CTOUR on Tour: Frankreich – Der Duft des Südens

Unterwegs in den Landschaften der Languedoc
Auf der Rangliste der beliebtesten Wohnorte in Frankreich steht Montpellier immer ganz weit oben und eroberte sogar im letzten Jahr den 1. Platz. Das hat sich längst auch bei den Touristen aus aller Welt herumgesprochen. Vor 50 Jahren noch eine kleine, wenig bekannte Provinz-Stadt hat sich bis heute ihre Einwohnerzahl auf 275 000 mehr als verdoppelt. Montpellier avanciert mit seinem ungewöhnlichen Wachstum, seiner Dynamik und seinen vielen Gesichtern zu einer Metropole, die sich mit ihrem lässigen Charme modern gibt, aber auch noch immer ein wenig ländlich wirkt.

Eine Stadt, die allen ihren Einwohnern wie Besuchern vieles zu bieten hat. Und als Universitätsstadt mit einer traditionsreichen juristischen und medizinischen Fakultät sorgen 75.000 Studenten für die nötige Würze an jugendlichem Flair.

Die Stadt Montpellier
Die Stadt Montpellier

Büros im gläsernen Torbogen
Wie bei vielen geglückten Stadtentwicklungen haben auch in Montpellier die Entscheidungen von Bürgermeistern, die die passenden Architekten auswählten, den Grundstein gelegt. Zu Beginn der 80er Jahre inszenierte der katalanische Architekt Ricardo Bofill in dem berühmten Quartier Antigone auf einer Fläche von 40 Hektar eine antike Welt aus Beton in klassischen Formen. Ein von der Stadt übernommenes riesiges Gelände der französischen Armee bot den ausreichenden Platz. Es entstanden breite Alleen für Fußgänger, die zu großen Plätzen führten, vorbei an Fassaden mit Säulen und Pilastern griechischer Architektur. Dieses neue Wohnviertel, das Klassizismus mit modernem Städtebau zusammen führte, war der Startschuss für andere angesehene Architekten, hier in Montpellier ein Arbeitsfeld zu finden. So entstanden neue Quartiere wie Malbosc, Jardins de la Lironde und ganz neu das Wohnviertel Port Marianne mit modernen Bauten rund um den Teich Jacques Coeur.

Das moderne Hotel de Region
Das moderne Hotel de Region

Ein unübersehbarer Blickfang steht am Ostufer des Flusses Lez, der zum zehn Kilometer entfernten Meer führt, und die Richtung anzeigt, in der sich Montpellier ausdehnt. Es ist das neu geschaffene Verwaltungsgebäude der Region Languedoc Roussillon – das Hotel de Region. Der riesige gläserne Torbogen ist dem Pariser Arc de Triomphe nachempfunden. Manche Beamte, die hier an Schreibtischen sitzen, sind durch die gewagte Architektur ihres Bürogebäudes zum kreativen Arbeiten verurteilt.

Eine Stadt für die Fußgänger
Der Charme dieser südfranzösischen Stadt wird wesentlich dadurch bestimmt, dass die „Unmotorisierten“ sie erobert haben. Montpellier ist eine Fußgänger-Stadt. Alle wichtigen Bauten und Denkmäler des Stadtzentrums sind zu Fuß zu erreichen. Das historische Quartier Ecusson ist mit seiner großräumigen Fußgängerzone die Lunge der Stadt. Überall laden Plätze mit hohen Bäumen zum Verweilen ein.

Aline Couguet
Aline Couguet

Aline Couquet vom Tourismus-Office der Stadt Montpellier hat für die Besucher zehn Punkte aufgelistet, um die Stadt zu entdecken. Dazu gehören mittelalterlichen Gassen der Altstadt. Und Alina empfiehlt: „Vergessen Sie Ihren Stadtplan und verlaufen Sie sich in den engen Gassen, beim Stöbern in den Gewölben von Boutique der Antiquitätenhändler und Modeschöpfer, beim Besuch der Galerie St. Ravy oder in einem der unzähligen kleinen Cafès.“
Schätze in Hinterhöfen

Während die Provence mit seinen mondänen Mittelmeerstädten als Symbol des Business-Tourismus gilt, steht der Südwesten mit Montpellier Richtung dem katalanischen Spanien noch in den Augen vieler Besucher für das authentische Frankreich. Dieser Eindruck wird beim Besuch in den Höfen der Stadthäuser vermittelt.

