Von Bodo Thöns
Samarkand ist ohne Zweifel ein geschichtsträchtiger, weltweiter Sehnsuchtsort in Mittelasien. Die über 2700 Jahre alte Stadt darf in keiner Reiseroute durch das heutige Usbekistan fehlen. Das Land ist
bekanntlich in den letzten Jahren als Reiseziel vom Geheimtipp zu einem sehr sicheren und mehr und mehr gefragten Reiseziel geworden.
Die Besucherzahlen weisen nach dem COVID-Einbruch wieder
eine stark steigende Tendenz auf.
Das sich seit dem Machtwechsel 2016 mit einer breiten Reformagenda öffnende Land setzt dabei auch auf mehr Tourismus und hat in den letzten Jahren landesweit viel in seine touristische Infrastruktur investiert.
In dieser Welle nimmt Samarkand aber einen besonderen Platz ein, denn man hat den Wert der eigenständigen Marke „Samarkand“ erkannt und will den Ort nun weltweit auch
dementsprechend auf höchstem Niveau vermarkten. So entstand am Stadtrand unter dem Namen „Silk Road Samarkand“ (www.silkroad-samarkand.com) rund um einen Ruderkanal ein vollkommen neues, in eine Parkanlage eingebettetes Kongress- und Erholungszentrum, dass neben einer Kongresshalle eine Messehalle, zwei 5-Sterne-Hotels sowie weitere Hotels, Sportstätten einschließlich eines Aquaparks und ein kleines einem historischen Ambiente nachempfundenes „Altstadtviertel“ samt Restaurants und Souvenirläden umfaßt.
Seine Feuerprobe bestand der Komplex 2022, als sich die Staatsoberhäupter der Schanghai-Organisation zu ihrem Jahrestreffen zusammenfanden. Seitdem finden regelmäßig große Konferenzen internationaler Organisationen und internationale Sportveranstaltungen statt. Das sagenumwobene Samarkand als neuer, nobler Treffpunkt der Welt. Die Welttourismusorganisation UNWTO kürte Samarkand dann auch schnell zum Ort ihrer 25. Jahresvollversammlung im Oktober 2023.
Bericht auf der CTOUR – Magazin – Seite
Auch für Staatsbesuche bietet sich Samarkand jetzt häufig als Alternative zu Taschkent an. Als Bundeskanzler Scholz um September 2024 zu seinem Ultra-Kurz-Staatsbesuch nach Usbekistan kam, verweilte er ebenfalls nur im Silk Road Samarkand – Komplex. Ein Abstecher zum Original des Registan-Platzes stand aber auch auf dem Programm.
Daneben entstanden aber auch im Zentrum viele neue Hotels von Hilton und Mövenpick bis zu schicken Boutique-Herbergen in der Altstadt.
Neue Restaurants bieten viel mehr als nur die Samarkander (geschichtete und nicht gemischte) Variante des Nationalgerichtes Plov und die im Lehmofen gebackenen, besonders dicken und länger haltbaren Samarkand-typischen Klatschbrote (Lepjoschki). Eine grundlegende Rekonstruktion des zentralen Straßennetzes, die Rückkehr der Straßenbahn und die geplante Verlegung der Stadt- und Gebietsverwaltung aus dem Zentrum an den nördlichen Stadtrand signalisieren die Strategie, das Stadtzentrum weiter auf größere Touristenströme vorzubereiten.
2022 öffnete der neue Flughafen seine Pforten – eine neue modernistische Perle in der das Stadtgebiet durchziehenden Kette architektonischer Höhepunkte.
Mehr internationale Flüge, wie z.B. täglich ein bis drei Flüge nach Istanbul als Drehkreuz für Europa und, dank der neuen lokalen Regional-Airline Silk Avia mehr Inlandsflüge versprechen die geplanten höheren Passagierzahlen zu bringen. In Form eines aufgeschlagen Buches erinnert das Gebäude an den 1018 Sterne beschreibenden Sternenatlas Ulugbeks aus dem 15. Jahrhundert. Während der eiserne, mittelalterliche Weltenherrscher Tamerlan (Timur, der Lahme), den man heute zumeist Amir Timur (Fürst Timur) nennt, seine Hauptstadt Samarkand architektonisch mit (nicht erhaltener) Festung sowie Moscheen und Mausoleen vor allem als Zentrum der Macht und des Glaubens prägte, steht sein aufgeklärter Ulugbek für die Blüte von Wissenschaft und Bildung in dieser Zeit.
Neben seinem berühmten Observatorium legte er zu Beginn des 15. Jahrhunderts mit der nach ihm benannten Medrese den Grundstein für das Antlitz des weltberühmten Registan-Platzes. Alle touristischen Pfade der heute knapp 600.000 Einwohner zählenden drittgrößten Stadt des Landes führen zu diesem zentralen Platz.
Der Ulugbek-Medrese auf der linken Seite folgten im 17. Jahrhundert zunächst gegenüber die spiegelgleiche Sherdor-Koranschule und dann in der Mitte „Goldgeschmückte“ Tillakori-Medrese samt Freitagsmoschee, deren üppige Vergoldungen im Innenraum den Namen gaben. In diesem Dreiklang der Medresen samt vier nicht mehr ganz geraden Minaretten und der blauen Moscheekuppel erlangte der spektakuläre Panoramablick als Nexus des Glaubens und der Wissenschaft, Markt- und Handelsplatz und Anziehungspunkt für die staunenden Besucher aus aller Welt seine Berühmtheit. An dieser Stelle zitiert man gern Lord George Curzon, Britanniens Vizekönig in Indien. Er charakterisierte den Registan als den „prächtigsten Platz der Welt“, für den es in Europa nichts Vergleichbares – drei gotische Kathedralen an einem Platz – gäbe.
