Kleinwalsertal entzündet Lebensfeuer
Start einer neuen Form des sanften Gesundheits-Tourismus
Auf der diesjährigen Tourismus-Messe im März in Berlin (ITB) hat das Tourismus-Team aus dem Kleinwalsertal um Marketing-Chefin Sandra Janser ganz Großes präsentiert. Sie kündigten ein neues und einzigartiges Gesundheitskonzept an, dass individuell und messbar maximale Erholung verspricht und erstmals weltweit in einer Region praktiziert wird. Ihr Zauberwort lautet Lebensfeuer-Messung und Analyse. Damit soll der Urlauber für sich das richtige Maß zwischen Aktivität, Erholung und Regeneration finden und sogar Impulse für Daheim mitnehmen.
Mit der Etablierung als weltweit erste „Lebensfeuer-Region“, wie es werbeträchtig heißt, will sich das Kleinwalsertal ein einmaliges Image geben. Dabei hat das Tal an sich schon mit Einmaligem aufzuwarten und ist mit anderen Tälern in Österreich nicht zu vergleichen. Das hat vor allem mit seiner geografischen Lage zu tun.
Tal ohne Durchgangsverkehr
Umschlossen von einer über 2000 Meter hohen Berglandschaft, existiert hier seit jeher keine direkte Straßenverbindung zu Österreich. Mit dem Fahrzeug kann man nur von und nach Deutschland fahren und gelangt in den Allgäu nach Bayern. Diese Situation, das Tal wurde im 13. Jahrhundert von Walsern aus der Schweiz besiedelt, führte über die Jahrzehnte zu manchen Turbulenzen. Seit 1891 wurde das Kleinwalsertal als Zollausschlussgebiet deklariert, war damit deutsches Wirtschaftsgebiet und somit im Handel mit Deutschland zollfrei. So entstand vor Einführung des Euro die kuriose Lage, dass im Tal die Österreicher ihre Steuern in deutscher Mark und nicht in Schillingen bezahlten. Außerdem bestanden eine deutsche und eine österreichische Postleitzahl und bis vor vier Jahren auch noch eine deutsche Telefonvorwahl. Letzteres ist nicht erstaunlich angesichts der Herkunft der Urlauber im Tal. Mindestens Dreiviertel kommen aus dem nahen süddeutschen Raum.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Österreicher sogar der Meinung sind, das Kleinwalsertal liegt schon im Ausland und gehöre zu Deutschland. Ganz anders die Bewohner des Tales, die ihre Zugehörigkeit zu Österreich vehement vertreten. Es gab vor längerer Zeit sogar einmal Pläne, per Tunnel durch die Berge eine direkte Verbindung nach Vorarlberg zu schaffen. Heute sind alle im Kleinwalsertal sehr froh, dass diese Pläne nie verwirklicht und ihnen ein flutender Durchgangsverkehr erspart wurde.
Neue Fluglinie in das Allgäu
Der Weg von Berlin ins Kleinwalsertal kann wieder wesentlich schneller und bequemer zurück gelegt werden. Seit dem 11. Juni dieses Jahres bietet flytouropa eine Flugverbindung an von Berlin-Schönefeld nach Memmingen in das Allgäu. Gegenwärtig fliegt jeden zweiten Tag eine Turbopropeller-Maschine in der gemächlichen Flug-Höhe von fünf Kilometern in die süddeutsche Ferienregion, nachdem Air Berlin im März 2011 die Fluglinie eingestellt hatte. Vom Flughafen Memmingen, sozusagen der 3. Landebahn des 150 Kilometer entfernten Flughafen München kann der Reisende mit dem Airport-Express per Kleinbus direkt ins Kleinwalsertal gelangen.
Familienhotel Oswaldahus
Um mehr über die erste Lebensfeuer-Region im Kleinwalsertal zu erfahren, quartiere ich mich im Bio-Hotel Oswalda-Hus im Ort Riezlern ein. In dem Familienhotel lebt bereits die vierte Generation. Hier ist seit einigen Jahren der jetzt 31jährige Joachim Müller Hotelchef und zugleich einer von bislang elf Professionals im Tal. Nach mehrmonatiger Ausbildung im vergangenen Jahr ist er für eine umfassende Analyse der Lebensfeuer-Messung einschließlich Coaching zertifiziert. Die anderen Professionals kommen alle aus dem Tal mit den für eine Urlaubsregion typischen Berufen wie Sport-Trainer, Masseurin, Kosmetiker, Marketingleiter im Tourismus und weitere Hoteliers.
Das Familienhotel Oswaldahus, dessen älteste Hausteile bereits 650 Jahre alt sind, empfiehlt sich als ein gemütliches Hotel. Wie auch in vielen anderen Häusern des Tales der Walser spiegelt sich hier die Naturverbundenheit als ein zentraler Lebensinhalt wider. „Wir beobachten, wie zunehmend unsere Gäste den Bezug zur Natur verlieren. Doch der Mensch soll sich als ein Bestandteil der Natur begreifen, um daraus Energie zu tanken. Dabei wollen wir helfen“, erklärt der junge Hotelier.
