Zwischen Donau und Drau
Besuch im „europäischen Troja“
Von Hans-Peter Gaul
Die bei Touristen noch nicht so bekannte Region im Osten Kroatiens ist durch vielfältige Kulturen und Völker geprägt. Wo einst u. a. Römer und Osmanen herrschten, laden heute an Donau und Drau liebenswerte Bewohner sowie Natur, Kultur und Kulinarik zum Verweilen ein. CTOUR-Reisejournalisten haben im September auf Einladung des kroatischen Fremdenverkehrsamts Slawonien im Herzen Europas besucht.
Festung Tvrda in der „Stadt des Biers“
Erste Station unserer spannenden Entdeckungstour war Osijek, die mit rund 120 000 Einwohnern viertgrößte Stadt Kroatiens und Zentrum der Region.
Vom gleichnamigen Hotel gibt es einen prächtigen Panoramablick über die Drau mit der modernen Fußgängerbrücke und dem Hafen mit Fischerbooten sowie gutbesuchten Restaurantschiffen.
Hier stehen vorzüglicher Zander, Wels und Karpfen ganz oben auf der Speisekarte.
Unübersehbar das Wahrzeichen der auch von Donau-Schwaben geprägten Stadt – die Kathedrale St. Peter und Paul mit ihrem 90 m hohen Glockenturm.
links: Hochzeit in der Kathedrale Osijek
Nicht nur während der heißen Sommermonate in der Pannonischen Tiefebene als grüne Oasen gern genutzt werden die 17 Parkanlagen der Stadt, in der auch die älteste Straßenbahn des Landes verkehrt.
Wir bummeln mit unserem Guide Igor Najdert durch die Europa-Allee mit ihren zum Teil restaurierten einstigen prächtigen Stadtpalästen aus der Jugendstilzeit zur Festung Tvrda mit der Jesuitenkirche.
rechts: Kontraste an der Osijeker Europa-Allee
Der imposante Dreifaltigkeitsplatz mit der „Pestsäule“ bildet das Zentrum des gern besuchten Altstadtviertels.
Wie wir bei einer Bierprobe in der beliebten Craftbier-Brauerei General von Beckers erfahren, gehört auch ein Bierfestival zu den alljährlichen Anziehungspunkten für in- und ausländische Touristen.
Bereits im 17. Jahrhundert wurde hier Bier gebraut. Und so nennt sich Osijek inmitten einer Weinregion stolz auch „Stadt des Biers“.
Mit einem Blick auf die abends effektvoll beleuchteten Festungsmauern starten wir zu einem typischen Gasthaus im Gebiet Baranja.
Im „Cingi lingi carda“ können wir kulinarische Spezialitäten der Region unweit der ungarischen Grenze genießen. Mehr oder weniger scharfes Paprikapulver gehört hier bei vielen Gerichten unbedingt dazu.
Wir probieren die slawonische Spezialität „Schwarzes Schwein“. Die meist freilebenden und u. a. mit Eicheln gefütterten Tiere werden nach speziellen Rezepten und mit besonderen Soßen zubereitet – ein Genuss.
Auch verschiedene Wildgerichte u. a. mit geröstetem Gulasch sind gefragt.
Naturpark, Weinkeller, Ethnodorf
Den nächsten Tag verbringen wir ebenfalls in der unweit von Osijek gelegenen ungarisch geprägten Region Baranja. Gut gegen Mücken geschützt starten wir unsere Tour durch die Kernzone des 231 km² großen Naturparks Kopacki Rit zwischen der Donau und der Drau. Wie uns Ruzica Marusic im Infozentrum erklärt ist der Naturpark ein wichtiges Laichgebiet für Süßwasserfische und gehört zu den größten Fluss- und Sumpfniederungen Europas.
Typisch sind hier auch die bis zu acht Meter variierenden Wasserstände z. B. bei Hochwasser.
Über Holzstege und per Mini-Eisenbahn kann man sich in dem einzigartigen Naturpark bewegen.
Zu empfehlen ist eine Fahrt mit elektrisch angetriebenen und von Ranger geführten Booten.
„Über 300 Vogelarten, darunter Seeadler und Kormorane, aber auch Wasserschlangen und
Wildtiere sind mit etwas Glück bei Fahrten durch den Naturpark zu sehen“, wie unser Ranger Hrvoje Domatetovic versicherte.
Etwa 45 000 Gäste, davon 40 % aus dem Ausland, besuchen alljährlich das Naturparadies.
Gern nutzen die Besucher auch die in der Region angebotenen Ferienwohnungen (Bed & Breakfest) in z. T. historischen Gebäuden.
In dem ungarisch geprägten Straßendorf Lug zeigt uns Vedran Grizbaher ein von ihm für Touristen hergerichtetes und zertifiziertes Bauernhaus – inklusive einer Probe des eigenen Walnusslikörs und Rakijas.
Wenig später sind wir im drittältesten und größten historischen Belje-Weinkeller aus dem Jahre 1526 in Knezevi Vinograd zu einer Wein-Degustation eingeladen.
Auf dem Programm u. a. Welschriesling, Weiß- und Grauburgunder, Gewürztraminer…
rechts: 10.000-Liter-Weinfässer im Keller
Und während wir später über die eindrucksvoll-hügelige Weinstrasse durch das 650 ha große Weinanbaugebiet von Belje fahren wird uns bewusst,
dass der Name Baranja, („Weinmutter“), von den ungarischen Wörtern Bor (Wein) und anya (Mutter) stammt. Bei einem Stopp auf dem beliebten Aussichtspunkt Bansko brdo an der Weinstraße kosten wir die erntefrischen dunklen Trauben und Guide Igor erinnert daran, dass der römische Kaiser Probus in der Gegend im 3. Jahrhundert die ersten Weinstöcke gepflanzt hatte.
Slawonische Spezialitäten: Schwarzes Schwein und Wurst Kulen
Mittagspause im Ethnodorf Karanac, wo an vielen Häusern „Paprika-Girlanden“ zum Trocknen zu sehen sind.
Beim Besuch des Open-Air Museums, in dem bereits eine leckere Fischsuppe (mit reichlich süßem und scharfen Paprika) im Kessel über offenem Feuer Appetit macht, können wir auf der „Straße der vergessenen Zeit“ einen authentischen Einblick in das typische bäuerliche Leben der Region erhalten.
im Open-Air-Museum Karanac mit der „Straße der vergessenen Zeit“
Und während uns Stanko Skrobo in dem traditionellen Restaurant „Baranjska kuca“ (unbedingt einen Besuch wert) seine leckeren Fisch-Spezialitäten offeriert, gibt es Gelegenheit uns auch mit weiteren typischen Gerichten Slawoniens bekanntzumachen.
rechts: Typisches Baranja-Restaurant im Ethnodorf Karanac
Nach dem meist obligatorischen Start der Mahlzeit mit einem Gläschen Rakija wird Schinken, Wurst und Speck gereicht. Es gibt Suppen und Eintöpfe u. a. aus Hülsenfrüchten mit Räucherfleisch. Eine Spezialität ist z. B. der Hirteneintopf „Cobanac“. Symbol der slawonischen Küche ist das Schweinefleisch besonders vom schwarzen Schwein. Eine besondere Rolle spielt auch Schweinefett, mit dem gebraten, geköchelt, frittiert, geschmort und gefettet wird. Es wird ebenfalls als Brotaufstrich mit Salz und scharfer Paprika geschätzt. Probieren sollte man auch den einheimischen Kuhfrischkäse Satrica – entweder als Vorspeise oder in Kombination mit der typischen slawonischen Wurstspezialität Kulen.
Als Dessert sind oft Mohn- und Walnussstrudel sowie Lebkuchen im Angebot. Unter Salenjaci verbirgt sich ein blätterteigähnliches Gebäck, das mit Konfitüre oder gemahlenen Walnüssen gefüllt ist. Ein Spezialist für die zertifizierte slawonische Wurstspezialität Kulen ist Hrvoje Matijevic, den wir in seiner Manufaktur in Suza besuchen. Hier erfahren wir wie aus getrocknetem Schweinefleisch (besonders vom schwarzen Schwein) die auch international begehrte und online in die Welt versandte Wurst Kulen hergestellt wird.
Nur wenige hundert Meter entfernt erwartet uns in Suza eine weitere Entdeckung:
Herr Asztalos hat uns zu einem besonderen Keramik-Workshop in sein Atelier eingeladen.
So können wir nicht nur miterleben wie er meisterhaft
Gefäße und Tassen töpfert, sondern kommen mit ihm auch über sein bewegtes Leben zwischen amerikanischen Kriegstouristen und seinen kulturellen Ambitionen in seiner neuen Heimat Slawonien ins Gespräch.
Bevor wir den Tag bei einem Besuch in Josic‘s traditionellem Weinkeller in Zmajevac village ausklingen lassen geht’s zum Dreiländereck Ungarn, Kroatien, Serbien nach Batina, wo sich hoch über der Donau die Gedenkstätte 2. Weltkrieg befindet.