Vor dieser Kulisse lockt in der touristischen Hochsaison abends eine farbenprächtige Lasershow noch viele Gäste zum zweiten Besuch des Platzes.
Sporadisch finden aber auch andere Konzerte und Veranstaltungen statt. So wird der Registan seit 1997 alle zwei Jahre zur Heimstatt des internationalen Folklorefestivals „Melodien des Orients“ (Sharq Tarolanari).
In der letzten Augustwoche 2024 war es nach fünfjähriger COVID-bedingter Abstinenz endlich wieder so weit, das
mit dem, wie immer unter der Schirmherrschaft der UNESCO stehenden, XIII. Festival diese Tradition endlich wieder ihre Fortsetzung fand.
Melodien aus dem Orient beschränkten sich dabei nicht auf die Länder der Nachbarschaft. Auch Musikanten aus anderen Regionen fanden ihren Weg nach Samarkand.
Unter den Ländern der Europäischen Union waren Frankreich, Ungarn, Bulgarien, Griechenland und Lettland in Samarkand vertreten. Deutschland war über all die Jahre bislang nur im Jahr 1917 mit
einer bayrischen Blaskapelle im Programm. Sowohl Rußland als auch Indien, China, die Mongolei, Südkorea, Japan und Indonesien setzten weitere, „fern“östliche musikalische Akzente.
Der afrikanische Kontinent war durch Mali und den Sudan präsent. Insgesamt waren Folkloregruppen aus etwa 25 Ländern angereist. Beim Fahneneinmarsch des Eröffnungskonzertes wurde allerdings etwas hochgestapelt. Indem auch andere akkreditierte Musikanten, Produzenten, Konzertveranstalter und Journalisten nach Herkunftsländern dazu addiert wurden, stieg die Zahl der Flaggen der
teilnehmenden Länder noch einmal deutlich an.
Am Eröffnungsabend gab sich Usbekistans Präsident Shawkat Mirsijoew die Ehre, das Festival mit einer Rede zu eröffnen. Teile des diplomatischen Corps, darunter auch die Botschafter Deutschlands
und der Schweiz, waren ebenfalls zugegen. Es folgte eine große farbenfrohe Tanz- und Gesangsshow mit den Stars der usbekischen Musikszene aus Folklore, Schlager, Pop und Oper auf sehr hohem Niveau. Nach knapp 90 Minuten folgte ein großes, den Registan in wechselnde Farbenpracht rahmendes Feuerwerk.
Veranstaltungsmitschnitt der Eröffnung auf Youtube
Nach der feierlichen Eröffnung fand an den folgenden Abenden auf dem Registan der eigentliche Wettbewerb unter Aufsicht einer sechsköpfigen, internationalen Jury statt.
rechts: Der Wettbewerb läuft – Heimvorteil Usbekistan
Da die Abendtemperaturen Ende August um die 25 Grad schwanken, genießt man die abwechslungsreichen Musikstücke in sehr „wohltemperierter“ Atmosphäre. Die Verkündung der Gewinner und Verleihung der Preise schlossen das Festival am letzten Tag ab. Der Grand Prix war mit 10.000 USD dotiert. Eine neue phantastische Show usbekischer Tanz- und Gesangsnummer bildet das Rahmenprogramm.
Die Hauptpreise blieben in diesem Jahr in der Region. Der Grand Prix ging an Aserbaidschan, der 1.Preis nach Turkmenistan. Die beiden zweiten Plätze errangen Russland und die Mongolei.
Diese Preiskonzentration auf die Nachbarländer ist aber keine Gesetzmäßigkeit. Unter den Gewinnern waren in der Vergangenheit auch schon KünstlerInnen aus Litauen, Israel oder Südkorea.
Das Festival ist bislang mehr eine Veranstaltung für „Fachpublikum“. Es gibt keinen freien Verkauf der Tickets, sondern nur Einladungskarten, deren Kontingente über das Kulturministerium, die Stadtverwaltung und einige Reiseveranstalter ohne große Reklame im Vorfeld verteilt werden. Dabei hat diese usbekische Variante des großes „Sommerfestes der internationalen Volksmusik“ eigentlich ein größeres, sowohl lokales als auch internationales Publikum verdient. Das 14. Festival wird Ende
August 2026 stattfinden.
WEITERE INFORMATIONEN und TICKETS
DOCA (Discover Oriental Central Asia) Tours
deutschsprachiges Reisebüro in Samarkand
+998 93 3502020 Oybek Ostanov
ÜBER DEN AUTOR
Autor Bodo Thöns lebt seit 2015 in Taschkent. Als promovierter Volkswirt arbeitet er heute dort als Berater in den Bereichen Banken, Textilwirtschaft und Tourismus.
Seit über 20 Jahren veröffentlicht er im Trescherverlag Berlin Reiseführer (Litauen, Sibirien, Baikalsee, Transsibirische Eisenbahn). Aktuell arbeitet er an der 3. Aktualisierung seines 2019erschienenen Reiseführers über Usbekistan (ISBN 978-3-89794-669-9), die Anfang 2025 in den Buchhandel kommt.
Fotos: Bodo Thöns