Der Sonnenaufgang vergoldet die Ostsee vor Rügens Fährhafen Sassnitz-Mukran. In die romantische Kulisse schiebt sich der Scherenschnitt des Kreuzfahrtschiffs ASTOR. Nur wenige der 540 Gäste sind um diese Zeit schon an Deck, als der 21.000-Tonner zum Saisonstart festmacht.Nach einer Traumreise bei Traumwetter von Bremerhaven rund Skagen nach Göteborg und Malmö mit Weiterfahrt bei Tage durch den Nord-Ostsee-Kanal zum Hafengeburtstag in Hamburg. Eine Kurzreise zum Schnuppern sowohl für Kreuzfahrt-Neulinge als auch für alte Hasen und Fans des überschaubaren, gemütlichen und sehr familiären Schiffes, „das auch noch wie ein Schiff aussieht“, bemerkt ein Passagier mit Kennerblick.
Was man an Gesprächsfetzen vor der Gangway aufschnappt, deutet auf eine große Erwartungshaltung hin: Alle sind gespannt, was sie auf Deutschlands größter Insel und in Stralsund erwartet. 50 haben sich fürs „Welterbe“ entschieden, die übrigen wollen den Königsstuhl, das Fischerdörfchen Vitt und Kap Arkona sehen.
Auf der Pier warten schon in Reih und Glied die Busse, überwiegend aus Stralsund, wie schon an ihren Flanken in Riesenlettern abzulesen ist. Nach Busnummern werden die Gäste – sie kommen aus ganz Europa – aufgerufen, so dass kein Gedrängel entsteht.
Goethe mit von der Partie
Für den Autor eine völlig neue Situation: Noch nie ist er von Bord eines großen Kreuzfahrtschiffes an Land gegangen, um für ein paar Stunden in seine Heimatstadt zu kommen, seine Frau im Heilgeistkloster zu besuchen und schließlich weiter zu fahren. Selbst der Stralsunder Busfahrer und die Rüganer Reiseleiterin sind überrascht, als sie das „Geständnis“ hören: „Das haben wir auch noch nicht gehabt!“ Viele Gäste indes sind immer nur an Stralsund vorbeigefahren und wollen „mal richtig ins Welterbe eintauchen“, getreu dem ASTOR-Tagesspruch von Goethe: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen“.
Nach 45 Minuten Inselfahrt, gespickt mit Informationen, durch leuchtend gelbe Rapswälder, Alleen und über die Rügenbrücke mit Blick auf Stralsunds „Schokalenden-Seite“ stoppt der Bus am ZOB.
Bis 11.30 Uhr, also gerade mal drei Stunden, werden die Gäste durch die Altstadt geführt: von der Marienkirche durch Ossenreyer und Mönchstraße zum Alten Markt mit Rathaus und Nicolaikirche zum Hafen vor Ozeaneum und GORCH FOCK. Die Standardtour, denn mehr geht nicht.
Schwärmereien am Sund
Bleiben noch dreißig Minuten auf eigene Faust. Die werden unterschiedlich genutzt: für ein Eis oder einen Schnellrundgang über das maritime Wahrzeichen der Hansestadt, die GORCH FOCK.
Die Begeisterung, getoppt durch das strahlende Stralsund-Wetter, schlägt hohe Wellen, als sich alle kurz vor Zwölf wieder am Bus treffen. „So schön hätten wir uns die Stadt nicht vorgestellt!“ schwärmen die einen, andere waren seit DDR-Zeiten nicht am Sund und staunen, was sich hier seit der Wende alles getan hat. Die meisten wollen „unbedingt wiederkommen, um die Eindrücke zu vertiefen“. „Kulturhistorisches Museum und Ozeaneum sparen wir uns dafür auf. Der Autor versorgt seine Mitpassagiere zu diesem Zweck auch mit Insider-Informationen.
Zum Mittagessen unter freiem Decks-Himmel sind alle wieder an Bord. „Die ASTOR könnte doch auch mal nach Stralsund fahren“, sinniert ein Thüringer, „da wäre ich sofort wieder dabei!“ Von den Schiffsabmessungen her – 176 Meter Länge, 6,10 Meter Tiefgang und 22,60 Meter Breite – gäbe es keine Probleme, um im Südhafen anzulegen. Der Autor als Kreuzfahrtexperte hat deswegen schon Gespräche mit dem Veranstalter Transocean geführt. Man hat bereits verraten, dass ein Erstanlauf vorgesehen sei, „denn kleinere deutsche Häfen wie Eckernförde, Flensburg, die nordfriesischen Inseln und Rügen´schen Seebäder sind sehr nachgefragt“, wie Transocean weiß. Stralsund, die „Perle der Hanse“, hätte es allemal verdient!
„Herzlich willkommen wieder zu Hause!“, strahlt der Hoteldirektor und empfängt seine Gäste an der Gangway nach der Rückehr. Das hat auf der ASTOR schon Tradition. Seit 32 Jahren. Ein langes und bewegtes Schiffsleben im Dienst von treuen Fans, die ihr Schiff lieben.
Nachfrage bestätigt Konzept
„Ich bin die Paula – zum Greifen nahe!“, lächelt die „Lübecker Deern“ in der Hanse-Bar ihren Nachbarn an und fasst ihn unverkrampft um die Schultern. Andere Gäste begrüßt sie ebenso, winkt mal hier, mal dort hin und verteilt Küsschen. „Wir kennen uns eben auf dem Familienschiff“, meint sie und zwinkert ihrem Mann Heino zu, der gegenüber mit dem stellvertretenden Kreuzfahrtdirektor ins Gespräch vertieft ist. Wie oft sie schon hier mitgefahren seien? „Och, so um die zwanzig Mal, so genau weiß ich das nicht mehr, aber immer und immer wieder. Das wird auch so bleiben!“
Nachfrage bestätigt Konzept
Ungebrochen ist die Attraktivität der ASTOR, seit sie vor 32 Jahren in Dienst gestellt wurde. „Sie zählt zu den traditionsreichsten und beliebtesten Hochseeschiffen in Deutschland“, betont Alexander Nothegger, „eine Verbindung aus familiärem Charakter und modernster Ausstattung“. Nach der aufwändigen Komplettmodernisierung 2010 ist das Schiff noch schöner geworden. 16 Millionen Euro hat die Premicon AG, deren Vorstand Nothegger ist, investiert. Die Nachfrage bestätige das Konzept, denn „es gibt kaum noch vergleichbare Schiffe auf dem Hochseemarkt“.
So gehört das einstige Bremer Traditionsunternehmen Transocean Kreuzfahrten als 100-prozentige Premicon-Tochter in den Wintermonaten zum britischen Veranstalter Cruide & Maritime Voyages, für die das Schiff rund um Australien unterwegs ist.
Für die ASTOR wird auf dem deutschen Markt geworben mit dem Slogan „Transocean – ganz persönlich“. Individueller Service werde hier großgeschrieben, meinen viele Wiederholer.
Das Schiff gehört zum Mittelklasse-Segment „Klassische Kreuzfahrten“. Dafür indes wird erstaunlich viel geboten
Stilvoll, aber schnörkellos
Willkommens- und Abschiedscocktail sind genauso ein Bestandteil der Reisen wie das Captains dinner sowie der Gala-Abend. Angesprochen werden sollen in erster Linie Gäste, die zwar entspannt, aber ohne allzu großen Luxus reisen möchten. So locker wie auf Clubschiffen geht es hier allerdings nicht zu, denn Stil ist nach wie vor gefragt. Auch was den Dresscode angeht. Hier gilt die Empfehlung „sportlich-leger bis festlich“. Was durchaus auch Shorts und T-Shirt bedeuten kann, je nach Klimazone und Situation. In den Restaurants allerdings geht es „gesittet“ zu, was natürlich Sonnen-, Bade- und Freizeitbekleidung ausschließt. Hier greift das Prädikat „klassisch“ wieder.
Stilvoll, aber schnörkellos sind die Innenbereiche gestaltet. Zu den Höhepunkten neben den Empfängen gehören internationale Musik- und Tanzvorführungen, die durch deutschsprachige Elemente gut ankommen. Das künstlerische Ensemble, bestehend aus 19 Mitgliedern, ist im Verhältnis zur Schiffsgröße erstaunlich groß und bietet ansehnliche Shows mit Tanz- und Gesangseinlagen von hohem Niveau. Darüber hinaus treten Gastkünstler auf wie Magier, Artisten, Sänger, Musiker oder auch Schriftsteller, die aus ihren Werken lesen und diese signiert verkaufen.
Körperliche und geistige Fitness
Erfahrene Lektoren ergänzen das Programm in der „Astor-Lounge“ geistig. Sie bereiten die Gäste per Multi-Media-Vorführung auf die anstehenden Landausflüge vor und bieten auch allgemeine Informationen über die zu besuchenden Länder. So können die Gäste wohlvorbereitet die Destinationen erkunden. Auch, wer möchte, auf eigene Faust. Dazu werden Stadtpläne und Broschüren an Bord vorgehalten.
Sportlich geht es zu bei Shuffleboard-Spielen auf den weiträumigen holzbelegten Außendecks. Die eignen sich auch hervorragend für Jogging und Walken. Auch Handball, Fußball, Volleyball und Tischtennis-Freunde kommen an Oberdeck auf ihre Kosten. Alle Sportarten werden von Sportlektoren fachkundig begleitet.
In den Gesellschaftsräumen kann man sich bei Bingo- und Kartenspiel samt Kreativkursen wie Malen, Zeichnen oder Seidenmalerei die Zeit vertreiben. Zum „Selbststudium“ zieht man sich in die gut ausgestattete Bibliothek zurück. Eine wohl sortierte Boutique lädt zum Kauf von Kleidung, Schmuck und Parfüms und allerlei Souvenirs ein. Entsprechende Sonderangebote werden angekündigt. Selbstverständlich sind ein Fotostudio sowie ein Hospital mit Bordarzt und Krankenschwestern. Spezielle Räume für Kinder gibt es zwar nicht, aber während der Ferienzeit organisiert die Reiseleitung kindgerechte Angebote.
Sport- und Wellness rund um das beliebte Innenschwimmbad mit Sauna und Massageräumen runden die Möglichkeiten ab. Besonders reizvoll: die Fitnessgeräte auf dem achteren Brückendeck mit Meerblick. Hier kann man sich zusätzlich vom „Blick in die weite Ferne“ inspirieren lassen und entspannen.
Hoher Prozentsatz Repeater
Zentrum des Schiffes sind zwei elegante Galerien mit Sitzgruppen vor großen Fenstern. In einer kommen sogar Raucher zum Zuge. Dazwischen liegt der mit Steuerrad, Tauwerk, dunklen Hölzern, gemütlichen Sitzecken und Gemälden liebevoll maritim gestaltete Captains Club. Gespeist wird in zwei Sitzungen mit Tischreservierung im Restaurant „Waldorf“ und im „Übersee-Club“, ein erstklassiges Büffet-Restaurant mit vielen frisch zubereiteten Spezialitäten. Im „Romantic“ kann man ohne Aufpreis Sonderreservierungen vornehmen lassen. Darüber hinaus werden kulinarische Sonderveranstaltungen offeriert wie bayerischer Frühschoppen, Eisspezialitäten oder ein nächtliches Schokoladen-Büffet. Am Vormittag werden generell Bouillon und um Mitternacht traditionell Snacks gereicht oder einfach nur Kartoffelsalat mit Würstchen.
Die Führungskräfte im Service-Bereich sind mit deutschsprachigen Kräften besetzt, während die übrigen Positionen von internationalen Mitarbeitern eingenommen werden. Gleichwohl verstehen es alle hervorragend, die Wünsche des ihnen wohl vertrauten Publikums zu erfüllen. Das wissen viele Gäste sehr zu schätzen, die auch darum immer wieder gern mit der ASTOR fahren. Wiederholer repräsentieren einen hohen Prozentanteil bei den Buchungen. Das Preisniveau für Getränke, Ausflüge oder andere Bord-Angebote liegt im Mittelfeld – ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis – des insgesamt mit vier Sternen bewerteten Schiffes.
Fotos: Peer Schmidt-Walther