Von Ferne grüßt majestätisch der Osorno mit seiner Schneehaube, das Idealbild eines Schichtvulkans. Deutsche gründeten die Stadt im Jahre 1854 an der Stelle eines Mapuche-Indio-Dorfes.
Ein Denkmal erinnert daran. 125.000 Einwohner leben hier überwiegend von der Krabben- und Muschelfischerei. Gleichzeitig gilt der Ort als „Tor zur chilenischen Schweiz“.
Seen und Wälder dominieren das bergige Landschaftsbild der Küstenkordillere: Region de los Lagos oder auch „Wald-Chile“ genannt. Über die berühmte Panamericana – auch „Traumstraße der Welt“ genannt zwischen Alaska und Feuerland – gelangt man in die Rosenstadt Puerto Varas am Ufer des Llanquihue Sees, in dem sich die schneebedeckten Gipfel der umliegenden Vulkane Osorno und Calbuco spiegeln. Archaische Baumgiganten, von hellgrünen Farnschleiern behängt, säumen seine stillen Ufer. Früher ein ideales Jagdrevier der Araukaner. Die übrig gebliebenen 135.000 Indianer leben heute angepasst und zurückgezogen in Reservaten.
Kontakt zu den Elementen
Willkommen in der Region de Los Lagos, der Welt aus Vulkanen, Gletschern, Seen, Flüssen, Fjorden und Inseln! Hier kann man noch die ursprünglichen Regenwälder des südamerikanischen Südens erleben unter einem Himmel, der für sein wechselhaftes Wetter für eine dramatische Untermalung sorgt. Die Region ist der ideale Stützpunkt für Touren und Expeditionen, Abenteuer und Sport. Ein volles Programm in engstem Kontakt mit den vier Elementen, aus denen die Welt besteht: Feuer, Erde, Wasser und Luft. Eines der letzten Paradiese, das der Autor vor kurzem erkundet hat.
Aufgestauter Anden-Schnee
Erdgeschichtlich ist Chile ein bewegtes Stück Globus. Die Plattentektonik den Westen des südamerikanischen Kontinents gelegentlich heftig durch. Die heutige „Region de Los Lagos“ (Seenregion) entstand in den letzten drei Eiszeiten. Von den Anden her schoben sich Gletscher bis zum Pazifik und hobelten eine beeindruckende Moränenlandschaft aus dem Fels. Die Endmoränen dieser Gletscher sind die Wälle, hinter denen sich das Schmelzwasser des Anden-Schnees aufstaute: eine der schönsten Seenlandschaften der Welt. Beobachtungstipp: Bei klarem Wetter kurz vor Sonnenuntergang von den östlichen Seeufern aus Richtung Westen blicken: die „Dammkronen“ der Moränen sind dann deutlich zu erkennen.
Kräfte des Erdinneren
Die zweite große formende Kraft: Vulkane. Bis heute aktiv, lagerten sie große Mengen von Lava, Basalt und Asche im Zentraltal ab. Die Flüsse und Geländeformen legen ein beredtes Zeugnis ab. Der Sand in der Region de Los Lagos ist meist tiefschwarz: vulkanischen Ursprungs eben. Deshalb ist die Region so interessant für Abenteuerreisende, Sportler, Fotografen und Künstler – und natürlich für Geologen: Hier liegt das Geschichtsbuch der Erde aufgeschlagen vor einem.
Die vulkanischen Aktivitäten haben dafür gesorgt, dass man überall in der Region extrem mineralstoffreiche Quellen mit Heilwirkung findet. Auch mit Thermalwasser ist das Land reich gesegnet. Mitten im Winter ein heißes Bad unter freiem Himmel gefällig? Sollte man unbedingt ausprobieren! Ob in den ausgebauten Badezentren von Liquine, Conaripe, Puyehue, Aguas Calientes, El Amarillo oder aber in einer der zahlreichen „Naturthermen“, wo man oft in völliger Einsamkeit im warmen Wasser liegend den Urwald um sich erleben kann.
Land-, Forst- und Wasserwirtschaft
Im Gebirge findet man unvergleichliche Landschaften zum Skilaufen, Wandern, Intensivtrekking, Bergsteigen oder für Reitferien. Über sechs Pässe in verschiedenen Höhenlagen kann man seine Erkundungen bis nach Argentinien ausdehnen und so zusätzliche Eindrücke sammeln. Die Region de Los Lagos hat in Chile die meisten Vulkane, majestätische Bergriesen mit schneebedeckten Gipfeln. Zu Ihren Füßen betreiben die Chilenen intensiv Land-, Forst- und Wasserwirtschaft. Im 16. Jahrhundert verlockten diese Vulkane die spanischen Einwanderer zu wahrhaft waghalsigen Klettertouren, die ihnen die Grenzen ihrer neuen Heimat visuell bewusst werden ließen. Heute sind es Bergsteiger und Wandergruppen aus allen Teilen der Welt, denen vom Rücken der Andenberge aus die Seenlandschaft zu Füßen liegt.
