Zwei Städte, zwei Juwelen in Franken: Erlangen und Ansbach haben prächtige Weihnachtsmärkte zu bieten. Aber noch viel mehr: Sie überraschen mit pittoresken im original erhaltenen Altstädten und imposanter Stadtgeschichte. Das alles gepaart mit modernem Flair und überraschenden kulturellen Inspirationen.
Von Fred Hafner
Franken gilt als Wiege der Christkindl- bzw. Weihnachtsmärkte. Allein der Nürnberger Markt zieht jährlich Hunderttausende Besucher an. Er ist zu Recht weltberühmt. Aber es ist wie mit dem Münchner Oktoberfest: Irgendwie war jeder einmal dort. Also warum nicht Neues (be-)suchen? Zum Beispiel die Weihnachtsmärkte in Erlangen und Ansbach, nur 20 Kilometer nördlich bzw. 40 Kilometer westlich der „Hauptstadt Frankens“ gelegen.
Erlangen überrascht wirklich jeden Besucher. Sie ist eine der besterhaltenen barocken Planstädte Deutschlands. In den symmetrisch angelegten pittoresken Gässchen der Altstadt gibt es vielfältige kulturelle Inspirationen, dazu außergewöhnliche inhabergeführte Geschäfte und Hotels. Und obwohl Erlangen mit 117.000 Einwohnern zu den Großstädten zählt – verlaufen kann sich hier niemand.
Der Klassiker ist natürlich die Stadtführung „Erlangen – die Hugenottenstadt“. Rückblick: 1685 widerrief Ludwig IV das Edikt von Nantes, welches den Hugenotten seit 1598 Glaubensfreiheit gewährte. Dieser Widerruf löste eine für damalige Zeit gigantische Flüchtlingswelle aus: Etwa 180.000 Hugenotten ließen sich unter anderem auch in einigen deutschen Fürstentümern wie in Erlangen nieder. Markgraf Christian Ernst bot den Flüchtlingen aus Frankreich das Recht auf Ansiedlung. Damit wollte er das Fürstentum, das noch unter den Folgen des 30jährigen Krieges litt, wirtschaftlich voranbringen. Der Plan ging auf: Südlich der Altstadt Erlangens gründeten die ankommenden Hugenotten eine sogenannte Neustadt. Sie lag an einer der wichtigsten Handels- und Fernstraßen, der Handel florierte schnell.
Heute ist Erlangen je nach Betrachtung Hugenotten-, Barock-, Siemens-, Universitäts- oder auch Bierstadt. Vor allem aber ist sie inzwischen eine renommierte und prosperierende Großstadt. Drei Faktoren sind dafür entscheidend:
Erstens, die Universität. Sie macht mit über 30.000 Studenten einen großen Teil der Bevölkerung Erlangens aus.
Zweitens, die Siemens AG. Sie hat Erlangen zu einem starken Wirtschaftsstandort gemacht hat. Das Steuergeld sprudelt seit Jahrzehnten reichlich in die kommunalen Töpfe.
Und drittens die Medizinstadt: Außer Siemens treiben weitere Hightech-Firmen wie etwa das Fraunhofer Institut Innovation und Erfindungsreichtum voran. Erlangen lebt praktisch Forschung. Der wirtschaftliche Boom hat allerdings nicht nur positive Seiten: Weil das Durchschnittseinkommen höher liegt als etwa in Nürnberg, sind etwa die Mieten hoch.
Warum Erlangen eine Barockstadt ist? Mitten im Zentrum befindet sich das Barockensemble mit Markgrafenschloss, Orangerie und Schlossgarten. Die ab 1686 eigens für die Hugenotten erbaute Neustadt gilt als barocke ideale Stadtanlage. Bis heute bildet ihre rechteckige Anlage mit der Hauptstraße aus Symmetrieachse die Grundordnung der Straßenführung in Erlangen. Unbedingt ansehen sollte man außerdem die Hugenottenkirche, das Palais Stutterheim, den Markt- bzw. Schlossplatz, den Schlossgarten mit dem Hugenottenbrunnen und dem Reiterstandbild, den Botanischen und den Aromagarten, den Wasserturm, die Altstädter oder Dreifaltigkeits-Kirche, das Rathaus, die Strumpwirkerhäuser, den Wasserturm (Details in einschlägigen Reiseführern bzw. auf der Website von Erlangen).
Ein besonderes Highlight der Stadt ist das Markgrafentheater.
1719 eröffnet, ist es das älteste noch bespielte Barocktheater Süddeutschlands. Seine Hufeisenform ist typisch barock, die Ausstattung im Rokoko-Stil. Weil viel Holz verbaut wurde, sind Theater dieser Art häufig abgebrannt. Das in Erlangen nicht! 250 bis maximal 400 Zuschauer finden heute noch Platz, 300 Aufführungen gibt es jährlich. „Dazu haben wir eine Theaterbus, der außerhalb Erlangens tourt, sowie noch ein kleines Theater in der Garage mit 62 Plätzen“, berichtet Pressechefin Laura Jacobi.
Die Theatermacher sind Vorbild für Deutschland:
Erfolgreich gelingt es ihnen mit verschiedensten niederschwelligen Angeboten Zuschauer zu gewinnen, vor allem auch Jüngere, darunter ganze Schulklassen.
links: Hinter den Kulissen
Acht bis maximal zehn Schauspieler bespielen jährlich 50.000 Besucher – Chapeau!
Sehenswert ist das Stadtmuseum. Hier ist die gesamte 1000-jährige Stadtgeschichte von ihren Anfängen über das „mittelalterliche Erlang“ bis ins 20. Jahrhundert dokumentiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Barockstadt mit hugenottischen Handwerken und Manufakturen,
die Umbrüche im Industriezeitalter bis zur Entwicklung der „Siemensstadt“ heute.
rechts: In Erlangen steht der älteste erhaltene Strumpfwirkerstuhl. Er war mehr als 200 Jahre in Betrieb.
In Erlangen gab es bedeutenden Erfindungen, etwa die heute im jedem Haushalt befindlichen Bleistiftanspitzer.
Aus Erlangen kamen Belichtungsmesser, MP3-Player und vieles mehr.
Nach soviel Bildung gehts zum Genuss. Warum Erlangen Bierstadt ist? Hier gab es die höchste Brauereidichte Deutschlands.
Im Brauereimuseum Steinach Bräu wird darüber berichtet.
Jährlich zu Pfingsten findet die „Erlanger Bergkirchweih“ statt. Das Volksfest ist einmalig in Bayern und sogar weltweit. Es tut dem fränkischen Selbstbewusstsein natürlich auch gut, dass die Erlanger Bergkirchweih ganze 55 Jahre älter ist als das Münchner Oktoberfest!
rechts: Die damaligen Bierpreise sind allerdings nur noch lustige Folklore und erinnern an längst vergangene Zeiten.
Über zwölf Tage wird auf 14 Bierkellern fränkische Tradition gelebt. Natürlich gibt es den Fassanstich des Stadtoberhauptes, fränkische Köstlichkeiten und den üblichen Budenzauber. Vor allem aber gibt es nur in Erlangen das sogenannte Fassbegräbnis: Am letzten Tag wird zu den Klängen von Lili Marleen und dem Schwenken von Taschentüchern Abschied von der Bergkirchweih genommen. Ein Muss für alle, die es noch nicht erlebt haben! Die Erlanger Bergkirchweih zieht rund eine Million Besucher jährlich an und verwandelt den Burgberg in eine farbenfrohe Insel.
Und wo bleibt da der anfangs erwähnte Weihnachtsmarkt Erlangen? Auch hier schöpft die Stadt aus dem Vollen: Es gibt nicht einen, es gibt gleich drei:
den „Altstädter Weihnachtsmarkt“, den „Historischen Weihnachtsmarkt“ sowie die „Waldweihnacht am Schlossplatz“.
links: Eine Eisbahn zum Schlittschuhlaufen ist gleich nebenan
Spätestens jetzt merkt man: Ein Besuch in Erlangen genügt nicht …
Ansbach liegt nur rund 60 Kilometer von Erlangen entfernt. Beide Städte sind mit der sogenannten Metropolenregion um Nürnberg und Fürth sehr gut auf Straße und Schiene verbunden, einschließlich gemeinsamer Tarife.
Ansbach ist noch älter als Erlangen, wurde bereits 748 gegründet. Gerade feierten die 40.000 Einwohner und zahlreiche Gäste die 1.275-Jahr-Feier. Fast alles im Stadtbild ist original erhalten, Kriegszerstörungen gab es so gut wie keine. Warum man gerade Ansbach besuchen sollte? Drei Gründe nennt Stadtführer Alexander Biernoth: „Erstens, das barocke Altstadtensemble stammt noch komplett aus dem Mittelalter. Zweitens, hier gibt es auf Schritt und Tritt reichlich Geschichte zu bestaunen. Und drittens: Wir haben viele innovative Firmen sowie eine Fachhochschule mit 4.000 Studenten in der Stadt.“
Dabei hat Biernoth ein weiteres „großes Zugpferd“ von Ansbach noch gar nicht erwähnt: Kaspar Hauser (1812-1833). War er ein vertauschtes Findelkind und der in Gefangenschaft gehaltene Erbprinz des Hauses Baden? Fest steht jedenfalls zweifelsfrei, dass der rätselhafte Jüngling viele Jahre in Ansbach lebte. Am 14. Dezember 1833 wurde Kaspar Hauser unter dem Vorwand, seine Herkunft und den Namen seiner Mutter zu erfahren, in den Ansbacher Hofgarten gelockt. Dort wartete sein Mörder auf ihn. Mit einem gezielten Stich traf er den 21-Jährigen ins Herz. Drei Tage später, am 17. Dezember 1833 starb Hauser – unter bis heute nicht geklärten Umständen. Im Hofgarten steht heute ein Gedenkstein.
Ob wirklich Attentat oder womöglich doch Selbstverstümmelung – die Theorien sind zahlreich. Sie reichen auch über seine blutgetränkte Unterhose, die im Markgrafenmuseum ebenso wie seine gesamte Bekleidung vom Todestag bis heute unversehrt zu bestaunen ist.
Trotz modernster Genforschung – das Rätsel Kaspar Hauser ist bis heute ungelöst. Dennoch: In der Medizin gibt es sogar das „Kaspar-Hauser-Syndrom“. Wer dazu und zur Person Kaspar Hauser mehr erfahren möchte – das Internet ist voll davon.
Wir begleiten lieber Markgräfin Christiane Charlotte, die im raschelnden Reifrock durch Ansbach führt. Kindgerecht erzählt sie vom Vermächtnis der Hohenzollern, so dass auch dem Nachwuchs in keiner Minute langweilig wird. Eine Stunde dauert die Kostümführung, bei der die Residenz, die Orangerie und der Hofgarten zu beeindruckenden Schauplätzen der Ansbacher Geschichte werden.
Die Hohenzollern-Residenz Ansbach entwickelte sich aus einer mittelalterlichen Anlage. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand die Gotische Halle mit ihrem Kreuzrippengewölbe. Hier ist heute die größte Sammlung von Fayencen und Porzellan aus der ehemaligen Ansbacher Manufaktur ausgestellt. Das Hauptgeschoss der Residenz Ansbach umfasst drei Raumfluchten mit insgesamt 27 Prunkräumen: das Appartement des Markgrafen, das der Markgräfin und das Gästeappartement.
Besonders sehenswert sind das Deckenfresko im Festsaal (wird noch bis 2025 renoviert!),
links: Deckengemälde im Festsaal
die Gemäldegalerie sowie die Sammlung Meißner Porzellane im Spiegelkabinett. Der Hofgarten von Ansbach ist bereits Anfang des 16. Jahrhunderts erwähnt. Zwischen 1723 und 1750 wurde er zu einem Barockgarten ausgebaut. Die bunte Blumenvielfalt und über 150 Kübelpflanzen, darunter Zitronen-, Oliven-, Pistazien- und Granatapfelbäume, lassen den Stil des 17. und 18. Jahrhunderts wieder aufleben.
Ansbach ist so reich an Skulpturen, dass die Stadtvermarkter nur hier einen eigenen Skulpturen-Rundgang ins Leben gerufen haben.
Über Bahnhofs-, Karls- und Schlossplatz geht es unter anderem zum Hofgarten, zur Residenzstraße, weiter über die Reitbahn zum Martin-Luther-Platz, den „Zumach-Gärtchen“, zur Stadtmauer,
zum Hernieder Tor und zur Brücke „An der Riviera“.
Am Ende wird man 48 Skulpturen besichtigt haben, das gibt es so kein zweites Mal in Deutschland.
Ansbach hat zwar nur einen (zentralen) Weihnachtsmarkt, aber der ist besonders:
Zu ihm gehört eine 50 Quadratmeter große Handwerkerkrippe im Markgrafenmuseum.
Sie ist eigentlich viel mehr als eine Krippe: Detailgetreu kann der Besucher das Leben vergangener Jahrhunderte nachvollziehen. In dieser Handwerkerkrippe stecken sehr viel Geschichten, Humor und Weisheit.
Ansbach punktet aber auch mit jeder Menge Feste im Jahresverlauf: Rokoko-Festspiele, Ansbacher Bachwoche, Kaspar-Hauser-Festspiele, Ansbacher Altstadtfest, Ansbacher open, Literaturfeste und viele mehr locken jährlich Zehntausende Besucher in die Stadt. Insgesamt bringt es Ansbach auf ca. 100.000 Übernachtungen jährlich, in Erlangen sind es 500.000! Aber dorthin zieht es durch Siemens und andere Firmen auch viele Geschäftsreisende. Ansbachs Nächtigungen werden fast ausschließlich von Touristen gebucht.
Eine Region, zwei Städte: Erlangen und Ansbach sind sehr unterschiedlich, haben aber beide großes Potenzial für mehr als ein Besuchswochenende.
Fotos: Fred Hafner
INFOS
www.frankentourismus.de
www.ansbach.de
ANREISE
Auto: A9 nach Erlangen, A6 nach Ansbach