Erstes Schiff der Superstar-Klasse hat
seinen Betrieb aufgenommen
Von Peer Schmidt-Walther
2022 erhielt Finnlines schon drei Superschiffe aus China, im September und Dezember 2023 sind es noch einmal zwei, die aufhorchen lassen. Sie sind nicht nur die größten ihrer Ostsee-Flotte, sondern setzen auch im Hinblick auf Technik und Design völlig neue Maßstäbe. FERRIES konnte unmittelbar nach der Taufe als erstes ausländisches Medium in Finnland dabei sein.
Im Januar 2020 hat die zur italienischen Grimaldi-Gruppe gehörende Reederei Finnlines, Helsinki-Vuosaari, die beiden Hybrid-Ro/Pax-Fähren bestellt. Auftragnehmer war die China Merchants Shipyard Jinling in Weihai.
Das erste Schiff dieser innovativen Klasse wurde im April 2022 auf Kiel gelegt und bereits am 30. August 2022 zu Wasser gelassen. Am 18. Juli 2023 konnte FINNSIRIUS schließlich nach einer erstaunlich kurzen Bauzeit an ihre Auftraggeber abgeliefert werden.
Kapitän Johnny Forss übernahm das Schiff zu Beginn der Überführungsreise. In Yantai legte er vom 23. bis 25. Juli einen Zwischenstopp ein. Dabei wurden 1000 chinesische Exportfahrzeuge für Europa (Gioia Tauro/Italien und Antwerpen/Belgien) geladen. In Singapur ging FINNSIRIUS zum Bunkern vor Anker. Am 8. September erreichte der Neubau seinen Endhafen, womit der Transfer abgeschlossen war.
Grünes Investment-Programm
Am 13. September 2023 fungierte Tiina Ahola in Naantali als Taufpatin für das Finnlines-Flaggschiff. Sie ist Repräsentantin des Familienunternehmens Ahola. Die besonderen Wert auf Umweltfreundlichkeit legende finnische Logistik-Gruppe kooperiert schon seit langem mit der Reederei Finnlines. Seit nunmehr 75 Jahren ist sie größter Transporteur im finnischen Im- und Export und eine der Hauptsäulen der finnischen Industrie. Darauf sei er besonders stolz, so Tom Pippingsköld, Präsident und CEO von Finnlines. Line-Manager Antonio Raimo betonte in seiner Taufrede, dass die besonders öko-effiziente FINNSIRIUS und der Folgebau Teil des 500-Millionen-Green-Investment-Programms der Reederei seien.
Ab Anfang 2024 schließlich wird MS FINNCANOPUS (Baubeginn: 8.10.2021, zu Wasser: 30.12.2022), die sich noch in der Ausrüstung befindet, ihre Schwester im Finnland-Schweden-Dienst unterstützen. Dafür werden EUROPALINK und FINNSWAN, die zur FINNSTAR-Klasse (2006) gehören, nach Travemünde abgezogen und dann im Malmö-Dienst verkehren. Gegenüber der Star-Klasse, die um 16,2 Meter kürzer ist, steigt die Kapazität der Neubauten um fast 24 Prozent von 4215 auf 5200 Spurmeter (250 LKW, 200 PKW) und die der Passagiere von 554 auf 1100. Denen stehen 323 Kabinen zwischen acht und 46 Quadratmetern auf Deck neun und zehn zur Verfügung. Für die Crew sind es 64 Kabinen.
Durch die Schärenwelt der Alandsee
Die rund 310 Seemeilen lange Fährstrecke zwischen Naantali in der Nähe der alten Hansestadt und ehemaligen finnischen Hauptstadt Turku gilt als besonders reizvoll. Sie führt durch ein Labyrinth von etwa 6500 Inseln, die während der letzten Eiszeit entstanden und scheinen noch so unberührt zu sein wie vor 10.000 Jahren. Der geschwindigkeitsangepasste (16 kn), naturschützende Kurs schlängelt sich eindrucksvoll und geradezu filmreif durch bewaldete und völlig kahle Inseln und Inselchen, Schären genannt, die aus luftiger Deckshöhe gut zu betrachten sind. Auf Fasta Aland, der größten, liegt auch Langnäshamn. Der kleine Hafen wird statt Mariehamn, der Inselmetropole im Westen, angelaufen. Nach einem nur kurzen Stopp von zehn Minuten steuert das Schiff die schmalste Stelle der Alandsee an, schwedisch Södra Kvarken genannt. Während es im Seegebiet des Archipels ruhig zugeht, kann es hier auf offener Ostsee auch schon mal kräftiger blasen. Doch muss keiner der privaten Passagiere oder Fernfahrer Seekrankheit fürchten.
Für den „Fall der Fälle“ werden dann die Stabilisatoren ausgefahren, die das Rollverhalten deutlich abmildern. Schließlich ist dieser Teil der Strecke nur relativ kurz.
rechts: Kapitän Timo Dahlberg am Fahrstand in der Steuerbord-Nock auf Deck 10
Nicht nur hydrodynamisch optimiert
Außerdem soll die rollende Fracht, Standbein und Herz von Finnlines, sicher und trotzdem schnell mit maximal 21 Knoten transportiert werden. Auf nachhaltige Art und Weise:
mit Hochleistungsbatteriebänken, die der Power von 200 Tesla-Elektrofahrzeugen entspricht; ein Landstromanschluss verhindert schädliche Emissionen während der Hafenaufenthalte;
links: Im Batterieraum mit der Kapazität von 200 Tesla-E-Autos
die automatische Anlegevorrichtung sorgt für ein effizienteres und schnelleres Anlegen; hinzu kommt eine Unterwasser-Luftschmierung zur Minderung des Reibungswiderstandes (damit weniger Treibstoffverbrauch) sowie das hydrodynamisch optimiertes Unterwasserschiff; eine Wärmerückgewinnungsanlage, die ebenfalls für Einsparungen sorgt; die Abgasreinigung modernster Provenienz generiert weitgehend schadstofffreie Emissionen der vier treibstoffeinsparenden 7200-kW-Wärtsilä-Hauptmaschinen und Generatoren; Ballastwasser wird biologisch aufbereitet, bevor es in die See gelangt; das energieeffiziente PROMAS Lite-System verbessert die Anströmung und damit den Propellerschub.
Kein Party-Disco-Dampfer
Empfehlenswert für „Seh-Leute“, die eines der beiden Superschiffe mit all ihren Annehmlichkeiten genießen wollen, ist es, eine Rundfahrt von Naantali via Langnäs ins schwedische Kapellskär nördlich von Stockholm und zurück zu buchen (finnlines.com). Man startet am späten Vormittag, kann das Schiff während des Tages rund acht bis neun Stunden erkunden und das Landschaftspanorama an sich vorüberziehen lassen. Abends schließlich sollte man sich den Genüssen widmen, die reichlich geboten werden, um dann in einer der gemütlichen, geschmackvoll eingerichteten Kabinen zu übernachten.
Am nächsten Morgen ist man dann nach einem opulenten Frühstück mit Blick auf die gewaltigen Neubauten der Meyer-Werft Turku entspannt zurück in Finnland. Ein schwedischer Mitpassagier, befragt nach seinen Eindrücken, meinte: „Wir fahren oft von Schweden zu unseren finnischen Verwandten. Aber dies ist etwas absolut Neues: kein Party-Disco-Schiff mit Lärm und Betrunkenen wie das auf anderen Schiffen üblich ist“. Die Gäste genießen das Verwöhnprogramm und gehen dann ins Bett, wie zu beobachten war.
Natur als Design-Pate
Es hat sich offenbar gelohnt, viel in einen gehobenen Service zu investieren, der dem Komfort und Erholungsbedürfnis der Reisenden sehr zugutekommt. Dem liegt ein neues Konzept zugrunde, wie Antonio Raimo betont. Er spricht hier von einem Angebot an „upgraded services and more travel comfort than in the previous generation of ro-pax-vessels“. Finnlines werde damit verbesserte Dienstleistungen anbieten, darunter mehrere Themenrestaurants, eine breite Palette von Kabinenkategorien, Konferenzräume, einen großen Shop, Lounges, um nur einige zu nennen.
Die finnisch-italienisch inspirierte und kreierte Inneneinrichtung – Farben der Inselwelt des Fahrtgebietes standen hier Pate: grün, gelb, grau, beige, blau, braun als Grundfarben – besticht durch viel Licht, das große Panoramascheiben ermöglichen. Der Kontakt zur Natur, die stellenweise so nah ist, dass man glaubt, sie zu berühren, ist ein wesentliches Gestaltungselement.
Darüber hinaus haben alle öffentlichen Bereiche ihr eigenes Design und Service-Konzept. Das Herz dabei ist die Arcaden-Ebene, „ein erweitertes Experiment aus intelligenter Beleuchtung und Ventilation“, wie es die Finnlines-Designer formuliert haben.
Shopping spielt eine nicht unbedeutende Rolle, wobei ebenfalls neue Wege gegangen werden mit elektronischem Vorordern und Bezahlen. Die Preise sind erstaunlicherweise relativ gemäßigt (1 Stange Zigaretten z. B. ab 41 Euro), das gelungene 25 Zentimeter lange Schiffsmodell ist mit 85 Euro allerdings sehr teuer.
Die Bars schließlich bieten ein loungeähnliches Ambiente mit bequemen, geschmackvollen Sesseln und kleinen Tischen aus chinesischer und
finnischer Produktion.
Dazu erfreuen den Gast wieder Lichtspiele der besonderen Art. Auch ein flammender Kamin gehört zu diesem Ambiente.
rechts: Gemütliche Lounge im hinteren Bereich von Deck 11
Für Konferenzen stehen mehrere Räume mit hochwertiger Kommunikationstechnik zur Verfügung.
Klassenbeste unter den Fähren
Überall finden sich urgemütliche Sitzzonen mit hochwertigen Möbeln.
Sogar Hängesessel an freier Luft wie auch im Wellnessbereich gibt es, der durch seine fantastische lichtdurchflutete Sauna besticht.
links: Große Sauna mit Panoramascheiben auf Deck 12
Auch ein Fitnessbereich gehört dazu. Im Ruheraum suggerieren Vogelstimmen des Archipels das Gefühl, im Wald zu sein, auf den man großer Deckshöhe herabschaut.
rechts: Whirlpool in der Außenzone des Spa-Bereichs Deck 12
Die Wintergartenterrasse auf Decks 12 preist sich mit 300 Quadratmetern als die größte im gesamten Ostseeraum. Hier lässt es sich auch bei stürmischem Wind und Regen zu alle Jahreszeiten hinter und unter Glas entspannt und ohne zu frösteln aushalten.
Die Terrasse „Under the Stars“ ist indirekt den Schiffsnamen gewidmet. Sirius und Canopus repräsentieren die am hellsten leuchtenden Sterne in der Galaxie, soll heißen: Unter den Fähren dürften FINNSIRIUS und FINNCANOPUS zur Zeit Klassenbeste sein. „Sie verdienen eher den Begriff ´Kreuzfahrtfähren`“, kommentierte ein Gast begeistert, „wer Abendprogramme braucht, der kann sich in Restaurants mit Sternegerichten, Bars, Weinlauben mit Probiermöglichkeiten und Wellnessbereichen zur Genüge unterhalten (lassen)“.
Technische Daten MS FINNSIRIUS:
Bauwerft: China Merchant Shipyard Jinling, Weihai
Baujahr: 2022/23
Ablieferung: 18.7.2023
Typ: Fracht-Passagier-/Ro-Pax-Schiff
Eis-Klasse: 1 A Super (finnisch-schwedisch)
Länge ü.a.: 235.6 m
Breite: 33.3 m
Tiefgang (max.): 7,10 m
BRZ: 65.692
Deadweight: 11.980
Lademeter: 5.200
Design-Geschw.: 16.3 / 21.0 kn
Hauptantrieb: 4 x 7.200 kW (Wärtsilä)
Flagge: Finnland
Heimathafen: Helsinki
Rufz.: OJUK
Passagiere: 1.100
Passagierkabinen: 323
Öffentl. Räume: 24, davon 7 Restaurants, 3 Bars, 2 Lounges, Spa, 2 Saunen, 1 Gym, offene Decksflächen, Hundeauslauf
Crew: 64
Route: Naantali/Finnland–LangnäsÅland Inseln–Kapellskär/Sweden