CTOUR-MEDIENTREFF: BUSTOURISMUS VERDIENT HÖHERE PRIORITÄT

Tagtäglich bewegt sie Millionen Menschen – darunter viele Touristen – von A nach B, ist aber auch selbst ständig in Bewegung: die moderner und bunter gewordene Busbranche. Besonders markant hat seit 2013, als er in Europa liberalisiert wurde, der Fernbuslinienverkehr performt. Etwa 80 Prozent seiner Nutzer sind Urlauber und Touristen. Bei einem gemeinsamen Medientreff unter dem Motto „Zwischen Aufbruchsstimmung und bürokratischen Bremsklötzen: Bustourismus am Scheideweg“ von CTOUR und dem Bundesverband Deutscher Omibusunternehmer (bdo) Anfang Juli im ABACUS Tierparkhotel Berlin mit rund 25 Teilnehmern erhielten die Reisejournalisten einen profunden Einblick in die dynamische Entwicklung der Busbranche, aber auch in die Hürden und Herausforderungen, mit denen dieser mittelständisch geprägte Verkehrszweig immer wieder zu ringen hat.

Anja Ludwig vom bdo (2. v.l.) und Patrick Kurth (2. v.r.) von FlixBus mit Vorstandssprecher Hans-Peter Gaul (r.) und Busspezialist Manfred Weghenkel (l.) von CTOUR. Foto: Peter Thiele

Der bdo ist der Dachverband der deutschen Busbranche und vertritt gegenüber Politik und Öffentlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene – hier gemeinsam mit der International Road Transport Union (IRU) – die Interessen von rund 3.000 privaten und mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienbus. Unter dem Dach des bdo arbeiten In Deutschland 14 Landesverbände.

Für den Verband präsentierten die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Anja Ludwig, die Referentin Touristik und Statistik Nina Jaschke und Christian Wahl, Referent Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, interessante Zahlen, Daten und Fakten zu Busreisen und aktuelle Trends im Markt. Auch sprachen sie über die Busbranche betreffende aktuelle politische Entwicklungen in Deutschland und Europa.
Gleichsam als „Stimme des Mittelstandes“ sagte Christian Wahl:

„Die private Busbranche in Deutschland besteht zum Großteil aus kleineren und mittleren Unternehmen, die oftmals schon über Generationen hinweg in Familienhand liegen. Als Mittelstand genießen die Mitglieder in Sonntagsreden hohes Ansehen. Aber nicht unbedingt bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen. So wird der Mittelstand im Verkehrsgewerbe durch bürokratische Hürden etwa im grenzüberschreitenden Verkehr oder Anforderungen wie die in der EU geltende neue Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) unverhältnismäßig stark belastet.“

Gleiches gelte für den tiefgreifenden Wandel durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und eine „Antriebswende“ bei den Fahrzeugen.

Der ABACUS-Konferenzsalon „Eagle“ bot den passenden Rahmen für den Medientreff.
Foto: Manfred Weghenkel

Auf den Titel des Medientreffs „Bustourismus am Scheideweg“ näher eingehend, erklärte Christian Wahl: „Die Fahrzeugtechnik hat sich in den zurückliegenden 25 Jahren dramatisch weiterentwickelt. Hinsichtlich Sicherheit und Umweltbilanz beispielsweise gab es Quantensprünge. Dennoch wird oft noch falsch von ‚Dieselstinkern‘ und hohen Unfallgefahren geschrieben.“ Der bdo-Vertreter verwies auch auf die 2013 begonnene Fernbusliberalisierung, durch die völlig neue Fahrgastgruppen gewonnen werden konnten. Die Mobilität der Menschen verändere sich derzeit grundlegend – unter anderem durch neue Antriebstechnologien und digitale Möglichkeiten. Das Fazit Wahls:

„Der Bus kann als umweltfreundlicher und flexibler Verkehrsträger eine wichtige Rolle im Mobilitäts-Mix spielen. Aber trotzdem wachsen die bürokratischen Hürden für Busunternehmen. In der Politik genießen Mittelstand und Bustourismus keine Priorität.“

Angesichts einiger schwerer Busunfälle in letzter Zeit waren die Tourismusjournalisten natürlich auch gespannt darauf, wie der bdo die „Sicherheitslage“ einschätze. Dazu Christian Wahl: „Der Bus ist das sicherste Straßenverkehrsmittel. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Bus durch Unfall verletzt zu werden, ist 14 Mal geringer als in einem Pkw. Für den TÜV Bus-Report 2018 wurden 15.000 Prüfungen ausgewertet. Die Quote der nicht verkehrssicheren Fahrzeuge lag bei 0,0 Prozent.“ Nun ja, bleibt zu hoffen, dass uns – den Fahrgästen – Unfälle mit Omnibussen erspart bleiben und wir – die Journalisten – keine Meldungen / Berichte über Busunfälle veröffentlichen müssen.

Touristik-Referentin Nina Jaschke bei ihrem mit vielen Grafiken angereicherten Vortrag.
Foto: Manfred Weghenkel

Die auch statistisch versierte Touristik-Referentin Nina Jaschke nannte einige aufschlussreiche Fakten:
In Deutschland gibt es rund 4.200 Busunternehmen; davon sind rund 3.800 private Unternehmen.
Im Liniennahverkehr sind 1.800 private Busunternehmen tätig, im Linienfernverkehr rund 60 und im Gelegenheitsverkehr etwa 3.600. Insgesamt wurden im Jahre 2017 rund 79 Millionen Fahrgäste im Gelegenheitsverkehr und 23 Millionen im Fernlinienverkehr befördert.
Der Linienfernverkehr wird zu 80 Prozent touristisch genutzt, d. h. von den 23 Millionen Passagieren waren 18,4 Millionen Touristen und Urlauber. Anmerkung zum Begriff „Gelegenheitsverkehr“: Er kommt aus dem Personenbeförderungsrecht und meint die Beförderung von Personen in Bussen und Pkw, die nicht im Linienverkehr erfolgt.

Weitere Eckdaten zum Bustourismus: Der jährliche Bruttoumsatz beträgt 14,3 Milliarden Euro. Für 238.000 Menschen bildet dieser Zweig die Existenzgrundlage, wobei ein Arbeitsplatz im Busunternehmen fünf zusätzliche Arbeitplätze in anderen Betrieben bedeutet. Zudem verwies Nina Jaschke darauf: „Bis zu 50 Prozent des bustouristischen Bruttoumsatzes bleiben in den Urlaubsregionen!“

Ausgehend von der bdo-Konjunkturumfrage 2019, beschrieb Nina Jaschke ausführlich die „Sorgen und Herausforderungen der Bustouristk“, als da vor allem sind: ausufernde Bürokratrie(monster), drohende Dieselfahrverbote und Mautregelungen, Fahrermangel, Pauschalreiserichtlinie, Besteuerungsfragen, Einfahrtsgebühren oder -beschränkungen in europäischen Großstädten und Ballungszentren. Besonders verbreitet sei das in Italien. Frankreich erhebe horrende Parkgebühren. Und in Holland dürften Reisebusse nur noch bestimmte Straßen befahren.

Auch die FlixBus-Manager Patrick Kurth, David Krebs und Fiete Starck (v.l.n.r.) debattierten mit. Foto: Manfred Weghenkel

Die bdo-Referentin erläuterte an Hand von Zahlen, dass der Fernbus bei Schadstoffemissionen und Verbrauch auf Bestwerte verweisen kann. Auch bei den Umweltkosten liege der Fernreisebus ganz vorne. Somit sei der Bustourismus klimafreundlich und nachhaltig und trage somit zur notwendigen Verkehrswende bei.

Zum Stichwort „ausufernde Bürokratie“, die zu einem steigenden administrativen Aufwand führe, sagte sie: „Sowohl nationale, aber auch EU-weite Regelungen führen zu mehr ‚Papierkram‘ und hintern den Unternehmer an seinem eigentlichen Kerngeschäft – Reiseerlebnisse zu kreieren und zu realisieren“. Im Ergebnis führe das dazu, dass sich kleine Unternehmen auf wenige Auslandsdestinationen beschränken müssen, um den steigenden administrativen Aufwand händeln zu können. Oder sie müssten ihr Geschäft komplett aufgeben. Übrigens, die Zahl der privaten Busunternehmen sei aus verschiedensten Gründen zwischen 2000 und 2017 um rund 38 Prozent zurückgegangen.

Die stellvertretende bdo-Hauptgeschäftsführerin Anja Ludwig befasste sich in ihrem Statement ausführlich mit dem „EU Mobility Package“, das von der EU-Kommission vor zwei Jahren mit umfangreichen Neuregelungen für den Straßenverkehr (Güter und Personen) vorgelegt wurde. Dazu gehören auch neue CO2-Grenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge. Inzwischen habe das EU-Parlament auf Basis dieses Paketes drei quasi busfeindliche Beschlüsse gefasst: Zwangsmaut für Busse (ohne Belastung von Pkw) durch Eurovignette, praxisuntaugliche Lenk- und Ruhezeiten, Entscheidung gegen die Stärkung des Fernbusses. Anja Ludwig, erfahrene Rechtsanwältin,  schilderte das langwierige zähe Ringen in Brüssel und Straßburg um busaffine Lösungen und betonte:

„Die Verhandlungen im Rat und später im Trilog sind entscheidend für unsere Branche. Wir brauchen Kompromisse, welche die Besonderheiten des Bussektors berücksichtigen. Und zwar für die Fahrgäste, für die Fahrer und für unsere Unternehmen.“ Den Blick nach vorne gerichtet, erklärte die engagierte bdo-Repräsentantin: „Unsere Sisyphusarbeit geht weiter. Die Gemengelage in Europa ist und bleibt kompliziert. Sehr wichtig ist dabei das enge Zusammenwirken mit dem internationalen Verband IRU.“

bdo-Pressemann Christian Wahl und seine Kollegin Nina Jaschke sind weiterhin gerne Kontaktpartner. Foto: Peter Thiele

Die rege Diskussion im Anschluss an die informativen bdo-Präsentationen widerspiegelte das große Interesse der CTOURianer am Thema Busbranche und -touristik. So zollte Dr. Michael Krause, seit 1990 als Reiseleiter im Busgeschäft tätig, dem Spitzenverband bdo ein dickes Lob für die vielfältigen Aktivitäten und Anstrengungen zugunsten der Busbranche, die er generell als „flexibel und kreativ“ einschätzte. Zugleich wünschte er sich noch stärkeren Einsatz, um die Arbeitsbedingungen für Busfahrer und Reiseleiter zu verbessern. Filmemacher Konrad Herrmann regte an, den Vergleich mit anderen Ländern für die hiesige Busbranche verstärkte nutzbar zu machen. Auch Verkehrsexperte Fred Hafner plädierte dafür und ermunterte den bdo, die Kooperation mit ausländischen Partnerverbänden zu intensivieren. Die relativ neuen CTOUR-Mitglieder Volker Neef und Wolfgang Kömpel entwickelten Gedanken, wie dem Fachkräftemangel, insbesondere bei Busfahrern, abgeholfen werden kann.

Eine der legeren Runden beim abschließenden Get-together. Foto: Peter Thiele

Patrick Kurth, Leiter Politik bei FlixBus, erläuterte unter dem Stichwort „Der Bus ist sexy“ ein wenig die erfolgreiche Philosophie  seines Unternehmens, das ja mit 95 Prozent Marktanteil bei Fernbusreisen ein ganz großer Player der Branche geworden ist. FlixBus stelle sich aber auch den aktuellen Herausforderungen, die durch neue Mitbewerber wie Bla-Bla-Bus (Frankreich) und Pinkbus (Köln) aufgekommen sind. Und schließlich erläuterte der Manager den der Umwelt zuliebe stattfindenden Wandel bei den Antriebstechniken: vom bereits spürbar verbesserten Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro VI) über den Elektro- bzw. Hybridantrieb bis zur Wasserstoff-Technik. Kurth bedauerte, dass die deutschen Fahrzeughersteller bei praxistauglichen E-Reisebussen im Nachtrab seien, so dass FlixBus für seine 2018 gestarteten Erprobungslinien in Frankreich und Deutschland Elektrobusse aus China beziehen musste. Fiete Starck, ebenfalls FlixBus, ging auf die Nationale Tourismusstrategie der Bundesregierung ein und begrüßte, dass der bdo  dazu klare Forderungen aus Sicht des Busbranche aufgestellt hat. FlixBus erwarte, den  Fernbus als klimafreundliches Verkehrsmittel vor allem zur Anbindung der ländlichen Regionen angemessen zu berücksichtigen.
Fortgesetzt wurden die Kontakte und Gespräche  bei einem lockeren und leckeren Get- together.

Schon jetzt vormerken: Die nächste große Spezialmesse der Busbranche „BUS2BUS“ mit bdo-Kongress und Fahrzeugschau findet im April 2021 auf der Messe Berlin statt.
Foto: Manfred Weghenkel

Pressesprecher Christian Wahl bot den CTOURisten an, mit dem bdo in Kontakt zu bleiben. Dazu gebe es mehrere Möglichkeiten: Wer Hintergrundinformationen benötige, sollte das kostenlose Magazin DER BUS abonnieren. Aktuelles könne im Minutentakt bei Twitter verfolgt werden. Für die Recherche stelle der bdo gerne Zahlen, Daten und Fakten sowie Kontakte in die Busunternehmen hinein zur Verfügung. Wer sich für die Pressemitteilungen des Verbandes interessiert, sollte sich einfach anmelden, um als Fachjournalist stets aktuell über Neuigkeiten per E-Mail informiert zu werden.

Fotos: Manfred Weghenkel (5),   Peter Thiele (3)

Weitere Informationen:

Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo)
e. V. | Reinhardtstraße 25 I 10117 Berlin

E-Mail: info@bdo.org.de I Web: www-bdo.org.de