Ästhetisch schöne Form
Vulkane sind für alle interessant: Forscher, Geologen, New-Age-Jünger und Naturliebhaber kommen dabei voll auf ihre Kosten.
Ausbrüche in der Region de Los Lagos sind je nach Standort und Motivation des Beobachters – leider – oder glücklicherweise – selten. Dafür aber spektakulär: Es schmelzen die Schneefelder im Kraterbereich und gehen als Schlammlawine zu Tal, bevor die flüssige Lava folgt. Die jüngsten Spuren von Eruptionen findet man an der Straße nach Ensenada und Petrohuè, Provinz Lianquihue.
Der Osorno ist mit seiner perfekten Kegelform einer der ästhetisch schönsten Vulkane der Erde. Er bildet das Zentrum des „Parque Vicente Pèrez Rosales“ (Naturreservat) am Ostufer des Lago Lianquihue.
Ski- und Badeparadies
Eine Wegbeschreibung erübrigt sich: immer der Nase nach, er ist nicht zu übersehen. Wer hinauf will, startet seine Expedition am besten von Ensenada oder Cascadas. Mit dem Auto kommt man bis zur Hütte „El Tesquki“. Der Blick über den See und das Zentraltal ist schon von hier aus atemberaubend. Allerdings erfordert der Aufstieg zum Gipfel Bergerfahrung. Wintersportler finden in Antilianca das größte Skiparadies des chilenischen Südens. Drei Schlepplifts und eine Seilbahn bedienen die verschiedenen Pisten. Saison ist von Juni bis Oktober. Es gibt Tiefschnee- und Langlaufloipen. Wer relaxen will, sollte den verschiedenen Thermen einen Besuch abstatten. Coflaripe, Liquine, Puyehue und El Amarillo sind ausgebaute Badezentren. Außerdem findet man an vielen Stellen natürliche Thermalquellen. Die Anden sind mit ihren Gipfeln und Vulkanen ein Eldorado für Bergsportler. Alles geht: klassische Seilschaften, Mountain-Trekking, Eisklettern, Freeclimbing.
An den Ufern des Rio Bueno
Valdivia, auch bekannt als die „Stadt der Flüsse“, bietet mit seiner Nähe zum Pazifik das ganze Wassersportspektrum. Eine Rundfahrt per Ausflugsdampfer ins Mündungsdelta mit Besuch der historischen spanischen Festung Niebla, der Insel Mancara und des Hafens von Corral. In der Gegenrichtung erlebt man die Urwaldkathedralen des „Santuario de la Naturaleza“, eine unglaublich schönes Naturschutzgebietes, und die weitläufigen Flussauen des Rio Cruces und des Rio Chorocamayo.
Die ursprüngliche Natur zu beiden Seiten des Rio Bueno. Der ist schiffbar von der Mündung bis nach Trumao, einem historischen Verladehafen für Urwaldholz, und einer der schönsten Flüsse der Region. Alle Arten von Wassersport sind hier möglich. Am Mündungsdelta erstrecken sich die weitläufigen Strände von Pangai, die wie überall in Chile frei zugänglich sind. Überall an den Ufern und im Binnenland stößt man auf die Spuren der deutschen Kolonisation. Ohne die hart errungenen Aufbau-Leistungen der Einwanderer wäre die Region bis heute noch weitgehend Urwald.
Zwischen Calbuco und Chiloe
Der Archipel von Calbuco, die „Insel der blauen Wasser“, und seine sehenswerte landschaftliche Kulisse wird hauptsächlich von den Inseln Halvecia, Puluqui, Chiduhuapi, Quenu und Tabon mit ihren Traumbuchten und -stränden gebildet. Empfehlenswert: eine mehrtägige Schiffsreise. Nicht versäumen sollte man den Archipel von Chiloe mit den Hauptorten Ancud, Castro, Delcahue, Archao und Quellón. Eine Reise auf den Spuren der ersten Kolonisten.
In der Bucht von Polena läuft das Leben im Rhythmus der Gezeiten. Bei Ebbe sammeln die Frauen in großen Körben Meeresfrüchte im Watt und an den Felsen. Ein „Marisco“-Essen gehört hier unbedingt dazu. Ebenso ein Ausflug zu den grandiosen Fjorden von Quintupeu und Cehualmo, wo der Urwald ins Meer einzutauchen scheint.
All das lässt sich vom Zentrum Puerto Montt aus bequem und noch relativ preiswert auf eigene Faust erkunden.
Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther