CTOUR on Tour: Genf spricht französisch

Impressionen aus einer kleinen Stadt an einem großen See

Die kleine Weltstadt in der Westschweiz kann sogar bei kühlem Herbstwetter ein Traumziel für Städtereisende sein. Das Stadtbild ist geprägt von einem bunten Völkergemisch, sowohl international wie auch durch und durch französisch.

Es locken Spaziergänge entlang klassizistischer Fassaden und prächtiger Geschäfte. Der öffentliche Verkehr gibt mit den dominierenden O-Bussen und Straßenbahnen den Takt der Stadt vor. Wer Einkaufsbummel mag und wen Kultur anspricht, der fühlt sich sofort in der Stadt an der Rhône zu Hause.

Blick vom Mont Salève.

Der exzellente Ausguck Mont Salève
Wenn es das Wetter zulässt, ist der Besuch des Mont Salève, gewissermaßen der Hausberg von Genf, ein Pflichtprogramm. Das mehr als ein Dutzend Kilometer lange Bergmassiv mit seiner steil in die Ebene abfallenden Westflanke ist überall von Genf zu sehen. Nur sechs Kilometer von der Stadt entfernt, bequem erreichbar mit einer Buslinie, befindet sich die Station der Seilbahn unweit der Grenze schon auf französischer Seite. Die Gondeln der Seilbahn bringen die Besucher auf den Berg der Savoyer Voralpen auf 1100 Meter Höhe. Selbst bei trüben Novemberwetter ist der Blick auf das Bergmassiv des Mont Blanc und auf Genf mit dem Genfer See beeindruckend. Hier auf diesem exzellenten Ausguck mit Panoramablick schaut man auch auf die jüngste Geschichte der Stadt. Vor rund 200 Jahren wurden die jetzt noch gültigen Landesgrenzen festgelegt. Unter der Obhut der Siegermächte gegen Napoleons Frankreich trat die Stadt Genf der Eidgenossenschaft bei und wurde offiziell Schweizer Kanton. Die Stadt Genf spricht französisch und eine Wurzel für ihren Charme ist die intime Nähe zu Frankreich, die derzeit keinerlei Grenzzaun oder Schlagbaum duldet. Es ist für den Touristen kaum feststellbar, wo die Schweiz endet und Frankreich beginnt – für den Grenzgänger aus Frankreich schon, der im Schweizer Genf gut verdient und zu Hause preiswerter wohnt und einkauft.

Am Genfer See.

Ein Wasserstrahl als Wahrzeichen
Alle Rundgänge durch Genf beginnen meist an seinem berühmten See, der mit einem Superlativ aufwarten kann. Wer weiß in Deutschland, dass sich der Genfer See mit dem Titel größter Binnensee Europas schmücken kann. So ist es nicht überraschend, dass der Genfer See auch das einmalige Wahrzeichen der Stadt präsentiert: eine Wasserfontäne. Ursprünglich hatte Ende des 19. Jahrhunderts der im See eingerichtete kleine Springbrunnen nur die profane Funktion, als Überdruckventil für Druckwasserleitungen zu dienen. Doch schnell entdeckten die Stadtväter den touristischen Effekt, der in so einem Wasserstrahl steckt. Schließlich wurde vor knapp 70 Jahren eine gewaltige Anlage gebaut, die mit 1300 Pferdestärken einen kolossalen Strahl erzeugt, der derzeit mit rund 200 Stundenkilometern 500 Liter Wasser pro Sekunde 140 Meter in die Höhe schießt. Wer allerdings im Monat November zur falschen Zeit nach Genf kommt, wird mit einer Fontäne außer Betrieb bestraft, drei Wochen Wartungszeit.

Die gelben Fähren.

