von Thomas Wüpper
Zur Weltausstellung in Dubai kamen seit Oktober acht Millionen Besucher. Die kritisch beäugte Rekordschau mit 192 Nationen liegt damit ein Drittel unter den Planzahlen. Der Campus Germany kommt trotz langer Wartezeiten gut an.
Fazil Ummer hat seinen Platz in den Rekordbüchern der Weltausstellungen sicher. Der 16-jährige Junge aus Indien besuchte alle 192 Länderpavillons der Expo 2020 Dubai in nur drei Tagen. Schon im November sorgte er damit für Schlagzeilen. Nun hat Ummer, der in Saudi-Arabien geboren wurde, seinen Schnelldurchlauf wiederholt und schwärmt:
„Jeder sollte alle Pavillons sehen,
um die Länder und Kulturen kennenzulernen.“
Das wird ein schöner Traum bleiben. Denn die weltweite Pandemie trübt auch die Halbzeitbilanz der Rekordschau in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die im Oktober startete und bis Ende März 2022 mindestens 25 Millionen Besucher locken sollte. Schon wegen der Reisebeschränkungen wird dieses Ziel kaum noch zu erreichen sein. In den ersten drei Monaten kamen acht Millionen Gäste zur ersten Expo in einem arabischen Land, gut ein Drittel weniger als erhofft, aber immerhin im Schnitt fast 90 000 Schaulustige pro Tag.
Das Öl-Emirat und seine PR-Strategen rühren weiter kräftig die Werbetrommel für das derzeit weltweit größte Event, das wegen der Pandemie bereits um ein Jahr verschoben werden musste. Jeden Tag finden Hunderte Veranstaltungen auf dem 4,4 Quadratkilometer großen Messegelände nahe der Grenze zu Abu Dhabi statt, das noch vor wenigen Jahren eine öde Wüstenbrache war. Nun präsentieren 192 Nationen der Erde hier ihre Ideen zu Nachhaltigkeit, Innovation und Mobilität, den drei Schwerpunkten, nach denen Messegelände aufgeteilt ist.
„Connecting Minds, Creating The Future“ – im Motto der Expo 2020 stecke
“der Optimismus, dass es in unserer Hand liegt,
betont Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Grußwort zum deutschen Auftritt.
die Zukunft zu gestalten“,
Für den German Pavillon, der nahe des zentralen Al Wazl Dome mit seiner spektakulären 360-Grad-Lichtkuppel liegt, beauftragte das Bundeswirtschaftsministerium die Koelnmesse GmbH mit der Durchführung und stellte ein Budget von 50 Millionen Euro für den Bau und 180 Mitarbeiter bereit.
Auf einem 4600 Quadratmeter großen Grundstück konzipierte das Architekturbüro Lava einen 22 Meter hohen, verschachtelten Komplex aus mehreren Kuben in Leichtbauweise. Denn nach dem Ende der Expo muss alles wieder abgebaut und das Gelände besenrein zurückgegeben werden. Nachhaltigkeit steht im Zentrum des deutschen Messeauftritts. Wie an einer Uni lernen Besucher im Pavillon die Ideen und Lösungskonzepte zur Energieversorgung der Zukunft, zu nachhaltigen Städten und zum Umweltschutz kennen.
Dietmar Schmitz zieht ein positives Zwischenfazit. Der deutsche Pavillon sei beliebt, das zeigten die Warteschlangen und die positiven Reaktionen, sagt der zuständige Generalkommissar. Es sei
„toll zu sehen, dass unsere Ausstellung und auch das Kulturprogramm so gut ankommen“.
Insgesamt werden 36 innovative Exponate präsentiert, zum Beispiel ein Flugdrachen-System zur Energiegewinnung des Start-ups Enerkite und eine Keramik, die verlustfrei bei -206 Grad Celsius Strom transportieren kann. Zum Abschluss des Rundgangs können sich die Gäste inmitten einer 360-Grad-Videoprojektion für ein paar Minuten gemeinsam auf beweglichen Sitzen in eine bessere Welt schaukeln.
Oft warten Besucher auch vor dem German Pavillon geduldig mehrere Stunden. Die Warteschlangen auf der Expo sind lang, da die strengen Corona-Hygienemaßnahmen nur beschränkte Gästezahlen erlauben. Auf dem gesamten Gelände herrscht Maskenpflicht, auch im Freien. Wer hinein will, muss vollständig geimpft sein oder einen negativen PCR-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden ist. Die Gesundheit und Sicherheit der Besucher habe „höchste Priorität“, betonen die Veranstalter.
Das reiche Öl-Emirat will mit der Expo 2020 ein Signal der Hoffnung, Resilienz und internationalen Solidarität senden, wie in einer Mitteilung zum Jahreswechsel betont wird. Man wolle die Welt auch in so schwierigen Zeiten zusammenbringen. Dazu soll auch die „Global Goals Week“ der Vereinten Nationen dienen, die vom 15. bis 22 Januar auf der Expo stattfindet und wo es darum geht, wie dass Leben auf unserem Planeten nachhaltiger werden kann.
Dennoch wird die Rekordschau weiterhin sehr kritisch beäugt. Ähnlich wie bei der bevorstehenden Fußball-WM in Katar geriet vor allem die Behandlung und soziale Lage der Arbeitsmigranten aus Asien und Afrika in die Kritik, die in den Wüstenstaaten unter harten Bedingungen am Bau und bei Dienstleistern oft sehr wenig Geld verdienen. Das Europäische Parlament rief wegen der Verletzung von Menschenrechten in einer Resolution sogar zum Boykott der Expo auf, Human Rights Watch warnte, die Emirate wollten mit der Expo ihr ramponiertes Image schönwaschen.
In erster Linie allerdings geht es Dubai darum, mit der Rekordschau den Tourismus wieder anzukurbeln, der Milliardeneinnahmen bringt und wegen der Pandemie massiv eingebrochen ist. Wuchs zwischen 2014 und 2019 die Besucherzahl jedes Jahr stetig von 14 auf fast 17 Millionen, kamen im ersten Corona-Jahr 2020 nur noch 5,5 Millionen Gäste, ein Rückgang um 67 Prozent. Und auch im abgelaufenen Jahr war man weit von der Zielmarke von 25 Millionen Besuchern entfernt, die der Wüstenstaat 2025 erreichen will.
So treibt manchen Investor die Sorge um, dass Dubai erneut ein wirtschaftlicher Absturz wie nach der Finanzkrise 2009 drohen könnte. Damals verhinderten die Scheichs aus dem benachbarten Abu Dhabi mit Krediten den Bankrott des Steueroase, deren meist im XXL-Format konzipierte Immobilien- und Wirtschaftsprojekte weiterhin mit Milliardensummen aus aller Welt finanziert werden. Die Expo soll daher auch signalisieren, dass sich die Scheichs von einem Virus nicht bremsen lassen.
Fotos: www.expo2020germany.de; www.expo2020dubai.com
CTOUR-Mitglied Thomas Wüpper arbeitet seit vielen Jahren als Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Seine Artikel kann man in der Stuttgarter Zeitung lesen, bei den Stuttgarter Nachrichten, Rheinpfalz, Tagesspiegel, Freie Presse, Badische Zeitung, Tagesspiegel Background.
Wüpper hat Journalismus und Betriebswirtschaft studiert. Er reist häufig und ist dabei gern zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs.