Ctour on tour: Erstaunliche Erkenntnisse zwischen Passau und Passau

Helmut Schmidt sagte einmal in seiner provokanten Art: „Wer Visionen hat, der muss zum Arzt!“ Oder eine Kreuzfahrt unternehmen – mit einer Vision: nämlich der NICKO VISION. Ein großer Name, der nach Innovation, Moderne und Komfort klingt. Alles, was einen exklusiven Flussschiff-Neubau ausmachen soll. Seit Juli 2018, als Entertainerin Barbara Schöneberger die Champagner-Flasche am Bug der Jungfer zerschellen ließ, ist dieser wahr gewordene Fünf-Sterne-Traum auf der Donau unterwegs.

„Die NICKO VISION ist ein Schiff für alle, die Flusskreuzfahrten bisher angestaubt fanden“, wirbt der Stuttgarter Veranstalter für den 135 Meter langen Neubau. „Unsere Zielgruppe sind die nachwachsenden Best Ager, also die 60-Jährigen“, legt Nicko Tours-Geschäftsführer Guido Laukamp nach. Um jüngere Gäste an Bord zu locken, orientierte man sich an dem ungleich vielfältigeren Angebot auf hoher See. Ein Wow-Effekt das fließende Raumkonzept, wobei Bar und Restaurant ineinander übergehen: drei Restaurants, flexible Küchenzeiten von bis zu drei Stunden und freie Platzwahl. In den zur Wasserseite voll verglasten und mit einem französischen Balkon ausgestatteten Kabinen fühlt man sich einfach sauwohl. Selbst wenn es draußen grau und kühl ist. Auch Restaurants, Salons und Atrium erinnern an die Atmosphäre eines Hochsee-Luxus-Cruisers mit skandinavischem Ambiente. Von popeligen Ausflugsdampfern mit Spitzendeckchen absolut keine Spur. Herbst, Winter oder kühler Vorfrühling auf der kalten statt blauen Donau – das muss hier nicht – im doppelten Wortsinn – zu Schüttelfrost führen.

MS NICKO VISION am Anleger in Ybbs

Strom für die Marinestadt Stralsund
Milde Oktobersonne taucht die an den Ufern wie ein Endlos-Film vorübergleitenden Burgen, Schlösser und Ruinen in ein romantisches Licht. Die malerischen Städtchen und Dörfer werden umrahmt von einer wahren Farbsinfonie aus buntem Herbstlaub. Die berühmte „Schlögener Schlinge“ mit ihren engen Flusswindungen fällt allerdings in die Nachtstunden. Aber schon am nächsten Morgen geht vor allem den Stralsundern an Bord ein Licht auf: in der Schleuse Ybbs-Persenbeug bei Flusskilometer 2060 und während der anschließenden Besichtigung ihres gewaltigen Wasserkaftwerks mit seinen fünf 115 Tonnen schweren, rund acht Meter hohen Turbinen-Laufrädern und jeweils 44.000 PS Leistung. Der Öko-Strom, jährlich sind es 187.000 kW, fließt sogar bis nach Stralsund, wie man dabei staunend erfährt. Das verschlafene Ex-kuk-Garnisons-Städtchen Ybbs elektrisiert quasi die Sundstädter und damit auch die Marinetechnikschule in Parow im über 1000 Kilometer entfernten hohen Norden. Genug der Technik.

Voller Überraschungen
„Erleben Sie herrliche Landschaften und romantische Ortschaften, Menschen verschiedenster Herkunft und eine bunte Variation gelebter Kultur!“ So preisen die Prospekte. Nicht zu Unrecht!
Nirgendwo sonst, scheint es, liegen die Sehenswürdigkeiten so dicht beieinander, reihen sich die kulturellen Schätze wie Perlen an einer Schnur.

Kapitän Ion Imana entspannt in seinem hochmodernen Fahrstand

Selbst der Kapitän, seit 20 Jahren auf der Donau unterwegs, entdeckt immer wieder Neues: „Die Donau steckt voller Überraschungen“. Für ihn sind es in erster Line die wechselnden Wasserstände. „Zu hoch oder zu niedrig“, das ist dann die entscheidende Frage, ob wir überall hin fahren können oder manchmal auch nicht“, sinniert der Reserveoffizier der rumänischen Marine. Zweiter Mann an seiner Seite ist Kapitän Dr, Harald Richter, studierter Mediziner mit großer Leidenschaft für die Schifffahrt.
Dunkelgrüne Wälder reichen bis ans Ufer heran, wechseln sich mit Feldern und Weinhängen, Hügeln und steilen Felsen ab, die das Donauwasser strudeln und erahnen lassen, wie gefährlich der Fluss sich für die Schifffahrt einst gebärdete.

Stiftskirche Dürnstein und hoch oben die Ruine der Burg von Richard Löwenherz

Dürnstein, sagenumrankte „Perle der Wachau“, über der die Burgruine von Richard Löwenherz thront, wird mit Totalansicht an Backbord passiert. Das Weinbaustädtchen gilt als Highlight während einer Donaukreuzfahrt. Diejenigen, die einmal durch die idyllischen Gassen, über Plätze und durch Innenhöfe geschlendert sind oder von der Terrasse vor dem markanten blau-weißen Barockturm der Stiftskirche den Ausblick genossen haben, wissen um diese optischen Leckerbissen.


Voll fahrfähiges Patrouillenboot NIEDERÖSTERREICH auf der Donau

Letztes österreichisches Patrouillenboot
Eineinhalb Tage Liegezeit in Wien. Natürlich ist das viel zu wenig für jemanden, der zum ersten Mal in die Donaumetropole kommt. Aber es ist zeitlich durchaus möglich, ein paar der Sehenswürdigkeiten wie Stephansdom, Hofburg, die prächtigen Habsburger-Schlösser Belvedere oder Schönbrunn, den trubeligen Prater sowie das bunte Hundertwasser-Haus und wenigstens einen der herrlichen Jugendstilbauten zu besichtigen.

 

Farbenfrohe Fassade des Wiener Hundertwasser-Hauses

Auch auf die unterirdisch-gruseligen Spuren des Filmklassikers „Der Dritte Mann“ kann man sich begeben. Oder das letzte Patrouillenboot NIEDERÖSTERREICH des Bundesheeres besichtigen, das jetzt Bestandteil des Heeresgeschichtlichen Museums. Der knapp 30 Meter lange und mit zweimal 810 PS-Maschinen ausgerüstete marinegraue 73-Tonner liegt im Korneuburger Museumshafen. Betreut wird das Schiff von der Wiener Marinekameradschaft „Erzherzog Franz Ferdinand“.
Zum Heurigen lotst uns ein Wiener Kollege abends in eins der vielen Heurigen-Lokale in Hafennähe.

In der Nacht wird das ungarisch-slowakische Schleusenmonster von Gabcikovo passiert: 275 Meter lang, 34 Meter breit mit einer Fallhöhe von 20 Metern. Da werden Panamakanal-Assoziationen wach. Auch die Erinnerung an eine akustikstarke Gesangsprobe, die hier der Wahl-Rüganer Wolfgang „Lippi“ Lippert vor Jahren gab. Da kam, zur Freude der Passagiere, „Erna in der Schleuse“.

Der Ritt von Karl XII.
Unvergesslicher Morgen: die Einfahrt nach Budapest. Eindrucksvoll sind der Burgberg, die prachtvolle Matthiaskirche und die wunderschön anzusehende Fischerbastei. Nachmittags steht ein Ausflug in die Puszta mit Pferdekutschenfahrt und traditioneller Folkloreshow.

Das schönste Parlament der Welt steht in Budapest

Ein Bummel durch die Vaci Utca, Budapests bekannte Fußgängerzone, ist ein Muss – besonders für historisch interessierte Stralsunder. An einer Straßenecke hoch über den Köpfen ein unübersehbares gusseisernes Metallschild, das einen Reiter abbildet.