Gelbe Schiffe im öffentlichen Nahverkehr
Der Schiffsverkehr auf dem Genfer See, unmittelbar Teil des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt, kennt keine Pause. Mit der Fähre, einer Mouette Genevoise, geht es vom Jachthafen an der Esplanade Alinghi auf die andere Seeseite. In zehn Minuten Abstand sind die gelben Schiffe unterwegs. Hier kann man den Park La Perle du Lac entdecken, auch ein attraktives Ziel in der Stille des Herbstes mit farbenfrohen Bäumen. Und nur ein paar Minuten entfernt befindet sich der recht kleine aber feine Botanische Garten.

Botanischer Garten.

Wer mit der Fähre über den Genfer See schippert, dem fällt an der Hotel-Promenade auch der Klotz des Hotels Beau Rivage ins Blickfeld. Das Edelquartier errang in deutschen Öffentlichkeit traurige Berühmtheit. Hier starb im Jahr 1987 in einem Hotelzimmer Uwe Barsche, der CDU-Ministerpräsident von Schleswig Holstein. Nach offizieller Lesart heißt es bis heute, es geschah unter ungeklärten Umständen. Doch viele Dokumente belegen die These, dass ein unbequem gewordener Zeuge von Waffengeschäften beseitigt wurde.

Erfolgreiche Landnahme ohne Kanonen
Die Altstadt von Genf ist nicht groß. Doch seine Lage über dem See, eine Reihe historischer Bauten und viele schmale romantische Gassen mit kleinen Läden und Werkstätten strahlen eine heimelige Stimmung von Herbst-Tristess aus. Im Umkreis der Grand Rue, der Hauptachse durch dieses Viertel, befindet sich das L`Hotel de Ville, das Rathaus, in dem noch heute die Regierungen vom Kanton Genf Politik machen. Der Innenhof des Rathauses ist im Renaissancestil gehalten und eine imposante gepflasterte Rampe führt analog einer Wendeltreppe in die oberen Etagen. Historiker streiten, ob sich damals die Schönen und Reichen auf dieser Pflaster-Straße nach oben per Kutsche fahren oder per Sänfte von Dienstboten tragen ließen.

In der der Altstadt.

Gegenüber dem Rathaus befindet sich das L`Ancien, das Gebäude eines großen Getreidespeichers, der im 18. Jahrhundert als Waffendepot diente. Als Beleg dafür stehen auf dem überdachten Vorplatz fünf Kanonen der Genfer Artillerie. Wie erfolgreich für eine Sache ohne Kanonen und mit Diplomatie gestritten werden kann, zeigt sich auf der Rückseite des Rathauses. Hier befindet sich die Statue von Pictet de Rochemont auf jener Promenade de la Treille, auf der früher die Kanonen aufgestellt wurden. Ohne einen Schuss abzugeben, gelang es dem Genfer Patriziersohn Rochemont, durch seine geschickte Verhandlungsführung auf dem Wiener Kongress 1815 aus den Franzosen in Genf die Schweizer der Eidgenossenschaft zu machen. Nebenbei handelte er den damaligen Großmächten Europas die Anerkennung einer immerwährenden Schweizer Neutralität ab.

Denkmal für den Diplomaten Pictet de Rochemont.

Die idyllische Terrasse will nach der Rekordhöhe der Fontäne (allerdings spritzt der höchste Springbrunnen der Welt 312 Meter hoch und steht in Saudi-Arabien) nicht zurückstehen und präsentiert laut Guinessbuch der Rekorde die vermeintlich längste Holzbank der Welt mit 121 Metern. Allerdings kennen die Genfer nicht den Senat in Berlin. Die Politiker haben über Jahre Entscheidungen auf eine lange Bank geschoben, die von den Einwohnern gefühlt sich über mehrere Kilometer erstreckt.

Museum Patek Philippe.

Der Tempel der Uhrmacherei
Wenn das Wetter im Spätherbst mit Nieselregen und kalten Windböen partout einen Bummel am See und auf Terrassen der Altstadt vermiesen will, gibt es viele Alternativen im Trocknen und Warmen. Nach wie vor zählen die Uhrmacher zu den attraktivsten Adressen in Genf. In der Champions-League des Gewerbes spielt die Firma Patek Philippe ganz oben mit. Dementsprechend hat man sich im Jahr 2001 ein vierstöckiges Museum spendiert, das die Erfolgsgeschichte der beiden Uhrmacher Antoine de Patek und Adrien Philippe erzählt. Das Museum in einem historischen Gebäude mitten im Genfer Stadtteil Plainpalais gilt als wahrer Tempel der Uhrmacherei. Die im Jahr 1839 gegründete Manufaktur Patek Philippe baut die kompliziertesten Uhrwerke der Welt. Und sie ist bis heute ein Familienbetrieb geblieben.

Weltzeit-Herrenarmbanduhr mit Namen von 41 Städten, Regionen und Ländern von 1951.

Doch das Museum ist nicht nur weltweit einzigartig, weil es sich der Uhrmacherkunst aus fünfhundert Jahren widmet, sondern auch jenen Kunsthandwerken Platz einräumt, die seit jeher eng mit der Uhrmacherei liiert sind wie der Gravur, der Emaillierkunst und dem Edelsteinfassen.
Wer sich für den Rundgang ausreichend Zeit nimmt, kommt aus dem Staunen nicht heraus, sowohl über die Kreativität im Design der Uhren wie auch über die höchste Kompetenz in den technischen Details. Natürlich ist hier im ersten Stockwerk „Caliber 89“ von Patek Philippe zu bewundern. Sie wurde zum 150-jährigen Jubiläum des Unternehmens präsentiert. Es brauchte neun Jahre Entwicklungs- und Konstruktionsarbeit, um Kalender, Chronograph und Schlagwerk zu einer noch nie zuvor erreichten Perfektion zusammen zu führen. „Caliber 89“ gilt bis heute mit 1.728 Einzelteilen (!) als die komplizierteste tragbare mechanische Uhr auf der Welt. Für die Taschenuhr „Henri Graves“ von Patek Philippe wurde bei Sothebys in New York die Rekordsumme von 17,2 Millionen Schweizer Franken geboten. Die Höhe des Angebotes für die Superuhr „Caliber 89“ kennt niemand.

Blumenuhr

Südländisches Flair in Carouge
Die Stadt Genf mit seinen großen Prachtbauten aus der Belle Èpoque, die leider im ihrem Umfeld teilweise durch Bausünden aus Glas und Beton im 20. Jahrhundert beeinträchtigt wurde, kann auch ganz anders. Im benachbarten Carouge, dass vom Genfer Stadtzentrum mit Linien der Stadtbusse bequem erreichbar ist, scheint es den Besucher fast in eine dörfliche Idylle verschlagen zu haben. Denn hier wurde Mitte des 18. Jahrhunderts eine Siedlung des früheren Königreichs Piemont-Sardinien gegründet.

Carouge
Am Genfer See .

Turiner Architekten sorgten mit piemontesischen Baustil für südländischen Flair. Viele Künstler haben hier ihre Ateliers, Galerien und Verkaufsstände, Cafes und Bäckereien offerieren die Backkunst Bella Italia. Ein Ort italienischer Backkunst ist die Bäckerei Wölfisberg. Sie befindet sich nahe dem Place du Temple. Dieser Platz gilt ein Symbol für den Beitritt der sardinischen Enklave Carouge zur Schweiz Anfang des 19. Jahrhunderts. Kein Denkmal mit einem General auf einem Pferd, keine Kanonen und keine martialischen Gesten – nur ein Sound südländischer Gelassenheit und Leichtigkeit. Eine Blaupause für das Zusammenwachsen der Länder Europas unter Wahrung ihrer nationalen Identität.

Weitere Informationen:
www.geneve.com
www.patekmuseum.com

Fotos: patek museum (2), der Autor (10)