Tourismusforschung: Die Omnibusstudie 2013 des LEIF-Instituts Leipzig

Der Bus für viele – unbedingt Sicherheit, netter Fahrer, bequemer Sitz

Der Bus wird von 18 % der Deutschen als Nahverkehrsmittel für Beruf, Ausbildung und alltägliche Besorgungen genutzt (nach Studien des Leipziger LEIF-Instituts). In der Freizeit fahren 26 % der Bevölkerung mit dem Bus als Nahverkehrsmittel zum Ort, an dem sie Sport treiben, Kultur genießen oder andere Hobbies ausüben.
Seit Anfang 2013 entwickelt sich durch neue Wettbewerbsbedingungen der Fernlinienbusverkehr rasant. In Deutschland haben sich jahrzehntealte gesetzliche Bestimmungen geändert. Der Markt für Fernbusse wird seitdem heiß umkämpft.

Etwa 70 bis 80 Unternehmen soll es gegenwärtig (im November 2013) geben. Die Zahl der Fernbuslinien beziffert der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer im ersten Halbjahr auf 160 (Quelle: Mitteldeutsches Omnibus-Magazin, Ausgabe 2013 Nr. 21). Genutzt wird dieses Angebot vorrangig von jungen Leuten. Der Fernlinienbus braucht zwar für die Fahrt mehr Zeit als die Bahn, ist dafür allerdings für den Fahrgast deutlich preisgünstiger. LEIF hat einen zufällig ausgewählten Wochentag analysiert: Von Berlin nach Leipzig fährt die Bahn 72 bis 76 Minuten, der Bus braucht 105 bis 185 Minuten. Der Fahrgast zahlt dafür bei der Bahn (ohne Sparpreis oder Bahncard) zumeist 46 €. Beim Fernlinienbus zwischen liegt der Preis zwischen 9 und 19,50 €. Dabei werden die Nebenkosten durch Zubringer zum Bus-Terminal nicht mitgerechnet. Auch fahren viele Bahnfahrer mit Ermäßigung. Zudem wird sich der Markt für den Fernlinienbus verändern. Die Anbieter werden sich verringern, die Preise vermutlich sich erhöhen.

Erst seit November bei den Fernlinienbussen - der ADAC-Postbus
Erst seit November bei den Fernlinienbussen – der ADAC-Postbus

Wichtig ist der Bus nach wie vor für den Tourismus. Das Leipziger LEIF-Institut befragte dazu die Bevölkerung. Touristische Kurzreisen bzw. Ausflüge von maximal vier Tagen unternehmen 21 %.
Bei Ferien- und Rundreisen mit dem Bus länger als vier Tage beträgt der Anteil 7 %. Der Bus belegt seit Jahrzehnten bei den Urlaubsreise-Verkehrsmitteln den dritten Platz nach Pkw bzw. Flieger.
Bleiben wir beim Thema „Reisebus“, mit dem sich das LEIF-Institut speziell beschäftigt hat.

Wer sind die Bustouristen?
Es ist nicht nur ein Klischee, sondern auch statistisch erwiesen: Oma und Opa sitzen im Bus. Sie sind das Klientel „Nummer 1“, mit großem Abstand gefolgt von jungen Leuten bis 25 Jahre. Konkret 69 % der Bus-Ferientouristen sind Rentner, 12 % junge Leute in Ausbildung. Mehr Frauen als Männer nutzen den Bus für die Ferienreise (LEIF-Studie: 59 % sind Frauen). Die reisefreudigen Sachsen bevorzugen mehr als andere den Bus. Von den Busferientouristen wohnen 32 % in Sachsen, 25 % in Thüringen und 20 % in Sachsen-Anhalt. Ein knappes Drittel der Bus-Ferientouristen sind Wiederholer – nach der Devise: „Einmal Bus – immer Bus“ (nach LEIF-Studie: 31 %).
Vereinfacht zusammengefasst könnte folgendes Profil erstellt werden: Der Bustourist befindet sich im besten Seniorenalter von 66 bis 75 Jahren, ist eine Rentnerin aus einer sächsischen Großstadt, die bevorzugt mit einem Partner bzw. einer Partnerin gern öfters mit dem Bus reist.

Was erwarten Fahrgäste heute vom Reisebus?
LEIF hat festgestellt: Erwartet werden die drei „S“ – Sicherheit als Selbstverständlichkeit, Service vom Fahrer und der bequeme Sitz. Für 38 % der Touristen ist Sicherheit die wichtigste Erwartung. Durch das LEIF-Institut wurde eine sogenannte ‚offene Frage‘ nach den Erwartungen an eine Busreise ohne Antwortvorgaben gestellt. Der Anteil nach Sicherheit liegt bei dieser wichtigsten Forderung real deutlich höher. Wer will schon nicht sicher fahren?! Dabei ist auf deutschen Straßen der Bus das sicherste Verkehrsmittel. Wie LEIF nach der statistischen Basis des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden errechnete (Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2012, Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2013), waren im Vorjahr 56 % der Verunglückten in Deutschland Fahrer oder Mitfahrer eines Pkw. An zweiter Stelle in dieser Unfallstatistik folgen das Fahrrad mit 19 %, der Fußgänger mit 8 % und das Motorrad mit 7 %. Aber nur 1,5 % der Unfallbeteiligten saßen im Bus.

Kein Luxus: Bus-Wartestelle Leipzig Goethestraße
Kein Luxus: Bus-Wartestelle Leipzig Goethestraße

Die zweite wichtige Forderung der Bustouristen betrifft den Fahrer. Bei der Befragung des LEIF-Instituts erwarten 27 % der Bustouristen einen freundlichen, netten, kompetenten und ihnen zugewandten Fahrer, der seine Tätigkeit als Service am Kunden versteht. Zum „Faktor“ Busfahrer meint ein Leipziger Reisebüroinhaber, der mit zehn Busreiseveranstaltern zusammenarbeitet: „Eine eigentlich schöne Reise kann durch den Busfahrer noch besser gelingen oder im negativen Fall misslingen. Erwartet wird ein aufgeschlossener und in mehrfacher Hinsicht ausgeschlafener Busfahrer.“
Bei Busfahrten wird ein bequemer Sitz für 26 % der befragten Bustouristen wichtig. Gesundes Sitzen – in punkto Beinfreiheit, Sitzbreite und ergonomischer Rückenlehne wird gewünscht. Alle Altersgruppen verlangen diese drei wichtigsten Erwartungen an einen Reisebus. Weitere von vielen Fahrgästen geäußerte Forderungen an den Touristenbus sind die Ausstattung, Klimaanlage, Sauberkeit, Pünktlichkeit, saubere Toiletten im Bus und bei Reise-Stopps sowie das Preis-Leistungsverhältnis.

Welche Zukunft hat der Bus vor allem bei touristischen und Freizeitreisen?
Ein „Wagen für alle“ übersetzt der Brockhaus, das Wort „Omnibus“ in Anlehnung an das Lateinische „omnis“ (in: Brockhaus Enzyklopädie, Band 16, Mannheim, 1991, S.193). Der Bus ein Fahrzeug für alle? Ist das eine Illusion? Kann es real einen Bus für jeden überhaupt geben? Die Antwort des Soziologen: Busreiseveranstalter müssen sich immer anstrengen, neue Zielgruppen zu gewinnen. Die Individuen der sogenannten Hochtechnologie- und Kommunikationsgesellschaft werden immer ‚individualisierter‘. So passt sich der Bus gegenwärtig den differenzierten Bedürfnissen an. Er muss und er muss es künftig verstärkt. Nur so rollt der Bus in die Zukunft. Da passt doch die Interpretation der Übersetzung: ein Bus für jeden mit differenzierten Wünschen und Bedürfnissen. Ein Beispiel dafür ist eben die gegenwärtige Entwicklung beim Bus-Fernlinienverkehr. Dazu gehören zudem Angebote für spezielle Interessen- und Freizeitgruppen wie Wanderer per Fuß, Rad, Wintersportgeräte oder anderer Fortbewegungsmittel, Wein- und Gourmet-Genießer, Nachtbusse, die die Lücken der Bahn schließen, oder Busse in denen Kultur – wie Kleinkunst, Gesang oder Wort – stattfinden.
Dazu gehört Komfort nicht nur im Bus, sondern auch außerhalb bei den Warte- bzw. Halte-Terminals, wenn man die überhaupt so nennen darf. Dazu gehören auch weitere Entwicklungen bei den Basiswünschen wie der bequeme, gesunde Sitz, die Qualifikation und Auswahl der ‚netten‘ Busfahrer oder das wichtigste Kriterium – die Sicherheit. Mut zur Realisierung neuer Ideen oder einer Wiederbelebung guter alter Ideen sind gefragt.

Fotos: CTOUR/DR. H. Schmidt

© Dr. Harald Schmidt, Leipzig, November 2013
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