CTOUR on Tour: Flusskreuzfahrtschiff MS SANS SOUCI auf ungewöhnlichem Winterkurs

Alljährlich steht die Internationale Tourismusmesse, kurz ITB genannt, auf dem Plan vieler Veranstalter. Dieses Ereignis nutzt auch Kapitän und Reeder Peter Grunewald, indem er seine schmucke SANS SOUCI alljährlich nach Berlin-Spandau bringt und dort als Hotelschiff vertäut. Womit auch die Saison eröffnet ist.

Doch ganz so einfach, wie sich das anhört, ist es nicht. Schließlich liegt sein Schiff während der Winterpause nicht „um die Ecke“, sondern im sachsen-anhaltinischen Mukrena an der Saale unterhalb von Halle. Und es herrscht mal wieder richtiger Winter in Deutschland.

Kapitän PeterGrunewald an der Saale Einmündung in die Elbe über die Schulter geschaut.

„Sieht gar nicht so schlecht aus“, meint Grunewald, als er von Deck seines Schiffes auf den Fluss herabschaut, „da sollten wir morgen durchkommen!“ Vorsorglich hat er den 82 Meter langen und 9,50 Meter breiten „Dampfer“ schon mal mit der Nase flussabwärts gedreht. So haben die Schrauben auch einen eisfreien „Ententeich“ quirlen können. „Damit können wir morgen früh besser und schneller starten“, ergänzt der 51-Jährige Hüne. Seit 18 Jahren ist er selbständig und rechnen kann er auch. In zweieinhalb Tagen soll die 235-Kilometer-Strecke via Elbe und Havel bewältig werden.

Zu wenig Schifffahrt
07.45 Uhr: Grummelnd springen die beiden 600 PS-Diesel an,
SANS SOUCI schüttelt sich, als würde sie nach langem Winterschlaf wieder munter werden. An Bord gekommen sind rund 100 Tagesgäste aus der Region, die bis Magdeburg mitfahren und „Eis-Theater“ erleben wollen.

Mit einer Runde Glühwein geht zumindest das Zuschauen besser

Koch Christian hat schon reichlich vorgeheizt: mit Glühwein, der bei – 14 Grad auch bitter nötig ist. Zügig schiebt MS SANS SOUCI ihren Steven zu Tal, die Ampeln der Schleuse Alsleben zeigen grün, aber da rummst es schon. Schreck in der Morgenstunde! Aber es war „nur“ die geschlossene Eisdecke in der oberen Schleusenzufahrt. Im Vorschiff hört sich das Geräusch geradezu beängstigend an, als würde ein Riese den Stahl mit einem Vorschlaghammer bearbeiten.

Auch nach der Schleuse gibt sich die Saale zugeknöpft und macht es dem Eisbrecher wider Willen nicht leicht. A propos: Zwei dick vermummte Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Magdeburg vermessen derweil die Fahrrinne elektronisch. Befragt, warum denn vorher kein Eisbrecher den Fluss geknackt habe, meinen sie: „Zu wenig Schifffahrt, lohnt sich nicht!“ Als wäre die SANS SOUCI kein Wirtschaftsfaktor und dessen Eigner kein Steuerzahler!

Saale-Eis-Theater
„Wir schaffen das auch so!“, ist Peter Grunewald überzeugt, während er sich im Ruderhaus auf seine Manöver konzentriert, wobei ihm ein paar Gäste über die Schulter schauen „So was hab ich hier auch noch nicht erlebt“, kratzt er sich den Blondschopf, „schon gar nicht mit meinem Schiff!“ Zumal er kurz zuvor noch mit dem Kreuzfahrtschiff HAMBURG auf dem tropischen Amazonas unterwegs war. Es ist die Hochsee-Schwester der SANS SOUCI des Veranstalters Plantours.

Vor dem idyllischen Gröna, mitten im Wald, kommt es ganz dicke: das Schiff rührt sich nicht mehr. Schluss, aus, nichts geht mehr bei geschätzten fünfzehn Zentimetern Eisdicke. Doch Peter Grunewald kann auf Erfahrungen aus seiner Zeit als Tanker-Kapitän zurückgreifen und navigiert mit äußerstem Fingerspitzengefühl. Beide Schrauben des um 360 Grad drehbaren Schottel-Antriebs richtet er nach außen und gibt vollen Schub. Das Eis kracht, scheppert und klirrt, dicke Brocken werden über die glatte Fläche geschossen wie Hockey-Pucks. Achtern qualmt es schwarz, der Verbrauch schnellt ums Dreifache in die Höhe.
„Wenn nichts voraus geht, dann aber rückwärts!“, sagt er sich. Schwerfällig löst sich der „Kreuzer“ aus seiner Umklammerung und gleitet in der gebrochenen Rinne zurück. Dann erneuter Anlauf mit Erschwerniszulage, denn voraus krümmt sich eine enge Kurve. Wieder Stillstand, gleiches „Spiel“ von vorne.