Innenhof eines Stadthauses
Innenhof eines Stadthauses

Schmiedeeiserne Treppen und Geländer, breite helle Höfe mit viel grünen Kletterpflanzen und davor massive Tore, deren Torbögen mit Figuren geschmückt sind.
„Echte verborgene Schätze“, so nennt Aline diese Höfe. Immerhin existieren im Gebiet von Montpellier, das seit mehreren Hundert Jahren keine Kriegs-Zerstörungen mehr erleiden musste, etwa 80 im Klassizismus erbaute Stadthäuser. Einziger Wermutstropfen für die Touristen: Bis auf ganz wenige Ausnahmen können die Höfe nur im Rahmen von Führungen durch das Touristenbüro besucht werden.

Saint-Guilhem-le-Desert
Saint-Guilhem-le-Desert

Streifzug ins Mittelalter
Zwei Dutzend Kilometer von Montpellier und vom Meer entfernt, öffnet sich das Hérault-Tal und ein Tor für einen Streifzug ins Mittelalter. Hier befindet sich zwischen den Bergen und Schluchten in wunderschöner Landschaft das kleine Städtchen Saint-Guilhem-le-Desert. Sein Name stammt von dem „französischen Wilhelm“, dem Wilhelm vom Aquitanien, einem Cousin von Karl dem Großen. Der tapfere und siegreiche Ritter Guilhem legte Waffen und Rüstung nieder und verwandelte sich in einen Mönch, der nach seiner Ankunft im Jahre 804 ein Kloster gründete. Im 10. Jahrhundert wurde das Kloster zu einer wichtigen Etappe auf dem Jacobsweg und ist bis heute Station des Pilgerweges Compostella geblieben – und ein Anziehungspunkt für Touristen.
Auf den Namen Guilhem stößt der Besucher überall. Das am Rand des historischen Ortes liegende kleine liebevoll restaurierte Hotel-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert trägt natürlich den Namen „le Guilhaume d`Orange“. Vor zwei Jahren wurde dem mittelalterlichen Flecken mit seinen schmalen Gassen die begehrte Auszeichnung zuteil, zu den Grand Site de France zu gehören. Dieses Label, im Umweltgesetzbuch von Frankreich verankert, haben bislang nur ein gutes Dutzend besonders naturgeschützte, landschaftlich herausragende, bekannte und vielbesuchte Orte in Frankreich erhalten. Auch die UNESCO kannte sich gut aus und stufte im Dorf die Abtei Gellone auf dem Jacobsweg in Frankreich als Stätte des Weltkulturerbes ein. Und das alles völlig zu Recht. Die etwa 200 Bewohner von Saint-Guilhem-le-Desert, die zuallermeist von den rund 350.000 Besuchern im Jahr leben, haben viel dafür getan, ihre Gassen und Häuser vor bunt schreiender Werbung und zerstörerischem Zeitgeschmack zu bewahren. Fassaden und Baustile der alten Häuser blieben weitgehend erhalten. Insgesamt 12 Wasserstellen, die früher hauptsächlich die Pilger mit sauberem kalten Wasser aus den Bergen versorgten, löschen heute den Durst der Touristen.

Die Teufelsbrücke
Die Teufelsbrücke

Teufelsbrücke aus dem 11. Jahrhundert
Saint-Guilhem-le-Desert war im Mittelalter durch hohe Mauern entlang des Flusses geschützt und nur durch kleine Stadttore zu betreten. Ein schmaler Wanderweg führt aus den eng zusammen stehenden Häusern den Berghang hinauf zu einem der Tore, das noch erhalten ist. Oben angekommen, umringt von der weiten Berg-Kulisse, schaut der Besucher zu den Häusern hinunter wie in eine andere Zeit.
Ganz in der Nähe des Ortes befindet sich eine steinerne Brücke, die die Mönche im 11. Jahrhundert bauten, übrigens auch als UNESCO-Welterbe eingestuft. Gemäß einer Legende scheiterte der Teufel immer wieder daran, diese Bogenbrücke über die Schlucht des Flusses Heràult zu zerstören. Sie ist mehrfach restauriert und bis heute, gemeinsam mit zwei neu gebauten Brücken, noch in Betrieb. Daran sollten sich mal, so kommt sicher manchem deutschen Besucher in den Sinn, die Brücken in seinem Heimatland ein Beispiel nehmen. Heute ist die malerisch gelegene Brücke ein Anlaufpunkt für die Touristen mit einer wunderschönen Badestelle an den Ausläufern des Flusses.

