„Made in Taiwan bedeutet heute technische Normen zu definieren und globale Qualitätsstandards zu bedienen“, betont stolz Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh, Botschafter der Berliner Taipeh-Vertretung und verweist auf 70 % aller LCD-Bildschirme, die in Taiwan produziert auf den Weltmarkt kommen. Und Bilder schärfer ja bekanntlich den Blick auf die Realität. Taiwan gehört zusammen mit Südkorea, Singapur und Hongkong zu den vier sogenannten Tigerstaaten Asiens, die mit einem hohen Wirtschaftswachstum punkten.
Am 30. Mai 2018 begrüßt uns, die Journalisten des Tourismusnetzwerkes CTOUR, der Botschafter der Taipeh-Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland in seinen Geschäftsräumen am Berliner Gendarmenmarkt. Eigentlich ist Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh kein Botschafter, sondern nennt sich Repräsentant der Republik China auf Taiwan. 1999 ist die Vertretung von Bonn nach Berlin umgezogen und bietet hier verschiedene Dienstleistungen für Deutsche und Auslandschinesen an. Obwohl Taiwan und Deutschland keine diplomatischen Beziehungen pflegen, gibt es kontinuierliche Gespräche mit Vertretern deutscher Regierungsstellen zu Themen wie bilaterale Wirtschaftszusammenarbeit, Handel, Energie und Investitionen.
Prof. Dr. Shieh gibt einen kurzen Überblick über die politische und wirtschaftliche Entwicklung Taiwans. Wichtig ist ihm, die gelungene Demokratiebestrebung des Landes hervorzuheben, die erst 1987 nach Aufhebung des Kriegsrechts in Angriff genommen werden konnte. In rasantem Tempo hat die demokratische Entwicklung Fahrt aufgenommen und nicht nur bei den Taiwanern, sondern auch weltweit ein positives Echo hervorgerufen. So gewann 2016 eine Kandidatin der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) die Präsidentschaftswahlen. Tsai Ing-wen ist somit das erste weibliche Staatsoberhaupt in Taiwan, deren Regierungsprogramm sich durch ein Mehrparteiensystem, Religions- und Pressefreiheit, und ganz neu durch die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe auszeichnet.
Taiwan sei mit 36.000 km² so groß wie Baden-Württemberg, erklärt Prof. Shieh, aber habe mit 23,5 Millionen über das doppelte an Bevölkerung. China kommt der langgestreckten Insel Taiwan, geografisch an der Inselgruppe Kinmen, die eine halbe Fährstunde entfernt liegt, bedenklich nahe. China hatte die Inselgruppe in der Vergangenheit schon mehrfach einzunehmen versucht, doch ohne Erfolg. Heute so sagt man, ist sie ein beliebtes Ausflugsziel von chinesischen Touristen, die dort Souvenirs aus verschrotteten Granaten kaufen, die einst vom Mainland herübergeflogen kamen. Prof. Shieh weiß, dass man von den Inseln den Leuten vom Festland beim morgendlichen Zähneputzen zusehen könnte. So nah ist China.
„China und Taiwan, das läuft großartig“, sagt Prof. Shieh, „denn, China ist groß und wir sind artig.“ Doch der Staatspräsident der VR China sieht Taiwan nicht als eigenständigen Staat, sondern als Teil seines Staatsgebietes. Von diesem „Ein-China-Prinzip“ wird er auch nicht abweichen. Auf beiden Seiten der Taiwanstraße hat sich das Konfliktpotential erhöht. Seit April diesen Jahres wurde von der Regierung in Peking die chinesische Luftfahrtbehörde angewiesen, dass Airlines künftig in ihren Flugplänen anzugeben haben, dass sie nach «Taipeh, China» oder «Taipeh, Taiwan, China» und nicht mehr nach «Taipeh, Taiwan» unterwegs seien.
Taiwan fühlt sich zunehmend international isoliert. Kaum ein Staat riskiert eine offizielle Beziehung zur Insel. Durch die neue Seidenstraßen-Initiative „Belt and Road Initiative“ (BRI), die als zentraler Baustein der chinesischen Globalisierungsstrategie gilt, wird China immer mächtiger und wird seine Vorreiterrolle in der Weltwirtschaft noch weiter ausbauen. Geplant ist ein gigantisches Infrastruktur-Netz von Europa über Zentralasien bis in den Mittleren Osten, in das China Milliarden investiert. Das große Ziel ist, bis zum hundertsten Geburtstag der Volksrepublik 2049, die größte Industrienation der Erde zu sein.
Hatte Taiwan noch von 1949-71 einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, ist gegenwärtig an keine Neuaufnahme zu denken. Trotzdem entwickelte sich Taiwan zu einer der führenden Exportnationen der Welt vor allem im Bereich der Hochtechnologie. HTC, Acer, ASUS sind alles Taiwan Produkte.
Auch in den Statistiken belegt Taiwan beste Plätze. Wenn es z.B. um die sichersten Hauptstädte der Welt geht, lag Taipeh 2017 auf dem dritten Platz. Im Welt-Zufriedenheitsbericht nimmt Taiwan die Spitzenposition in Ostasien und weltweit den Rang 26 ein. Das ist die bislang beste Bewertung des Landes. Die Studie untersuchte 156 Länder rund um den Erdball mit jährlichen Umfragen unter 1000 Personen über die Einschätzung ihrer Lebensqualität. Dabei wurden sechs Merkmale bewertet: Einkommen, gesunde Lebenserwartung, Freiheit, soziale Unterstützung, gute Herrschaft und Großzügigkeit.
„Essen ist des Volkes Himmelreich“
Jane P.C. Wang, Mitarbeiterin in der Taipeh-Vertretung, ergänzt die Superlativen im touristischen Bereich. Es sei gut nachvollziehbar, warum Touristen sich in Taiwan so wohl fühlen, meint sie. Zuerst einmal ist es das letzte Land mit traditionellem Chinesisch, den Langzeichen, die außerdem nur noch in Hong Kong geschrieben werden. Unterdessen spricht man auch englisch und wenn nicht, verständigt man sich mit Händen und Füssen.
Auch das Kulinarische hat eine lange Tradition. „Essen ist des Volkes Himmelreich“ heißt ein chinesisches Sprichwort. Ob Beef- und Chicken-Noodles, Chinese Pancakes, Dumplings, Tintenfisch am Spieß, Garnelen, Erdnuss-Eis-Wrap, Glibber-Teig-Kugeln, Säfte, Fischkuchen, Entenhals, und und und … Gut essen lässt sich rund um die Uhr in Restaurants oder an Straßenständen. Und wenn man die Namen der Gerichte nicht kennt, zeigt man einfach auf den Inhalt des Topfes oder auf Fotos auf der Speisekarte. Verhungert ist noch keiner.
Und für das Sightseeing-Programm wäre das Taipei Financial Center, kurz Taipeh 101, zu empfehlen. Es ist mit seinen 508 Metern das höchste Gebäude des Landes.
Dann natürlich der Yushan Jadeberg), der im Yushan-Nationalpark liegt und mit seinen 3952 m der höchste Berg des Landes ist. Ein „muss“ ist der Taroko-Nationalpark (太魯閣國家公園), der zu den 8 Nationalparks in Taiwan gehört und bekannt ist durch seine gleichnamige Schlucht, die der Fluss Liwu tief in die aus Marmor bestehenden Felsen gegraben hat.
Und weiter geht es! Nur wenige Autominuten nördlich von Taipeh liegt der Nationalpark Yangmingshan, eine Bergregion mit malerischen Wasserfällen, anmutigen Seen, terrassenförmig angelegten Reisfeldern, Vulkankratern und dampfenden Thermalquellen. Besonders lohnt sich der Besuch im Frühling, wenn hier Kirschbäume und Azaleen blühen.
Lieblingsziel aller Hochzeitsreisenden ist immer noch der idyllische Sonne-Mond-See mit seiner romantischen Atmosphäre und dem smaragdgrün schimmernden Wasser. Er liegt in 760 Metern Höhe am Westhang des Zentralgebirges im Landkreis Nantou. Die Sonnenuntergänge lassen die Herzen schmelzen, heißt es. Ein grandioser Panoramablick über den See zeigt den riesigen Wenwu-Tempel, der Konfuzius und dem Kriegsgott gewidmet ist. Der Legende nach las der Kriegsgott gerne im Buch des Konfuzius über Blüte und Untergang der verschiedenen chinesischen Epochen.
Das sogenannte Whale Watching an der Ostküste Taiwans sollte keiner verpassen, denn Wale oder Delfine aus der Nähe zu beobachten, ist schon ein seltenes Abenteuer. Die Bootsführer, die nur mit einer kleinen Anzahl Touristen rausfahren, wissen genau, wann und wo die Meeressäuger anzutreffen sind. Mehr über Taiwans touristische Ziele: https://www.taiwantourismus.de/
Löwentanz und Tempelfest
Nach dem Einblick in Taiwans wunderschöne Naturkulisse wurde für die CTOUR-Journalisten vor dem Eingang der Ständigen Vertretung Taipehs auf dem Gendarmenmarkt ein traditioneller Löwentanz vorbereitet. Hierbei stecken meist zwei Personen unter einem „Löwenkleid“ und bewegen sich großkatzenartig zur Musik. Der Löwentanz wird als glücksbringendes Ritual bei wichtigen Ereignissen aufgeführt. Bei 30 Grad im Schatten waren anschließend nicht nur die Löwen fix und fertig.
Im Vortragssaal wartete bereits der Sinologe und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Florian C. Reiter auf uns, um einen kleinen Einblick in die daoistische Philosophie zu geben, die neben dem Buddhismus und Konfuzianismus zu den drei großen chinesischen Weltanschauungen gehört. Die neuen Erkenntnisse ließen sich bei einem anschließenden reichhaltigen chinesischen Imbiss vertiefen.
Nicht unerwähnt sei die Ausstellung „Miaohui — Tempelfeste und Volkskultur in Taiwan“, die wir das Glück hatten, noch in den Räumen der Taipeh-Vertretung sehen zu können, bevor sie zu ihrer letzten Station nach London weiterzieht.
Die als Wanderausstellung für fünf europäische Städte konzipierte Schau zeigt lebendige religiöse Traditionen und Tempelarchitektur Taiwans. Die Schau begann im vorigen Jahr in der niederländischen Stadt Nijmegen, zog dann weiter nach Vitre im Nordwesten Frankreichs und weiter in die Hauptstädte Paris, Berlin und London.
Die Ausstellung wurde vom Außenministerium der Republik China (Taiwan) organisiert und präsentiert Artefakte, Illustrationen, Fotografien und kurze Dokumentarfilme über die religiösen Sitten und Gebräuche des Landes.
Besonders fasziniert waren die Besucher von einem elektronischen Wahrsage-Gerät sowie einem 360 Grad-Rundblick der Mazu Wallfahrt im virtuellen Raum. Die Taiwaner verehren ihre daoistische Göttin Mazu und die dazu gehörenden Zeremonien, wie Umzüge und Wallfahrten, nehmen einen besonderen Stellenwert ein.
Fotos: © Taiwan-Tourismus, Hans-Peter Gaul