Die Wachau im Durchbruchstal der Donau zwischen Krems an der Donau und Melk gilt als eines der bezauberndsten Flusstäler Europas und wurde im Jahr 2000 in die Liste des UNESCO-Weltkultur- und -naturerbes aufgenommen. Doch auch kulinarisch hat sie einiges zu bieten.
Die „Nationalfrucht“ ist über unsere Grenzen hinaus noch wenig bekannt. Sie heißt Marille, im Hochdeutschen als Aprikose bekannt.
Was wäre die Sachertorte ohne den apriko glänzenden Marmeladenschmelz unter der Schokoladenglasur. Es ist in der Tat so: wir haben ein nahezu erotisches Verhältnis zu dieser Frucht.
Die Reife der Marille eruieren wir mit leichtem Fingerdruck auf die Frucht. Wie geschmeidig sie sich öffnen lässt, ist ein weiteres Indiz für ihre Verarbeitungsbereitschaft. Innen sollte sie fruchtig glänzen, und ein sattes oranges Fruchtfleisch zeigen.
Ein wesentliches Qualitätsindiz ist die Herkunft. Der Begriff heimisch allein reicht nicht. Die Königin der Marillen kommt aus der Wachau. Eindeutig. Der wachauer Obstbaum Spezialist Stefan Hick rät beim Kauf auf altbewährte Marillensorten wie „Ungarische Beste“, „Klosterneuburger“ und „Große Kremser“ zu vertrauen. Neue französische oder amerikanische Marillen, die durch lange Haltbarkeit glänzen, können im Geschmack nicht ansatzweise mithalten.
Unsere Hommage an die Marille beginnt bereits im Frühling. Jedes Jahr wiederholt sich das duftende Schauspiel. Wie der Nektar die Bienen, zieht die Marillenblüte Besucherscharen aus allen Himmelsrichtungen an.
Je nach Sonneneinstrahlung öffnen sich Ende März oder auch früher oder später die Knospen von rund 100.000 Marillenbäumen. Und dann leuchtet die Weltkulturlandschaft Wachau in zarten weiß bis rosaroten Pastelltönen.
Besonders blütenintensiv ist der höchst gelegene Marillenhain im Klostergarten des Stiftes Göttweig. Beim Blick ins Donautal sollte man aufpassen, dass man nicht in einen Blütenrausch gerät. Empfehlenswert ist, mit dem Gartenbesuch eine Stiftsführung zu verbinden. Seit die ersten Benediktinermönche sich um das Jahr 1080 ansiedelten, war Kultur in in der Wachau immer eng mit Pflanzenkultivierung verbunden. Traubenanbau und die Kelterei waren ihre Kunst und Passion.
Die jährliche Öffnung der Blüten ist so, als würden die Wintervorhänge zur Seite gezogen. Der Startschuss! Die Fahrräder für die Besucher werden aufgepumpt, die karierten Tischdecken ausgebreitet und die Schiefertafeln mit Menüvorschlägen beschrieben.
Etwa 170 Hektar Marillengärten gibt es derzeit in der Wachau. Wie prachtvoll der Blütenteppich im Frühjahr leuchtet und wie hoch der Ernteertrag im Juli ausfallen wird, hängt nicht zuletzt vom Wetter ab. Der Marillenbaum reagiert sehr sensibel auf Frost. Allerhöchstens zwei Grad Celsius unter Null kann die zarte Knospe verkraften.
Noch immer gehört es zum guten Ton, während der Erntezeit vor Ort zu sein. An Juli-Wochenenden scheint halb Österreich persönlich in Richtung Wachau zu fahren. In meiner Kindheit gab es einen alten braunen Pappkoffer, der alle Jahre wieder in der Wachau mit Marillen gefüllt wurde. In Nachbarschaft holte man derweil schon die Marmeladekochtöpfe aus dem Keller. Eine Woche lang kochten wir Marillenknödel, Marillenstrudel, Kompott und kandierten fleißig die Marillenschnitzen zu Konfekt.
Rund um die Zubereitung hat jede Familie aus Großmutterszeiten ihre eigene Hausvariante. Über Kalorienmengen bei den Zutaten zu sprechen, ist keine gute Idee. Butter, Zucker und Semmelbröseln sollen großzügig verwendet werden.
Marillige Mitbringsel
Wer die Marillenblüte bestaunt und von den Früchten träumt, kann sich bestenfalls ein paar Blüten abzupfen. Spezialisierte Gärtnereien bieten Bäumchen im Topf an. Ob die auch auf einem schattigen Großstadtbalkon süße Früchte tragen, kommt auf den liebevollen grünen Daumen an. Für Souvenier-Jäger stehen klare Marillenschnäpse und süße Marillenliköre aus der vorigen Saison bereit.
Weitere Informationen:
www.wachauermarille.at