Das Dorf Morèze
Das Dorf Morèze

Backofen der alten Römer
Auf dem Weg in das Landesinnere erreicht man das Dorf Mourèze, das in seinem Umfeld erstaunliche Naturschönheiten wie auch spannende Geschichte zu bieten hat. Nicht nur der Geologe als Fachmann, sondern erst recht der Urlauber als Laie kann die Felsformationen aus Dolomit-Gestein bewundern. Vor 160 Millionen Jahren haben Ablagerungen eines seichten Binnenmeeres diese grandiose Landschaft eines dolomitischen Tal-Kessels gebildet. Auf einem 300 Hektar großen Areal ist eine wundersame Kulturlandschaft entstanden, die schon 4000 v. Chr. besiedelt wurde. Stolz zeigen die Mitarbeiter vom Touristenbüro den ehemaligen Gemeinde-Backofen, das mit Abstand älteste Gebäude von Mourèze. Hier wurden schon zu Zeiten der Gallischen Provinz des Römischen Reiches Amphoren für Transport und Lagerung von Wein und Öl gebrannt.

Teppichknüpferei hat überlebt
Das kleine Lodève, ehemals Bischofs-Stadt, schon mehr als 50 Kilometer von der pulsierenden Metropole Montpellier und dem Meer entfernt, ist zwar durch eine Schnellstraße recht gut erschlossen. Doch nur wenige Touristen besuchen die wuchtige Kathedrale und interessieren sich für das kleinstädtische authentische Flair des Südens. Auch Lodève beherbergt ein im historischen Lauf untergegangenes Handwerk mit 400 Jahre alter Tradition – die nationale Teppich-Manufaktur „la Savonnerie“. Nach dem langsamen Niedergang der Fabrikation von Teppichen hat seit einigen Jahren das große Handwerk des Knüpfens der Fäden eine Renaissance erlebt. In den großen Fabrikhallen ist jetzt ein modernes Atelier entstanden, das sich den Motiven zeitgenössischer Künstler widmet und so die alte Knüpfer-Technik am Leben erhält.

Skulptur “Ewiger Schmerz“ von Paul Dardè Fotos: R. Keusch
Skulptur “Ewiger Schmerz“ von Paul Dardè
Fotos: R. Keusch

Das antimilitaristische Krieger-Denkmal
Im Zentrum von Lodéve ist gleich neben der Kathedrale in einem gepflegten Garten ein Grabfeld für die Bischöfe eingerichtet. Auch vor der Kathedrale auf dem großen Platz, bepflanzt mit großen Kastanienbäumen, steht ein Monument der Toten. Es wurde von dem in der Stadt geborenen Bildhauer Paul Dardè geschaffen und trägt den Titel „Ewiger Schmerz“. Es erinnert an die gefallenen französischen Soldaten im 1. Weltkrieg, dessen Schrecken der Künstler als Krankenträger miterleben musste. Doch welch fundamentaler Unterschied zu den herkömmlichen Helden- und Kriegerdenkmalen zeigt sich in dem Gedenken des Werkes von Dardè. Ein aufgebahrter Soldat wird von vier Frauen umringt, die die Jahreszeiten und die unterschiedlichen sozialen Schichten der Trauernden zeigen. Die Frau des Soldaten kniet vor Schmerz gebeugt nah am Toten und zu seinen Füßen, die noch in Soldaten-Stiefeln stecken, stehen erschüttert zwei kleine Kinder. Lautstarke nationalistische Stimmen, die es auch in Frankreich gibt, versuchten vergebens, dieses antimilitaristische Denkmal zu entfernen. Die Bewohner von Lodève standen hinter ihrem Künstler. 70 Jahre seit dem Ende des letzten Weltkrieges braucht Europa wieder äußerst dringend all überall solche „Antikriegs-Denkmale“. Und wie in Südfrankreich werden sich Menschen finden, die diese Mahnungen beschützen.

Weitere Informationen:
www.saintguilhem-valleeherault.fr/de
www.clermontais-tourisme.fr/Deutsch
//tourisme-lodevois-larzac.gb.com/index.php?id=1002
www.destination-languedoc.de