Berlin bleibt des beliebteste Reiseziel bei den Städtereisen noch vor München und Hamburg, stellte kürzlich das Reiseportal ab-in-den-urlaub.de fest. 26,9 Mio. Übernachtungen waren es im vergangenen Jahr, 8,2 Prozent mehr als 2012. Knapp 43 Prozent der Touristen kamen aus dem Ausland. Das ist fast eine Verdopplung gegenüber 1993 mit 23,6 Prozent ausländischen Besuchern. Mit einem Bruttoumsatz von rund 10,3 Milliarden Euro 2011 ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in der Hauptstadt. Das freut einerseits den Finanzsenator, sorgt aber auf der anderen Seite für Probleme insbesondere in den Innenstadtbezirken, so Touristikfachleute und Kommunalpolitiker beim Fachforum im Rahmen des Deutschen Skål-Tages in Berlin am 5. April 14. Die Frage „Tourismus – Lust und/oder Last?“ ließ sich deshalb nicht so einfach beantworten.
Für Dr. Peter Beckers, Wirtschaftsstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, sollte es eher Last und Lust heißen. Der Bezirk – neben Mitte und Prenzlauer Berg der Besucher-Hotspot – ist ja eigentlich selber schon eine touristische Marke. Grundsätzlich sei man darüber froh, an dem Berlinboom teilhaben zu können, wären da nicht die so genannten „Easy-Jet-Touristen“, vorwiegend junge Leute, die mit wenig Geld möglichst viel erleben wollen. Jede Menge Lärm und Schmutz, zweckentfremdeter Wohnraum und auf Tourismus ausgerichtete Angebote, die gewachsene nachbarschaftliche Strukturen nach und nach verdrängen, was zunehmend zu Spannungen zwischen Bewohnern und Besuchern führe, so der Stadtrat.
Das Besondere, was Berlin ausmache – keine speziellen Amüsiermeilen, sondern die Partylocations mitten in den Wohnkiezen – sei nun das Problem, stellte Sabine Toepfer-Kataw, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, fest. Aber auch ein besonderes Lebensgefühl, was nicht nur Nachteile, sondern ebenso Vorteile bringen würde. Spätis sind zum Beispiel nur da, wo Touristen sind und das müsse man auch den Bewohnern deutlich machen. Andererseits könne sie sich durchaus vorstellen, „hippe Orte auch nach Treptow-Köpenick zu verlagern.“ Die Idee ist gar nicht so abwegig, wie der Umzug der legendären Strandbar „Kiki Blofeld“ von Mitte nach Oberschöneweide beweist.
Eher Lust als Last sieht Gerhard Buchholz von der Tourismus & Kongress GmbH in dem Bemühen, das „Produkt Berlin“ nach vorne zu entwickeln. Die Stadt sei von dem touristischen Erfolg überrascht worden, nun dürfe man aber den guten Ruf nicht verspielen und dafür sorgen, dass die Touristen willkommen sind. Erste kleine Erfolge gäbe es bereits, Runde Tische gemeinsam mit den Anwohnern hätten schon etwas bewirkt.
Partizipation hält auch Prof. Dr. Harald Zeiss von der Hochschule Harz Wernigerode für unverzichtbar. Es müsse ein für alle akzeptabler Ausgleich geschaffen werden zwischen denen, die am Tourismus verdienen und denen, die davon nicht unmittelbar profitieren und dann das aus dem Tourismus geschöpfte Geld in die örtliche Infrastruktur zurückfließen.
Bei der ganzen Diskussion dürfe man jedoch nicht vergessen, dass auch die Berliner gerne verreisen und im Urlaub günstig wohnen, einkaufen und sich amüsieren wollen, gab Sabine Toepfer-Kataw zu bedenken, aber wenn sie das Gleiche bei sich vor der Haustür erleben, wird das als Belastung empfunden. Sie plädiert für einen breit gefächerten Tourismus, der auch dem demografischen Wandel gerecht wird. Die BestAger, die Urlauber 50+, werden laut Werner Sülberg, Bereichsleiter Konzernentwicklung und Marktforschung der DER Touristik GmbH, den Reisemarkt der nächsten 30 Jahre prägen. Berlin kann bei diesen Urlaubern mit 134.740 Betten, 2500 Restaurants, Cafés und Bars, 70 Theatern und mehr als 175 Museen richtig punkten. Sie verfügen im Gegensatz zu den jungen Rucksacktouristen über ein überdurchschnittliches Einkommen und wollen es auch ausgeben, für Gesundheits- und Wellnessangebote, für Kunst, Kultur und Bildung. Zudem unternimmt die Hauptstadt große Anstrengungen, um für viele Besuchergruppen attraktiv zu werden, wie der 2013 verliehene „Access City Award“ für eine barrierefreie Stadt bestätigt. Berlin verträgt also eine ganze Menge Tourismus…