Lipizzaner, Kathedrale, Folklorefest
Zu den touristischen Attraktionen Slawoniens zählt auch das seit 1506 bestehende Gestüt von Dakovo, das seit 1854 Lipizzaner züchtet.
Damir Rebic begrüßt uns in der großen Reithalle und macht mit einigen der derzeit 180 Lipizzaner in den Ställen bekannt. Wir erfahren, dass die Pferde erst mit sieben bis zehn Jahren ihre typische weiße Farbe erhalten.
Stolz ist man hier auf den Besuch der britischen Königin Elizabeth II. 1972 im Gestüt. Neben dem traditionellen Weihnachtsball der Lipizzaner wird in Dakovo auch alljährlich das Folklorefest „Dakovacki vezovi“ (Festspiele von Slawonien und der Baranja) zünftig gefeiert. In der für ihre farben- und formenreichen Trachten und Stickereien berühmten Stadt sind dann auch die als Königinnen auftretenden Mädchen aus Gorjani dabei und erklingt das Volkslied „Becarac“. Beides gehört inzwischen zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. Bekannt sind die Faschingsbräuche „Dakovacki busari“.
Eindrucksvoll das Lebenswerk von Bischof Strossmayer (1815 – 1905) – die Kathedrale des Hl. Petrus im Zentrum der Stadt.
2003 besuchte Papst Johannes Paul II. die „schönste Kathedrale zwischen Venedig und Istanbul“.
Vukovar – Vucedol – Ilok
Seit 2006 würdigt die Europäische Kommission einzigartige nicht traditionelle europäische Touristenziele mit dem Titel EDEN.
2016/17 konnte die östlichste Region Kroatiens mit Vukovar-Vucedol und Ilok diesen Titel erringen. Wo einst viele Völker und Kulturen ihre Spuren hinterlassen haben werden heute in der slawonischen Tiefebene und rund um die Berglandschaft Fruska Gora das reiche Kultur- und Naturerbe, Tradition und Bräuche sowie gastronomische und önologische Angebote gepflegt.
rechts: Herbstfest in Vukovar mit Baumkuchen und Langos
rechts: Blick in den Winterhafen von Vukovar an der Donau
Noch sind die Wunden des Heimatkrieges von 1991 nicht verheilt, doch überall ist zu spüren wie man sich hier auf seine Geschichte besinnt und auch Neues schafft.
So macht das 2014 wiedereröffnete Museum der Stadt Vukovar im Schloss Eltz nicht nur mit der Historie der einstigen Freien Königlichen Stadt sondern auch mit deren jüngeren Geschichte bekannt.
Während der größten und blutigsten Schlacht des kroatischen Heimatkrieges war Vukovar 1991 fast vollständig zerstört worden.
Heute erinnern verschiedene Gedenkstätten an diese schwere Zeit.
Für uns als auch für Romeo Draghicchio, Direktor des Kroatischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland, ein besonderer emotionaler Moment, als uns Guide Igor Vlasic auf dem legendären Wasserturm von Vukovar mit seinen persönlichen Erlebnissen und seiner lebensgefährlichen Flucht aus seiner Heimatstadt bekanntmacht.
rechts: Das aus dem weltbekannten Bracer Weißen Marmor erbaute Kreuz am Donau-Hafen von Vukovar erinnert an die Helden des Heimatkriegs 1991
Der trotz 640 Einschüssen nicht zerstörte Wasserturm ist nun ein Ort der Erinnerung an die heldenhafte Geschichte und ihre Menschen.
Auf dem Weg in die östlichste Stadt Kroatiens nach Ilok haben wir das 2015 eröffnete und bereits mehrfach ausgezeichnete barrierefreie Museum der Vucedol-Kultur besucht. „Es ist an der bedeutenden archäologischen Fundstätte (3000 – 2500 v. Chr.) entstanden und wird daher auch das ‚Europäische Troja‘ genannt“, erklärt uns Reiseleiterin Dara Mayer während ihrer Führung. Die Vucedol-Kultur hatte sich von ihrem Ursprung auf das Gebiet von heute 13 europäischen Ländern verbreitet. Die hier gefundene „Vucedol-Taube“ ist ein Symbol des Friedens.
„Weinhauptstadt“ Ilok lädt ein
Durch ausgedehnte Weinberge in der östlichsten Stadt Kroatiens Ilok gelangen wir zu dem einst als Sommersitz der Fürstenfamilie Odescalchi erbauten Schloss Príncipovac. Das heutige exklusive Landweingut mit prächtigem Panoramablick auf Ilok wird auch gern für Hochzeiten genutzt.
Es verfügt über ein 4-Sterne-Hotel in Appartements und einen hauseigenen Golfplatz. Im Gespräch mit Vesna Stajner, engagierte Touristikerin und Marketingchefin vom Weingut Ilocki Podrumi mit dem ältesten Weinkeller von Kroatien aus dem Jahr 1450, erfahren wir mehr über die „Weinhauptstadt“ Ilok mit ihrem mittelalterlichen Stadtzentrum.
rechts: Im historischen Weinkeller von Ilocki Podrumi
Gern erinnert sie daran, dass der berühmteste Wein der Region, ein Traminer, am 2. Juni 1953 zur Inthronisierung von Elizabeth II. in London werbewirksam ausgeschenkt wurde. Jährlich werden etwa vier Millionen Liter Wein (85 % weiß und 15 % rot) produziert. Stolz ist man hier auch auf die wertvollen historischen „Archivweine“ im Weinkeller in der Nähe des Schlosses Odescalchi, in dem sich auch das Stadtmuseum befindet. Von hier hat man einen prächtigen Blick auf die Donau, die auf 140 km die Grenze zu Serbien bildet.
An der imposanten osmanischen Stadtmauer, die derzeit restauriert wird, befinden sich Grabstätten und ein türkisches Bad aus der Zeit der osmanischen Besetzung Anfang des 16. Jahrhunderts.
Touristen kommen vor allem per Schiff, Bus und Flugzeug
Abschied von der etwa 700 000 Bewohner zählenden und im Gegensatz zur kroatischen Adriaküste noch weitgehend unbekannten sehr vielfältigen Region Slawonien nehmen wir am Kreuzfahrtterminal in Vukovar.
Hier machen jährlich hunderte internationale Kreuzfahrtschiffe während ihrer Donaureisen Station, starten die internationalen Passagiere zu interessanten Tagesausflügen. Eine weitere nachhaltige Entwicklung des Tourismus sollte hier ebenso gut möglich sein wie bei den noch ausbaufähigen Schiffstouren auf der Donau. Der zu Beginn des Jahres in Kroatien eingeführte Euro und der Beitritt des Landes zum Schengenraum dürften da hilfreich sein. Gut funktioniert bereits der touristische Busverkehr. So kann man z. B. mit Flixbus mehrmals wöchentlich u. a. von Vukovar nach Deutschland reisen. Croatia Airlines verbindet zudem seit zwei Jahren mehrmals in der Woche München mit dem Airport von Osijek.
Für Fahrradtouristen interessant sein dürften die Radwege, die von der Quelle des zweitgrößten europäischen Stroms bis zur Mündung führen. Die „Pannonische Friedensroute“ verbindet
z. B. Slawoniens Hauptstadt Osijek über 80 km mit Sombor in der Vojvodina in Serbien.
links: Ein Radfahrer aus Kolumbien hat auf seiner Europatour Station in Ilok gemacht
Slawonien hat uns mit seinen Menschen und seiner bewegten Geschichte, den Naturschönheiten und den kulinarischen Spezialitäten ebenso überrascht wie erfreut. Wir kommen gern wieder. Es gibt noch viel zu entdecken und zu genießen.
Der von der Kroatischen Zentrale für Tourismus hergestellte Film macht mit bewegten Bildern und Musik auf die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten Slawoniens mit ihren liebenswürdigen Bewohnern bekannt:
Manfred Weghenkel berichtet auf der Internetseite „Journal aus Berlin“ über seine Eindrücke von der Slawonien-Reise
http://www.journal-aus-berlin.com/start/goldstuecke-kroatiens-slawonien-und-baranja-1/
Und hier geht es zum Zweiten Teil des Reiseberichtes.
Weitere Infos:
www.visitkroatien.de
www.visitslavoniabaranja.com
www.visitvukovar-srijem.com
Fotos: Hans-Peter Gaul, Ann-Christin Thielert (3)
Über den Autor:
Hans-Peter Gaul ist Gründer, Sprecher des Präsidiums und seit 2020 Ehrenpräsident der Reisejournalisten-Vereinigung CTOUR. Er hat an mehreren Buchveröffentlichungen und Filmen mitgewirkt, TV- und Radiosendungen moderiert, Reisereportagen in Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Derzeit ist er vor allem für die Fachzeitschrift „touristik aktuell“ und für die „Ostthüringer Zeitung“ Saalfeld aktiv.
CTOUR-Mitglied Margrit Manz hat ihre Eindrücke von der Slawonien-Reise HIER festgehalten.
https://manz-chinareport.com/wp/wp-content/uploads/2023/10/MargritManz-Reise_nach_Slawonien.pdf