Das Stralsund Schild mit dem schwedischen König Karl XII. in der Vaci Utka

Auf Ungarisch und Schwedisch die Inschrift, dass hier im November 1714 der schwedische König Karl XII. auf seinem Gewaltritt von der Türkei nach Stralsund gerastet habe, um von dort nach Schonen übergesetzt zu werden. Ein ähnliches Schild ist in die Backsteinmauer am Frankendamm, Ecke Heilgeistkloster eingelassen.
Am Ende des Boulevards wird man förmlich in die berühmte, von Eiffel konstruierte Markthalle gesogen. Von deren überbordendem Angebot schwärmten schon mangelgeplagte DDR-Besucher.

Leuchtturm am Dreiländer-Eck
Die slowakische Metropole Bratislava oder Preßburg liegt zwischen ihren großen Schwestern Wien und Budapest direkt an der Donau. Die Spuren der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie sind in der idyllischen Altstadt noch immer unverkennbar. Auch am ungarisch-slowakisch-österreichischen Dreiländer-Eck. Dort mündet die March ein, die von der Burgruine Devin überragt und von einem echten Leuchtturm bewacht wird. Im Gegensatz zur Sund-Gemeinde wird der Schiffsanleger gut frequentiert. Stralsund lässt noch mal grüßen!

Schlusspunkt der Reise ist die über dem Ort thronende gewaltige Benediktinerabtei Melk, ein Juwel des Barock und touristischer hoch frequentierter Magnet. Wenn das Bett mit schwimmt, die 14-Quadratmeter-Kabine gemütlich warm und die Küche hervorragend ist, zugleich am Donaustrand Kunst, Kultur und Konzerte warten, dann kann ein Acht-Tage-Abstecher ins ehemalige k.u.k.-Reich der Habsburger eine angenehme Unterbrechung der kalten Jahreszeit sein.

Vision ist wahr geworden
Das finden offenbar immer mehr Deutsche. Und so ist der Klassiker der Flusskreuzfahrten Passau – Budapest – Wien – Passau immer gut gebucht. Eine riesige Flotte von rund 200 Schiffen bietet dieses Programm an. Manche sogar mit Ziel am Schwarzen Meer.
Aber die Mischung aus komfortablem Hotelschiff und Ausflügen auf Kaiserin Sissis Spuren macht es. Zumal sich die Routenexperten bemühen, die abgelatschten Touristenwege entlang des blauen Flusses zumindest ein bisschen zu variieren.

Eine erlebnisreiche Anti-Stress-Woche nach rund 1200 Donau-Kilometern geht zu Ende. Gerade bei dieser Art des Reisens bewahrheitet sich der zutreffende Spruch: „Der Weg ist das Ziel.“ Kein Wunder, dass Flusskreuzfahrten immer beliebter werden. Gespräche an Bord mit „Ersttätern“ haben ergeben, dass sie mit Sicherheit auch zu „Wiederholungstätern“ werden. Das gilt auch für unsere Stralsunder, für die „eine Vision wahr geworden ist“.

Fotos:  Dr. Peer Schmidt-Walther

Infos:

Das Schiff: MSNICKO VISION; gebaut in Serbien (Kasko) und Holland (innenausbau); Juli 2018 Indienststellung; Flagge: Schweiz; Länge 135 m, Breite 11,40 m, Tiefgang 1,40 m; Tonnafe: 2000 t; Hauptmaschinen: 2 x 2200 PS; max. Geschwindigkeit (in stehendem Gewässer): 20 km/h; Besatzung: 31; 3 Decks; 3 Restaurants, Bar, Fitnes-Raum, Sauna; Kabinen: 110 für max. 220 Passagiere; Crew: 53 (international), Heimathafen: Basel.

Die Donau ist mit 2888 Kilometern Länge – nach der Wolga – der zweitlängste Strom Europas. Ihre Quellbäche Brigach und Breg entspringen im Schwarzwald und vereinigen sich zur Donau. Sie durchfließt acht weitere Länder: Österreich, die Slowakische Republik, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und die Ukraine und berührt vier Hauptstädte. In einem dreifach verzweigten Delta strömt die Donau ins Schwarze Meer.

Der Veranstalter: www.nicko-cruises.de

Literatur: Donau-Kreuzfahrt, Merian live! ISBN 978-3-8342-1049-4