Mit einer Prinzessin Entre deux mers: Gironde, Garonne, Dordogne
Zwei Bergregionen, zwei Flüsse, ein Mündungstrichter, ein Meer – in Südwest-Frankreich haben Zeit und Natur einen besonderen Raum geschaffen. Eine einzigartige Mischung aus Sonne, Wein und Wasser erwartet den Gast in der französischen Region Aquitanien, der «schönsten Seite des Südens».
Auch Cäsar mischte hier schon kräftig mit: Er ließ 56 n. Chr. nicht nur die ersten Weinstöcke pflanzen, sondern taufte die Region auch noch: Aqutitanien, „Land des Wassers“. Begrenzt wird es vom Atlantik und, wie schon aus dem Flieger zu sehen, den ansehnlich breiten Flüssen Garonne und Dordogne. Entre deux mers, zwischen den Meeren, wird die Landschaft zwischen den beiden Schwestern daher auch – leicht übertrieben – genannt.
Nicht übertrieben indes ist, dass man in keiner anderen Region gleich drei Weltkulturerbestätten der UNESCO so dicht beisammen findet: die Stadt Bordeaux mit ihren eleganten Häuserzeilen, die sternförmige Zitadelle von Vauban in Blaye und die Weinregion um St. Emilion mit dem mittelalterlichen Städtchen, umgeben von Hängen, an denen die Trauben für berühmte Weine heranreifen.
Mit Wohlfühl-Faktor zum Einleben
Dreh- und Angelpunkt dieser Reise ist Bordeaux, die 241.000-Einwohner-Stadt – in der Ballungsregion sogar 700.000 – am Ufer der Garonne, auch ohne Übertreibung „Juwel am Flussufer“ genannt.
Auf dem Boulevard des autobahnbreiten Quai des Chartrons, dem ehemaligen Stadthafen, tobt jetzt das Leben: Spaziergänger, Scater und Radfahrer mischen sich hier.
Schon zur Bronzezeit, spätestens aber seit der römischen Eroberung, als Bordeaux noch Burdigala hieß, wurden hier Güter umgeschlagen. Die Lagerhäuser sind inzwischen umfunktioniert worden zu Kneipen, Restaurants und Geschäften. Ein Bummel zum Beinevertreten lohnt sich allemal, um dem bunten französischen Savoir-vire zuzusehen. Bis das Programm zum Begrüßungscocktail in den Salon Bar ruft. Der quirlige portugiesische Animateur Filipe Riberot stellt dabei die Crew vor: an der Spitze sein gemütlich-runder Landsmann und Kapitän Rui Alves, hier „Commandant“ geheißen; der freundliche Jérôme Deix wird als „Commissaire“ vorgestellt, nicht, wie man vermuten könnte, ein Kripo-Mann, sondern Kreuzfahrtdirektor. Schließlich Chef Patrick Chollet ganz in Weiß, „der für gute Stimmung“ sorgt: angefangen in der Kombüse bis ins Restaurant. Dort lässt sich das internationale Publikum nicht nur seine Gänge munden, sondern auch die All-inklusive-Weine der Region, die auf dem Erkundungs-Programm steht. Anfängliche Scheu und Sprachbarrieren fallen schnell mit jedem neuen Glas Bordeaux oder Merlot und machen einem munteren Geplauder mit französischen, englischen, spanischen, italienischen und deutschen Brocken Platz. Angekommen und eingelebt in entspannter, unkomplizierter und lockerer Atmosphäre.
Hinein in den größten Trichter Europas
Nach einem reichhaltigen Petit déjeuner, dem Frühstück, legt MS PRINCESSE D´AQUITAINE ab, dreht zu Tal, also stromabwärts. Ein Zwerg im Vergleich zum 68.000-Tonnen-Kreuzfahrer CHRYSTAL SERENITY, der hoch aufragend vor der Prinzessin festgemacht hat. Ganz zu schweigen vom immerhin 50 Meter hohen Mastfiligran des neuen brasilianischen Marine-Vollschiffs CISNE BRANCO, das weitab vor der Pont de Pierre, der Grenze für die Seeschifffahrt auf der Garonne, an der Börse zu einem Gastbesuch liegt.
Die mit ihren beiden Türmen futuristisch anmutende Hubbrücke Pont Jaques Chaban-Delmas muss sich nicht öffnen, weil die PRINCESSE D´AQUITAINE sich mit gelegten Masten und eingefahrenem Ruderhaus ducken kann. Links dahinter ein Blick in das Bassin a Flot No 1, das von einem ehemaligen deutschen U-Boot-Bunker mit meterdicker Betondecke überragt wird, heute eine Musikhalle „mit fantastischer Akustik“, so Jérôme. Film und Buch „Das Boot“ kommen einem in den Sinn. Der „Atlantikwall“ hatte hier seinen südlichsten Punkt, weil auf Befehl Hitlers alle französischen Flussmündungen zu „Verteidigungsbereichen“ ausgebaut werden mussten aus Furcht vor einer alliierten Invasion. Neben dem Fahrwasser erinnern bei ablaufendem Wasser auch noch die verschlammten Überreste des von britischen Bombern versenkten Kriegsmarine-Zerstörers Z 24 an die finsteren Zeiten von 1940 bis 45. Insgesamt lagen hier über 200 Wracks, wobei noch längst nicht alle beseitigt werden konnten.
Hinter dem Containerhafen von Le Verdon, der von der Brücke Pont d´Aquitaine – auch stolz kleine „Golden Gate Bridge“ geheißen – überspannt wird, hat die JEANNE D´ARC festgemacht oder was noch von dem einstigen Stolz der französischen Marine übriggeblieben ist. Der frühere Hubschrauberträger, auf dem auch viele Offiziere der Deutschen Marine ausgebildet wurden, endet hier unter den Schneidbrennern einer Abwrackwerft.
Kapitäns-Frage vor Médoc-Château-Parade
Am Bec d`Ambès, einer Halbinsel 15 Kilometer flussabwärts, die die 647 Kilometer lange Garonne und ihre 483 Kilometer messende Schwester Dordogne kurz vor ihrem Zusammenfluss aufgespült haben, beginnt die Gironde. Mit 75 Kilometern Länge und bis zu 15 Kilometern Breite punktet sie als größter Flussmündungstrichter Europas.
Das Wetter spielt verrückt. Tiefhängende graue Wolken peitschen vom Atlantik her Regenschleier über die hellbraunen Fluten, der Wind raut zu kabbeligen Wellen auf. Die können der stabilen Prinzessin aber nichts anhaben, meint Kapitän Rui, der den einsamen Gast auf dem Sonnendeck zu sich ins schützende Ruderhaus gerufen hat. Per Flussradar tastet sich das 110-Meter-Schiff auf dem Tiefwasserweg nach Norden, der auch von großen Frachtern befahren wird.
„Wussten Sie, dass die drei Flüsse blond sind?“, fragt er grinsend und antwortet lieber gleich selber: „Wegen der lehmigen Sedimentmassen, die sie so milchkaffeebraun färben“. Spricht´s und macht sich mit Basecap und Mantel regenfest für den Außensteuerstand. An Backbord taucht schemenhaft eine Siedlung auf. PUILLAC steht in großen weißen Lettern am Anleger. Endstation für heute nach vier Flussstunden.
Der Bus kurvt am linken Gironde-Ufer entlang durch eine niedrige, zum Fluss hin sanft abfallende Landschaft gespickt mit Weinstöcken, so weit das Auge reicht. Die Reiseleiterin klärt auf: „Wir fahren durch das berühmte Médoc, dessen durchlässiger Sedimentuntergrund aus Schotter und Kies sich hervorragend für den Weinbau eignet“. Ein Gut reiht sich ans andere, die meisten mit einem Châteaux in englischem oder neoklassischem Stil, darunter solche mit illustren Namen wie Lafite-Rothschild oder Latour“. Insgesamt seien es 1001, „viel, viel mehr als die königlichen Schlösser an der Loire“. Wir passieren auch Château Beychevelle, das „Versailles des Médoc“, und Cos d´Estournel mit seiner orientalischen Architektur, weil von hier aus seit dem 13. Jahrhundert Wein nach Indien exportiert wurde. Heute sind die bedeutendsten Importeure Russen, Chinesen und seit dem späten Mittelter wieder Engländer, die damals die Herren über Aquitanien waren.
Grand cru classé: von Hand gepflegt und geerntet
Einkehr auf Château Prieure-Lichine, ehemals eine Benediktinerabtei aus dem 15. Jahrhundert, 1951 von dem Russen Alexis Lichine gekauft, heute ein moderner Betrieb. Bei einer Führung erfährt man mehr: Zu 50 Prozent wird Cabernet Sauvignon angebaut, zu 45 Merlot und zu fünf Prozent Petit Vendet. „Alles wird mit der Hand gepflegt und geerntet“, sagt die Führerin, „so können feine, körpereigene und elegante Grand-Cru-Cklassé-Weine erzeugt werden“. Mit saftigen Preisen zwischen 16 und 312 Euro pro 0,75-Liter-Bouteille. Wir lassen es beim Probieren und uns durch die Kellergewölbe mit ihren endlosen Reihen hölzerner Barrique-Fässer und haushohen 100.000-Liter-Stahltanks führen.
Auf dem Gut herrscht, anders als bei den Gästen, Freude über das garstige Wetter. „Aber“, erklärt die Führerin, „wenn es so kapriziös wie jetzt ist, arbeitet der Wein“. Schließlich habe es seit Mai nicht mehr geregnet, „da wird es höchste Zeit für einen guten Tropfen 2015“.
Man erfährt, dass die besten Lagen diejenigen seien, „die das Wasser sehen“. Denn das Mikroklima gestalte die Gironde. „Das Licht wird durch die große Wasseroberfläche reflektiert, die Wärme gespeichert“, lernt man, „optimale Bedingungen für die Traubenreife“. So wachsen Spitzenweine bei Seeklima mit milden, frostfreien Wintern und warmen Sommern heran wie in den Anbaugebieten Margaux, Pauillac, Saint-Estèphe oder Saint-Julien. Das rechte Flussufer hingegen wird von einer Steilstufe aus Kalkstein beherrscht (die Haute Gironde), auf dem die Appellationen Côtes de Bourg und Côtes de Blaye gedeihen. Zum Atlantik hin, der Charente-Maritime, wird das Gelände langsam flacher und der Weinbau verschwindet. Bei Le Verdon-sur-Mer markiert der Pointe de Grave die Nordspitze, die durch eine gedachte Linie hinüber zum Seebad Royan auch die Grenze für die Binnenschifffahrt markiert.
Zum Abendessen gibt es einige dekorative schwarze Kaviar-Kullerchen: aus heimischer Produktion, weiß Jérôme, „denn der Europäische Stör hat hier sein weltweit letztes Refugium“. In den zahlreichen Restaurants am Ufer von Pauillac steht allerlei Fisch auf den Speisekarten wie Seezunge oder Aal, aber auch an Süß- und Salzwasser angepasste Arten. Denn der starke Gezeitenhub drückt Salzwasser bis tief ins Binnenland. Sogar ein Piranha, kein Seemannsgarn, wahrscheinlich ein „blinder Passagier“ vom Amazonas, wurde hier gefangen.
Airbus A 380 lernt schwimmen vor Welterbe-Festung
„Während einer der längeren Reisen fahren wir sogar bis zur gedachten Linie“, sagt monsieur le commandant Rui beim Ablegen am nächsten Morgen und zeigt auf einen unterhalb von Pauillac gelegenen Anleger, an dem wir nach der Château-Tour vorbeigefahren sind: „Dort und in St. Nazaire legen die drei Airbus-A 380-RoRo-Frachter wie die CITY OF HAMBURG an. Rumpfsektionen aus Hamburg-Finkenwerder werden hier angelandet, wo sie auf Spezial-Binnenschiffe umgeladen und dann die Garonne aufwärts bis Langon geschippert werden. Der letzte Logistik-Abschnitt wird von dort per Straßen-Schwertransport ins Airbus-Werk Toulouse bewältigt, wo die Teile aus ganz Europa zu Flugzeugen komplettiert werden“.
Witzelt ein Mitpassagier: „Bis dahin hat also der A 380 schwimmen gelernt, obwohl er das Fliegen noch ganz schön üben muss“.
MS PRINCESSE D´AQUTAINE steuert jetzt mit südöstlichem Kurs quer über die Gironde, immer hart am linken Rand der Insel Île de Patiras entlang. „Sie war im Mittelalter“, hört man Filipe Riberot über den Bordlautsprecher, „ein Zufluchtsort für diejenigen, die von der Gesellschaft verstoßen wurden. Auch der grausame Pirat Monster Dimitri hatte hier seinen Unterschlupf. Später war sie Quarantäne-Station für alle Schiffe aus überseeischen Ländern“.
Schon nach einer Stunde Flussfahrt kommt die Festungsstadt Blaye auf einer felsigen Anhöhe in Sicht. Sie liegt wie ein Riegel strategisch günstig und beherrschte zusammen mit dem Fort Médoc auf der gegenüberliegenden Seite sowie der Inselfestung Fort Pâté mit ihren Kanonen die Trichtermündung. In der frühen Neuzeit, als die Franzosen das Gebiet erneut unter ihre Kontrolle gebracht hatten, war Bordeaux wieder der größte und wichtigste Hafen der Nation, über den ein Großteil des atlantischen Seehandels mit Afrika und den Antillen abgewickelt wurde.
Nach einer Busfahrt auf der Küstenstraße, der „Route de la Corniche“, bis zum idyllischen Örtchen Bourges steht die Großfestung auf dem Besichtigungsprogramm.
Über eine durch mehrere Riesentore gesicherte Brücke betritt man die Anlage, die im Laufe der Geschichte immer wieder hart umkämpft wurde. „Sie war“, erklärt die Reiseleiterin, „der Schlüssel für den Zugang zur Stadt Bordeaux und die gesamte Provinz Aqutitanien“. König Ludwig XIV, der „Sonnenkönig“, ließ die Verteidigungsanlage zwischen 1686 und 89 von Sébastien Le Prestre de Vauban zu einem modernen System mit Bastionen ausbauen, die die folgenden Jahrhunderte fast schadlos überstand. Auch die deutsche Besatzungszeit. Dann fallen Schüsse. Alles duckt sich, riskiert dann aber doch einen Blick über die Mauerkrone nach unten. Im Graben „kämpfen“ Mitglieder eines Schützenvereins gegeneinander und ballern furchterregend in die Luft. Restaurierungsarbeiten sind deswegen nicht notwendig, wohl aber wegen dem „Zahn der Zeit“. Seit 1980 sind umfangreiche Arbeiten im Gange. Belohnt wurden die Mühen 2008 mit der Verleihung des UNESCO-Titels „Weltkulturerbe“.
Spannendes Wellen-Theater und Katakomben
Der Nachmittag gehört den Oberdeckfreaks, die sich nach so viel Festungsspannung genüsslich im Liegestuhl entspannen, sonnen und die Flusslandschaft links und rechts der Dordogne betrachten, in die bei Bayon-sur-Gironde eingedreht wurde.
Rund fünf Stunden stemmt sich die Prinzessin mit ihren 1800 PS gegen die braunen Fluten. Obwohl gegen 18 Uhr der Zielhafen Libourne in greifbare Nähe kommt, stoppt commandant Rui Alves mitten im Fahrwasser. Am Heck postiert sich ein Matrose mit Fernglas. Spannung liegt in der milden Luft. Die Liegestühle leeren sich, und alles strömt nach achtern. „Da!“, rufen einige ganz aufgeregt, „da kommt sie, die mascaret!“ Was solche Aufregung hervorruft, ist im abendlichen Gegenlicht ein Silberstreifen am Flusshorizont. Der wächst und wälzt sich schließlich zu einer zwei Meter hohen Welle heran: die atlantische Flut aus immerhin 115 Kilometern Entfernung. Die PRINCESSE D´AQUITAINE wird von ihr spielerisch angehoben, als sie unter dem Schiff hindurch rollt.
„Das habe ich aus Sicherheitsgründen gemacht“, erklärt der Kapitän, „um beim Anlegemanöver nicht von der Welle überrascht zu werden“. Auf Seite der hypermodernen CYRANO DE BERGERAC wird festgemacht, so dass man sich auch von dem Schiff ein Bild machen kann.
Libourne, durch die Pont de Paris miteinander verbunden, war früher einer der wichtigsten Häfen der Gironde-Region, doch Bordeaux lag günstiger für große Seeschiffe. Heute ist es still geworden hier. Bis auf das Feuerwerk am Abend – passend zum Gala-Abschiedsdinner.
Der Busausflug am nächsten Vormittag führt nach St. Emilion. Die an einen Talrand geschmiegte Welterbe-Stadt überrascht durch ihre komplett erhaltene mittelalterliche Struktur. Alles überragt von einem hohen Kirchturm. „Der steht“, so die Führerin, „nicht etwa neben, sondern direkt auf der Kirche Église monolithe“. Ihr 30 Meter hohes Schiff wurde in rund 50 Jahren in den Kalkstein geschlagen, hört man staunend und stolpert durch finstere Katakomben. Ein wahres Wunderwerk der Baukunst, das durch Sickerwasser gefährdet war und daher im Innern ein Stahlbeton-Korsett angelegt bekam.
Finale – natürlich – auf einem Weingut in der hügeligen Umgebung, die wie das Médoc mit Schlössern und edlen Lagen nur so gespickt ist.
Am Nachmittag dreht die Prinzessin zu Tal und rutscht mit über 20 km/h und ablaufendem Wasser über die Dordogne wieder in die Gironde und schließlich zu Berg in die Garonne, bis die Spitzen von Bordeaux wieder in Sicht kommen.
„Ende unseres Dienstes“ verkündet das Tagesprogramm preußisch nüchtern, während im Restaurant fröhlich die Abschieds-Gläser klingen.
Weitere Infos:
www.goetten.de
Infos:
Schiff: MS PRINCESSE D´AQUITAINE; Baujahr: 2011 (Überführung per Dockschiff und Taufe in Bordeaux); Bauwerft: Chantier Naval Meuse et Sambre de Namur, Belgien; Länge: 110 m; Breite: 11,40 m; Tiefgang (max.): 1,40 m; Tonnage: 1563 t; Hauptantrieb: 3 x 600 PS-Cummins-Diesel; Decks: 2; Kabinen: 69 Doppel; Passagiere (max.): 138; Crew: 25; Reederei-Klassifizierung: 4 Anker; Heimathafen: Strasbourg; Reederei: Croisière Group-Siège, Strasbourg; Flagge: Frankreich