Schwieriges Eisbrechen auf der Saale vor Bernburg

Die Zuschauer dieses Eis-Theaters auf den Oberdeck-Rängen indes sind begeistert, weil sie voll auf ihre Kosten kommen. Der Glühwein befeuert die ausgelassene Stimmung. Smartphones sind auf Video-Funktion, Kameras klicken pausenlos. An Land haben sich Schaulustige eingefunden, angelockt durch das Poltern auf dem Fluss. Grunewald findet das gar nicht lustig, denn „mir wird schlecht, wenn ich an die Farbe im Unterwasserschiff denke! Davon bleibt nicht mehr viel übrig! Die ganze Arbeit umsonst!“

Ice is nice!
Gröna wird zum Prüfstein. Der Kapitän ist kurz davor aufzugeben: „Das hat doch keinen Sinn mehr!“, schüttelt er den Kopf. Doch dann geht ein Ruck durch die SANS SOUCI. Langsam schiebt sie sich mühevoll voran, bis die Kulisse von Schloss Bernburg voraus auftaucht. Dazu Bilderbuchwetter mit blauem Himmel und beißendem Frost. Am Ufer jede Menge Neugierige, die sich das eisige Schauspiel nicht entgehen lassen wollen. Vor der Schleuse mit dem riesigen grünen Hubtor legt sich der erstarrte Fluss wieder quer. Nur im Zentimetertempo geht es voran hinein in den Trog. Klirrend poltern am Beton fest gefrorene Schollen herab, als der Schiffskörper sie abrasiert.

Zuschauer am Ufer der Saale bei Gröna

Erstaunlicherweise freie Fahrt mit blauem Wasserspiegel bis zum Schleusenvorhafen von Calbe, dem altehrwürdigen Saale-Schifferstädtchen. Nur mit voller Spülkraft der Propeller, die die Saale schwarz werden lassen, gelingt das Einlaufen in die Kammer. Manche finden, dass der Eis-Schlamm-Strudel beängstigend aussieht. „Hauptsache, dass die SANS SOUCI nicht zur TITANIC wird!“, zweifeln einige Landratten an der Festigkeit ihres Stahls, der offenbar einiges aushält. Ein anderer strahlt: „Aber ich finde: ice is nice!“

Treffpunkt und Jahrestag
Südlich von Barby an dem romantischen Groß Rosenburg vorbei schlängelt sich die Saale durch kahlen Hochwald in die Elbe. Die gibt sich friedlich, weil von Eisbrechern befreit. Mit dem Strom trudeln dicke Schollen zu Tal und nehmen die SANS SOUCI mit. Es wird ruhiger, vor allem für das Küchenpersonal, das in der Vorschiff-Kombüse besonders unter dem Eis-Lärm zu leiden hatte. An Deck machen sich´s einige Hartgesottene mit Glühwein in den vielen freien Liegestühlen gemütlich und lassen sich nicht nur von der Vorfrühlingssonne röten.
Bis voraus die Türme des Magdeburger Doms in den Himmel ragen. Hinter der Sternbrücke, die von Winkern besetzt ist, zucken alle zusammen, als Peter Grunewald das mächtige Seeschiff-Typhon losdröhnen lässt. Von Land wird in gleicher Lautstärke geantwortet, und das mehrfach hin und her. Aufgebockt liegt im Kulturpark Rotehorn am Elbufer der Museums-Elbe-Seitenradschleppdampfer WÜRTTEMBERG von 1909. Man kennt und begrüßt sich, wie das unter Schiffer-Kameraden eben so üblich ist. Ende der Reise mit phonstarkem Abschiedskonzert für die Tagesgäste, die von Bussen abgeholt werden. Aufatmen bei Kapitän und Crew. Es darf gefeiert werden – nämlich auch der 11. Jahrestag, nachdem Grunewald das schnittige Schiff gekauft hat.

Mit Eisbrecher-Assistenz auf der Unterhavel bei Potsdam

Am nächsten Morgen wird abgelegt – mit Übernachtung in Ketzin – zur Fahrt auf dem Elbe-Havel-Kanal, wobei der Eisbrecher SEESTERN zeitweilig assistiert. Potsdam, die Unterhavel, der Wannsee eis- und damit problemfrei. An Steuerbord grüßt der Grunewald-Turm, das „Denkmal“ für Kapitän Peter Grunewald.
Trotz Behinderungen legt MS SANS SOUCI pünktlich wie berechnet in Spandau bei Berlin an. Wo das Schiff allabendlich beliebter ITB-Treffpunkt für die Flusskreuzfahrt-Branche wird. Bis es Mitte März ablegt zu einer Oder-Reise und schließlich in des Kapitäns Lieblings-Revier, die Sund- und Boddenlandschaft mit Usedom, Rügen, Hiddensee, Darß und Stralsund.

Infos: MS SANS SOUCI

Baujahr: 2000 in Nijmwegen/Niederlande als EUROPA; 2007/08 modernisiert und in SANS SOUCI umgetauft; Renovierung: 2014; Länge: 82 m; Breite: 9,50 m; Tiefgang (max.): 1,60 m; Vermessung: 1000 Tonnen; Antrieb: 2 x 600 PS (Neumotorisierung 2012); Crew: 25; Passagiere: 82 (max.); Restaurant: 1; Passagierdecks: 2 + Sonnendeck; 41 Außenkabinen (13 qm) mit nicht zu öffnenden Panoramafenstern; Sauna: 1 (gegen Gebühr); Treppenlift zwischen Haupt- und Panoramadeck; 1 Restaurant (1 Essenszeit); Bar: 1; Boutique: 1; Unterhaltung: TV mit Videoempfang, Bibliothek, Tanzmusik; Preis/Nacht: 211 Euro (durchschn.); Heimathafen: Peissen/Saale; Flagge: deutsch.
www.ms-sanssouci.de; Buchungen: www.plantours-partner.de; www.dertour.de

Fotos: Peer Schmidt-Walther