Das dünne blaue Schlängelband des Peene-Flusses fällt beim Kartenstudium kaum ins Auge. „Die Landschaft des Urstromtals um so mehr“, macht Kapitän Peter Grunewald neugierig.Zwischen ihrer Mündung östlich des vorpommerschen Städtchens Anklam und Malchin am Kummerower See ist der mit 100 Kilometern längste Fluss des nordöstlichen deutschen Bundeslandes schiffbar (nach ihm ist auch Deutschlands größtes Schiff, der 322.000-Tonnen-Bulkcarrier PEENE ORE benannt). Er gilt außerdem als das idyllischste Fließgewässer Norddeutschlands. Flora und Fauna sind außergewöhnlich und naturgeschützt.
Vormittags zu Lilienthal
Die mit 82 Meter Länge, 9,5 Meter Breite und nur 1,35 Meter Tiefgang vermessene SANS SOUCI ist eines der größten Fahrgastschiffe, das den Grenzfluss zwischen Mecklenburg und Vorpommern befahren. Von Hiddensee, Stralsund und Lauterbach kommend, läuft der schmucke 1000-Tonnen-„Dampfer“ die Hafen- und Hansestadt Anklam an.
„Unter dem Kiel haben wir mit 2,20 Metern genug Wasser“, stellt der Kapitän nach dem Ablegen mit Blick auf das Echolot erleichtert fest. Am Abend zuvor sind die Usedom-Busausflügler rechtzeitig zurück an Bord gekommen. Vormittags steht noch das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam auf ihrem Programm.
Der erfahrene Binnenschiffer Grunewald aus Mukrena an der Saale weiß mehr: „Die natürliche Tiefe des Flusses liegt zwischen drei und vier Metern, das Gefälle beträgt auf 100 Kilometer gerade mal 20 Zentimeter. Weil die Strömung so schwach ist, können wir mit Tempo zehn bis zwölf zu Berg fahren.“ Bei Windrichtung aus Ost strömt das Wasser sogar gegen die eigentliche Fließrichtung.
Ein Mordskasten
50 Kilometer Beschaulichkeit bis zum Landstädtchen Loitz. Nur hin und wieder ein verträumt daliegender Angelkahn. Zugewucherte ehemalige Torfstiche zweigen wie Zinken eines Kammes vom Ufer ab. Erlenbruchwälder und Schilf gleiten als grüner Film vorüber.
Durch die würzige Luft segelt ein riesiger Weißkopfseeadler. Graue und weiße Fischreiher segeln lautlos in den Schilfsaum, über den Köpfen trompeten Kraniche und schnattern Graugänse. Rehe halten beim Äsen inne oder schnellen in eleganten Sprüngen davon.
MS SANS SOUCI tastet sich durch die scharf gekrümmten Flussschleifen. Plötzlich aus dem Schilf eine Stimme: „Ist das aber ein Mordskasten!“ „Der wird gleich noch länger!“, ruft ein anderer Angler schlagfertig zurück.
Der „Dampfer“ füllt das Flussbett fast vollständig aus, streift beim Kurvenfahren mit dem Heck fast das Schilf. Dessen biegsame Halme neigen sich unter dem Wasserschwall respektvoll zur Seite. „Blumenpflücken inbegriffen“, meint jemand belustigt, während ein anderer es nicht fassen kann, „dass es so etwas Exotisch bei uns noch gibt.“ Wie zur Bestätigung treiben schwimmende Gras- und Blumeninseln auf das Schiff zu und werden vom Steven zerschnitten. Der „Amazonas des Nordens“ lässt grüßen. Heu- und Kräuterdüfte, die von den Ufern herüber wehen, wirken appetitanregend, und die Freuden der Langsamkeit sind für viele Gäste aus dem Westen Deutschlands eine Neuentdeckung.
Natur-Schönheit, Stille, Ruhe
Bei der Passage der Zugbrücke in Loitz bleiben links und rechts nur wenige Zentimeter Luft. Kapitän Peter Grunewald meistert das kratzerlos. Mit anschließender Erleichterung und Gäste-Beifall. Die Brücken zwingen alle an Oberdeck in die Knie. Unter der in Jarmen wird es äußerst knapp, denn es bleiben nur wenige Zentimeter Luft.
Nach rund 68 Kilometern und rund sieben Stunden Fahrtzeit ab Peene-Mündung grüßt das Reiseziel, die Hansestadt Demmin, über das grüne Meer. Ihr Wahrzeichen ist der 95 Meter hohe neogotische Turm der St. Bartholomaei-Kirche. Als das Schiff um 17.30 Uhr festgemacht ist, brechen einige Gäste auf zu einem privaten Stadtrundgang.
Seit dem Mittelalter herrschte hier reger Schiffsverkehr mit Hanse-Koggen und 1855 kam der erste Dampfer aus Stettin. Sichtbares Zeichen für den einst florierenden Handel sind die Getreidespeicher am Hafen, die auch heute noch von Binnenfrachtern angelaufen werden, die sogar bis nach Malchin hinter dem Kummerower See dampfen.
„Die Peene“, weiß Grunewald, „verlangt Konzentration und Manövriersicherheit“ und wird bisher nur von wenigen Kreuzfahrtschiffen befahren. „Die Kollegen“, so Grunewald, „scheuen offenbar das Besondere und mögen wohl eher das bequemere Alltägliche – zum Glück für uns!“ Für den leidenschaftlichen Biker ist der Fluss zu seinem Lieblingsrevier geworden: „Geballte Natur-Schönheit, Stille und Ruhe“.
De olle Fritz Reuter
Das lange Schiff ohne anzuecken um die Kurven zu bugsieren, grenzt für den Laien an Zauberei. Die Seh-Leute an Deck und am Ufer verfolgen genau wie die begeisterte Kreuzfahrtleiterin Cathrin Fuhrmann aus Stralsund gebannt das Schauspiel. Auch das sehr knappe Drehmanöver mit anschließender Rückwärtsfahrt dort, wo die Flüsse Trebel und Tollense in die Peene münden. Daraus wurde irgendwann der Begriff „Drei-Strom-Land“. „Wir haben hier wieder das Staunen gelernt“, resümiert ein Ehepaar aus Münster.
Landschafts-Gemälde von Caspar David Friedrich kommen einem da in den Sinn. „Hier bliwt allens bi´n ollen!“, stellte auch schon der mecklenburgische Heimatdichter Fritz Reuter auf Plattdeutsch fest.
Übersetzt heißt das: „Hier bleibt alles beim alten!“ Das darf dann auch beim Abschieds-Galadinner am nächsten Abend – nach der Rückfahrt mit einer Wanderung durch das idyllische Peene-Tal – in Wolgast gefeiert werden. Für alle an Bord der SANS SOUCI ein doppelter Genuss.
Infos: MS SANS SOUCI
Baujahr: 2000 in Nijmwegen/Niederlande als EUROPA; 2007/08 modernisiert und in SANS SOUCI umgetauft; Renovierung: 2014; Länge: 82 m; Breite: 9,50 m; Tiefgang (max.): 1,60 m; Vermessung: 1000 Tonnen; Antrieb: 2 x 600 PS (Neumotorisierung 2012); Crew: 25; Passagiere: 82 (max.); Restaurant: 1; Passagierdecks: 2 + Sonnendeck; 41 Außenkabinen (13 qm) mit nicht zu öffnenden Panoramafenstern; Sauna: 1 (gegen Gebühr); Treppenlift zwischen Haupt- und Panoramadeck; 1 Restaurant (1 Essenszeit); Bar: 1; Boutique: 1; Unterhaltung: TV mit Videoempfang, Bibliothek, Tanzmusik; Preis/Nacht: 211 Euro (durchschn.); Heimathafen: Peissen/Saale; Flagge: deutsch.
www.ms-sanssouci.de;
Buchungen: www.plantours-partner.de; www.dertour.de
Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther