Personen der Handlung zur rechten Zeit das Richtige wissen und tun. Dabei ist das „Krisenzentrum der TUI Deutschland“, in dem Krisenstab und Lagezentrum Hand in Hand arbeiten, der Kopf des Unternehmens. Hier werden alle notwendigen Maßnahmen koordiniert, Verantwortlichkeiten festgelegt, Lösungen beraten, Entscheidungen gefällt, Sprachreglungen getroffen. Gefragt ist dabei auch eine Fähigkeit, die im normalen Leben selten honoriert wird. Nämlich die, um die Ecke zu denken, unkonventionelle Ideen einzubringen.
Kann man sich überhaupt gezielt auf einen Super-Gau vorbereiten?
„Nein! Jede Katastrophe hat ihr individuelles Gesicht, verlangt nach eigenen Lösungen. Nur dem Namen nach sind die Ereignisse gleich. Katastrophen lassen sich nicht trainieren. Wohl aber können wir lernen, auf der Klaviatur zu spielen, die uns zur Verfügung steht. Wir können Abläufe automatisieren, passende Strukturen schaffen, uns nach Kräften bemühen, denen zu helfen, die dem Unglück nicht entfliehen konnten. Dabei ist Zeit unser größter Verbündeter. Und unser schärfster Feind. Unter Zeitdruck das Richtige zu tun, ist die große Kunst in einer Krise. Ich verlasse mich da gern auf meine Erfahrung. Und auf mein Bauchgefühl. Und wurde bislang selten enttäuscht.“
Die Geschichte des Krisenmanagements reicht zurück in das Jahr 1974, damals hielt die Welt den Atem an, als im Urlaubsland Zypern das Militär putschte und türkische Truppen den Nordteil der Insel besetzten. Die Krise wirkte wie eine Initialzündung. Bei der TUI begann man, den kritischen Ernstfall „durchzuspielen“, Notfallpläne zu erarbeiten, Checklisten und Datenbanken mit wichtigen Adressen anzulegen. Langsam aber sicher wuchs bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein heran, dass heute in feste Strukturen gegossen ist.
Da ist beispielsweise das Emergency Care Team, zu dessen zentraler Aufgabe die Betreuung von direkt betroffenen Kunden, Mitarbeitern des Unternehmens und deren Angehörigen gehört. Zirka 380 Mitarbeiter haben dann ihren Einsatzschwerpunkt im Zielgebiet und im dortigen Flughafen, zirka 180 Mitglieder des Care Teams tragen die schwere Bürde, die Betroffenen telefonisch zu betreuen. Dazu gehört auch eine Family Hotline.
Einst soll ja – laut Bibel – der Heilige Christophorus als Retter in höchster Not verzweifelte Pilger über einen reißenden Strom getragen haben. Noch heute gilt der fromme Mann als Schutzpatron aller Reisenden. Nicht ausgeschlossen, dass sein Geist mit am Tisch sitzt, wenn der TUI-Krisenstab tagt. Das Gremium ist bei größeren Schadenfällen in zehn bis fünfzehn Minuten einsatzbereit. Der große Tisch im Zentrum ist vollgestopft mit modernster Technik. Alles vom Feinsten! Per Internet ist das Gespräch mit jedem Ort auf der Erde möglich, Wetterkarten und Weltzeituhren zeigen an, was die Stunde in New York, London oder Rio de Janeiro geschlagen hat. Die Mitglieder sind durch die Bank weg erfahrene, kompetente Frauen und Männer, die es verstehen, vom Unfallort eintreffende Informationen richtig zu lesen, eine Krisensituation sachlich einzuschätzen, geeignete Maßnahmen zu treffen, Abläufe zu steuern und zu koordinieren.
Ein internes Ampelsystem sorgt für eine Rangfolge der Krisen. In der Farblehre der TUI steht Grün steht für das Tagesgeschäft, Gelb für außergewöhnliche Ereignisse (ein kleinerer Streik oder der Beginn eines Waldbrandes), die Farbe Orange setzt ein dickes Achtungszeichen und signalisiert politische Unruhen, größere Unfälle oder kraftvolle Tropenstürme. Rot ist der Super-Gau, ein Terroranschlag, eine Epidemie oder ein Großbrand im Hotel. Egal ob Rot, Orange Gelb oder Grün, der Krisenstab genießt in seinem Handeln das absolute Vertrauen der Konzernspitze.
Der Kommunikation kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Mario Köpers: „Man erwartet von uns, das wir in Krisenzeiten sichtbar sind und klare Position beziehen. Das ist auch deshalb so wichtig, weil heute zu den größten Risiken kritische Social Media Kampagnen gehören, der sogenannte „shit storm“, der über uns hinein zu brechen droht. Ehrlich gesagt kann man im Zeitalter sozialer Netzwerke und „alternativer Fakten“ die Krisenkommunikation kaum noch kontrollieren.“
Ohne weiter ins Detail gehen zu wollen, die wichtigste Botschaft am Ende des Abends, am dem noch zahlreiche Fragen gestellt und miteinander diskutiert wurde, lautete: Wir, die TUI, wir kümmern uns um unsere Gäste! Mit Kompetenz, Mitgefühl und Zuversicht.
Fotos: Matthias Dikert