Reisen in die Künstlerkolonien nach Dachau, Prien und Murnau
Sie suchten die Schönheit und Ästhetik in der Natur. Die im Laufe des 19. Jahrhunderts aufkommende Landschaftsmalerei hat sie auch in Bayern gefunden. Vor den Toren im Norden von München in der stimmungsvollen Moos-Landschaft beim Marktort Dachau, in dem kleinen Örtchen Prien am Chiemsee sowie am Staffelsee in Murnau. Die faszinierende Natur lockte immer mehr Maler an diese Plätze, es entstanden bedeutende Künstlerkolonien. Was schon die Künstler hierher gezogen hat, ist natürlich ebenso ein Magnet für Touristen.
Diese haben vor allem den Vorzug, dass sie als heutige Besucher die Landschaftsmotive durch die Augen der Künstler in unzähligen Galerien und Museen betrachten können. Und natürlich sind da auch deren Nachfahren, die zahlreichen Künstler der Gegenwart. Selbstverständlich sind den Gästen dabei die jeweiligen örtlichen Bürgermeister mit ihrem Kultur- und Tourismusverband behilflich.
Die Kunststadt Dachau
Für viele Besucher führt in der Stadt der Wittelsbacher, deren Adelsfamilie hier über Jahrhunderte herrschte, der erste Weg auf das Barock-Schloss. Auf einer Aussichts-Terrasse präsentiert sich die Landschaft, geradezu überdacht von wechselnden Wolkenbildern und -stimmungen.
Noch etwas mehr Föhn, so heißt es bei den Einheimischen, und es sieht so aus, als ob gleich hinter der 20 Kilometer entfernten Stadt München die Alpen beginnen.
Wer will da nicht auch gleich selbst mit dem Malen beginnen.
Für Stadtführungen ist auch die Mode-Designerin Nina Schiffner unterwegs, eine von den Dachauer Malweibern. So nannten sich bereits vor mehr als 130 Jahren selbstbewusst emanzipierte Frauen, die die Malerei, bekämpft in einer
Männerwelt, zu ihrem Hobby und Beruf machten.
Heute ist es in einer lebendigen Kunststadt überhaupt nichts Außergewöhnliches, dass der Tourist das Dachauer Atelier von Monika Siebmann besucht.
Sie arbeitet an Keramiken und Skulpturen, modelliert auch Akte und hat als Material nicht nur Ton, Gips und Bronze gießen entdeckt, sondern auch Eisen, wenn es rostet und die erdigen Farben. Das Eisen wird mit Ton bei 1.200 Grad Celsius gebrannt und dann, so die Künstlerin, erhält das Eisen eine Struktur wie eine Seele. Zu ihrer Käufergruppe gehören seit 40 Jahren auch etablierte Sammler.
Oberbürgermeister Florian Hartmann, ein gelernter Maschinenbau-Ingenieur und im Amt seit 2014, hat schon seit langem sein Herz für die Kultur entdeckt.Er fördert nach Kräften eine Reihe von Kulturvereinigungen der Stadt mit ihren
47.000 Einwohnern und hat sich jetzt sogar zum neuen Präsidenten von EuroArt wählen lassen.
EuroArt ist ein Verein, in dem sich mehr als 40 ehemalige europäische Künstlerkolonien zusammengeschlossen haben. Gerade die Künstler, so der SPD-Politiker Hartmann, haben sich bereits nach dem Ende des 2. Weltkrieges dafür eingesetzt, dass die Gedenkstätte des Konzentrationslagers aus der Nazizeit in Dachau als Erinnerungs- und Begegnungsstätte erhalten bleibt. So bitter dieses Kainsmal für die Stadt auch war und bleiben wird, darf diese Zeit nicht ignoriert und verschwiegen werden. Um so mehr ist es für Bürgermeister Hartmann wichtig, mit dafür zu sorgen, dass gerade auch die Kunst-Traditionen und die vielfältigen heutigen Galerien immer mehr das Bild der Stadt prägen.
Welcher Reichtum dem Besucher geboten werden kann, zeigt die Gemäldegalerie im Herzen der Altstadt. Derzeit ist die Sonderausstellung „Licht, Luft und Farbe – Malerei süddeutscher Künstlerkolonien“ anzuschauen. Sie zeigt Impressionisten, die in ihren Werken Landschaft, Tiere und Menschen der Region abbildeten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen bedeutende deutsche Maler in die Stadt, um hier Inspiration zu finden und sich mehrere Monate oder sogar Jahre niederzulassen. Zu ihnen zählten Ludwig Dill, Adolf Hölzel und Arthur Langhammer. Die Stadt stellte für die Künstler günstige Wohnungen und Arbeitsräume zur Verfügung. Dachau wurde nun neben Worpswede bei Bremen deutschlandweit als Malerkolonie bekannt und stieg für viele Jahre sogar zur bedeutendsten Künstlerkolonie in Deutschland auf. Dafür sprechen solche Künstlernamen wie Max Liebermann, Lovis Corinth, Emil Nolde, Hermann Stockmann und Ignatius Taschner.
Monika Webersberger, Abteilungsleiterin Tourismus, erinnert sich etwas wehmütig an das Jahr 2018. Da kamen viele Touristen in der Kreisstadt und es wurden 160.000 Übernachtungen gezählt. Immerhin verfügt Dachau über 700 Hotelbetten, eine Jugendherberge und viele Ferienwohnungen.
Durch die Pandemie-Maßnahmen haben sich diese Zahlen mehr als halbiert.
So gab es zum Musiksommer kein Konzert auf dem Rathausplatz. Als Ausweichort fungierte die Volksfestwiese mit einem Auto-Konzert open air. Doch insgesamt ist für den kommenden Herbst und Winter und fürs nächste Jahr Optimismus angesagt. Die Gemäldegalerie Dachau plant weitere Sonderausstellungen, die Dachauer Theatertage wollen ein breites Publikum begeistern und die hochkarätig besetzten Dachauer Schlosskonzerte finden wieder statt. Dachau will an seinem Image als Kunststadt weiter bauen.
Prien – Maler-Paradies am Chiemsee
Der Chiemsee ist nach dem Bodensee und der Müritz der drittgrößte See in Deutschland. Der See ist von zahlreichen Mooren, Streuwiesen und anderen Feuchtgebieten umgeben. Auf dem Wasser und zu Lande ist hier eine üppig bunte Vogelwelt zu Hause. Es ist wohl kaum überraschend, dass sich die Landschafts- und Genremaler hier in Fülle ihre Motive suchten. Zu den kleinen malerisch gelegenen Orten zählt die 10.000 Einwohner Marktgemeinde Prien, die sich in besonderer Weise der Künstler und speziell der Maler angenommen hat. Inmitten der Gemeinde am Marktplatz befindet sich das KronastHaus.
Hier sind auf zwei Etagen 58 Ölgemälde und zahlreiche Federzeichnungen des bekannten Chiemsee-Malers Hugo Kauffmann (1844 – 1915) ausgestellt. Bemerkenswert daran, es handelt sich um eine Schenkung aus einer privaten Sammlung des Ehepaares Abé, die selbst in jungen Jahren einer Künstlerkolonie angehörten. Die große Kunst des Malers Kauffmann zeigt sich in der Art und Weise, wie er das Leben und Treiben der Menschen im Ländlichen in Szene setzt, die Idylle und Harmonie abbildet, und mitunter sogar durch Situationskomik einen amüsanten Stempel setzt. Hier kommen nicht nur die Kunstkenner auf ihre Kosten.
Schon etwas mehr Einfühlungsvermögen bedarf es bei den recht zahlreichen Kunstwerken im öffentlichen Raum.
(links: Der gute Hirte)
Hier trifft der Besucher zumeist auf moderne Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien, mittlerweile in einer solchen Vielzahl, dass
die Kunstkuratorin Ingrid Fricke vom Prien Marketing resümiert:
„Wir wissen bald gar nicht mehr wohin mit den Kunstwerken.“
Mit einem Fahrgast-Schiff ist in knapp 30 Minuten die nur 13,5 Hektar kleine Fraueninsel zu erreichen.
Sie beherbergte über 1.000 Jahre ein Kloster der Benediktinerinnen, aber auch hunderte Insulaner, Handwerker und Fischer, die für das Kloster arbeiteten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Fraueninsel als ein Maler-Paradies entdeckt. In einer Karolingischen Torhalle, erbaut um 782 (!) – schon der Ausstellungsraum selbst ist eine Sehenswürdigkeit, sind die Chiemsee-Maler zu besichtigen.
Für die Maler ist auch auf der wesentlich größeren benachbarten Herreninsel eine Galerie eingerichtet und im Heimatmuseum von Prien sowieso.
Anfang Oktober ist auf der Fraueninsel mit nur ein paar dutzend Besuchern die Herbst-Idylle eingekehrt, „ohne Ampelverkehr“ für die Besucherströme, wie sich die Einheimischen etwas gestresst an die übervolle Feriensaison im Sommer erinnern. Obwohl die Fraueninsel auch über öffentliche Badestellen verfügt, für einen Besuch der kleinen Insel empfiehlt sich die Nachsaison.
Auch und gerade wenn die Sonne nicht am blauen Himmel strahlt, würde ein Maler an Bord des Schiffes von und zur Insel bei den ständig wechselnden Wolkenbildern über dem Chiemsee gleich zu seiner Palette und den Pinseln greifen. Und klar, dass die Urlauber staunend die Augen aufreißen und um die Wette Fotos schießen.
In vieler Hinsicht trifft der Besucher von Oberbayern immer wieder auf den Begriff: Genuss-Region. Im Yachthotel Chiemsee mit dem vor wenigen Wochen neu eröffneten Restaurant Blu wird dieses Versprechen recht eindrucksvoll eingelöst.
Hier präsentieren die beiden dafür hauptverantwortlichen Personen, Küchenchef Steffen Schappert und Restaurantleiter Peter Gräbner, ein modernes, innovatives Angebot. Sie servieren eine mediterrane
Küche mit der Aromatik des Nahen Ostens und dazu Signature Drinks. Der Küchenchef hatte viele Jahre seinen Herd in Israel stehen. Atlantik Wildfang Lobster mit Gartensalat , marinierte Aubergine, Labane, Joghurt, Hummus, Pinienkerne, Granatapfel, natürlich auch Fisch aus dem Chiemsee: Hechtfilet auf orientalischem Gemüse & Couscous begleitet von Safran. Da zaubert man Geschmacksexplosion der Sinne auf den Teller. Genuss und Leidenschaft vereinen, so wie es auch viele Landschaftsmaler mit ihren Sichten auf die Leinwand brachten.
Murnau im „Blauen Land“
Der kleine Marktort Murnau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist dank seiner Lage mit Naturschönheit besonders reich gesegnet. Er liegt im Vorland der Bayerischen Alpen, 70 Kilometer südlich von München am Staffelsee mit seinen sieben Inseln. Südlich des Ortes dehnt sich die faszinierende Moos-Landschaft von Murnau in Richtung Alpenpanorama aus.
Das unschätzbare Privileg von Murnau ist seine unmittelbare Lage in der viel gerühmten Region „Das Blaue Land“. Im Himmel, den Seen und der Alpenkette am Horizont dominiert die Farbe Blau, ein grandioser Auftritt der Natur. So ist es nicht überraschend, dass Murnau viele Künstler des „Blauen Reiters“, wie Franz Marc, Wassily Kandinsky und seine Schülerin und spätere Gefährtin Gabriele Münter magisch anzog und zu Gemälden von Weltruhm inspirierte.
Auch der Bürgermeister von Murnau Rolf Beuting ist ein großer Förderer der Kunstszene. In seinem Rathaus haben sich Ausstellungen etabliert, um die sich die Kunstvereine kümmern, wie der Verein „Tusculum“. Der Künstlerort ist selbstverständlich Mitglied der EuroArt und hat regelmäßig Maler aus anderen europäischen Ländern zu Gast. Auch in Murnau hat die Kunst mit vielen Skulpturen die öffentlichen Plätze und Parkanlagen erobert.
Auf ein Markenzeichen ist die Leiterin der Tourist Information Alexandra Thoni besonders stolz: Bereits im fünften Jahr werden Kunst-Kulinarische Reisen durchs Blaue Land organisiert. Damit wird einmal mehr bewiesen, dass Kunst und Genuss einfach gut zusammenpassen. Auch unter dem Corona-Konzept unter dem Motto „Zamm kemma!“ finden regelmäßige Termine von Mai bis Oktober statt. Bei einem 5-Gang-Menü verwandeln die Gastwirte aus Murnau und naher Umgebung ihre Lokale in ungewöhnliche Ausstellungsräume. Die Besucher können sich dann jeweils einen Menügang Kunst auf dem Teller schmecken lassen und zugleich sich an der Kunst an den Wänden erfreuen. Der große Vorteil dieser Gourmet-Reisen besteht auch darin, die ausstellenden Künstler anzutreffen. So komme ich beim primo piatto vom Italiener am Staffelsee mit der Maler-Tochter, Bildhauerin und Kalligrafin Christina Dichtl ins Gespräch. Sie erklärt mir die Technik der Hinterglasmalerei, die sie gelernt hat und auch praktiziert und die Arbeiten verkauft. Ebenfalls am Tisch sitzt der Maler und Typograph Walter Kraft aus Murnau, der in alten Vorlagen, zurückgehend bis auf das 14. Jahrhundert, in 700 Schriftfamilien rund 5.000 verschiedenste & und et Zeichen entdeckt hat. Ich habe selten so schmackhaft gespeist und hatte dabei noch so interessante und anregende Gesprächspartner.
Kunstgenuss pur ohne Beilage bietet in Murnau das Schlossmuseum.
Hier kann der Besucher in eine breit gefächerte Dauerausstellung eintauchen.
Murnau ist auf gutem Weg, was die Besucherzahlen betrifft und hat mit 1.354 Betten in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen dafür Platz geschaffen.
Ein spannender Stoff: die Malschule von Wassily Kandinsky, der neue Wege in der Kunst beschreitet und gewissermaßen als einer der Erfinder der Abstraktion in der Malerei gilt.
Romantischer Stoff: die Radtouren von Kandinsky mit seiner Schülerin Gabriele Münter, später selbst eine berühmte Malerin. Oder die außergewöhnliche Geschichte, wie Kandinsky und der Maler Franz Marc den Namen der Künstlergruppe „Blaue Reiter“ erdachten. Der Name wurde am Kaffeetisch erfunden; beide Maler liebten die Farbe Blau, Marc liebte Pferde und Kandinsky liebte Reiter, so kam der Name quasi von selbst. In einem Kunstspaziergang durch Murnau, geleitet von einem Prospekt der Tourismus Information Murnau mit einem Text der Kunsthistorikerin Dr. Katja Amato, kann der Gast an einigen reizvollen Stellen die originalen Mal-Plätze von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter aufsuchen.
Für Murnau Tourist-Chefin Alexandra Thoni stellt sich auch die Aufgabe, den nicht so Kunst interessierten Urlaubern ein wenig die Scheu zu nehmen und ihnen Mut zu machen, sich mit Malerei zu beschäftigen. Murnau, das Blaue Land und die Künstlerkolonien in Oberbayern sind dafür hervorragend geeignet.
Fotos von Ronald Keusch, bayern box murnau (4) , yachthotel blu (1)