Natur-Lebenspark spendet Energie
Wir sitzen in dem kleinen Wintergarten des Hotels und schauen auf eine große grüne Fläche, den Natur-Lebenspark. Der 45.000 Quadratmeter große Park wurde Anfang Juni dieses Jahres eröffnet und soll als eine „Tankstelle für Energie“ wirken. Auf einer Strecke von nur 1200 Metern erreicht der Besucher insgesamt sieben Stationen, wo er auf unterschiedlich gestalteten Sitzmöglichkeiten mit schöner Aussicht auf die Berglandschaft einen Ruhepunkt findet. Auf den Stationen ist nacheinander einer von fünf platonischen Steinen aufgestellt. Die Steine, nach dem Griechen Platon benannt, sind aus massivem weißen Granit gefertigt, ebenso eine Kugel und auf der letzten Station die Mer-Ka-Ba. „Besonders unsere Stammgäste nutzen gern diesen Park, um zu sich selbst zu finden und die Natur aufzunehmen. Mancher liest dazu ein Buch, andere beobachten die Natur“ sagt Joachim Müller.
24 Stunden Messung des Lebensfeuers
Das Projekt Lebensfeuer-Messung nach dem Konzept der Wiener GesundheitsbildungsGmbH AUTONOM HEALTH passt für den jungen Hotelchef Müller sehr gut zu all dem, wofür sich seine Familie und viele im Tal engagieren. Im Unterschied zum EKG, das die Herz-Ausschläge misst, wird mittels eines Messgerätes, das so groß wie eine Streichholzschachtel auf dem Brustkorb angebracht ist, die Herzratenvariabilität (HRV) gemessen, die Abstände der Herzschläge im Millisekundenbereich. Die rund 100.000 Herzschläge werden dann in Form einer farbigen feuerähnlichen Grafik dargestellt – daher die Bezeichnung Lebensfeuer. Der Gast füllt dann, ähnlich wie beim Langzeit-EKG, ein 24-Stunden-Protokoll aus mit allen seinen Aktivitäten, zu welcher Zeit er geschlafen, gegessen, geduscht hat.
Bei der Auswertung der Daten tritt Joachim Müller in Aktion. Anhand der ermittelten Werte gibt er seinem Gast Empfehlungen, wie er seine Gesundheit stärken kann und vor allem wie er während des Urlaubs im Kleinwalsertal mit den unterschiedlichen Wanderstrecken und auch mit seiner Ernährung seinen Rhythmus findet. „Tut es ihm gut, wenn er den höchsten Berg im Tal, den großen Widderstein mit 2536 Meter, erklimmt oder besser andere Touren plant. Es gibt viele Kleinigkeiten, die sich summieren“, erklärt Müller. „Auf jeden Fall bringen wir dem Gast seine Gesundheit näher, machen ihm seinen Körper bewusster in einer Zeit, in der alles nur nach dem Maßstab abzulaufen scheint: höher, schneller und weiter.“
Und wie ist dazu die Meinung der Ärzte im Tal? Joachim Müller verweist darauf, dass die Messung des Lebensfeuers mit einem medizinisch anerkannten Gerät erfolgt. Die gewonnenen Daten in bildhafter Darstellung liefern nicht nur für Ärzte, Apotheker und Therapeuten, sondern für alle einen Befund. Die Ärzte wurden umfassend über das Projekt informiert, das ihnen ja keine Patienten entzieht, sondern bei extremen Werten die Empfehlung ausspricht, einen Arzt aufzusuchen.
Gesundheit schwarz auf weiß messbar
Der Genussgasthof Sonnenburg ebenfalls in Riezlern liegt auf einer Anhöhe und ist ein weiterer Anlaufpunkt für das Lebensfeuer-Projekt. Hier treffe ich zwei Frauen, die sich stark für das Projekt engagieren, die Marketing-Chefin vom Kleinwalsertal Sandra Janser und die Hoteliersfrau der Sonnenburg Heike Wohlgenannt.
Hotelchefin Wohlgenannt hat im November letzten Jahres ihre Ausbildung als Professional abgeschlossen und erste Erfahrungen gesammelt. Heike Wohlgenannt ist von dem Projekt begeistert, weil es ermöglicht, die Gesundheit schwarz auf weiß messbar zu machen und den Urlaubern sehr fundierte Empfehlungen auf die Wanderwege mitzugeben. „Ausprobiert habe ich die Lebensfeuer-Messung in meiner Familie, bei meinem Mann und meinem Sohn, die beide Sport treiben und ihre Leistungen steigern konnten“, erzählt die Hoterliers-Frau. „Mittlerweile konnte ich auch schon Empfehlungen an Urlaubsgäste weitergeben, die sich nicht so fit fühlten.“
Hier erweist sich die Berglandschaft des Kleinwalsertals mit seinen drei Höhenlagen und sehr vielen unterschiedlich langen und schwierigen Wanderwegen als ausgesprochen günstig. „Wir können unseren Gästen spezielle Touren des Walser Omgang empfehlen. Das ist ein Wegenetz, zu dem acht Wege zählen, die unterschiedliche Schwierigkeitsstufen aufweisen. Sie sind aufgeteilt in Aktivieren, Balance und Regenerieren“, erläutert Marketing-Chefin Janser. Zwischen diesen Wegen kann der Urlauber sich entscheiden und sich zusätzlich auch von einem Wanderführer der im Tal ansässigen Bergschule begleitet lassen.
Im Kleinwalsertal sind übrigens zur Sommersaison insgesamt fünf (!) Buslinien unterwegs, teilweise im zehn Minuten Takt und acht(!) Bergbahnen in Betrieb. Diese Zahl ist sicherlich österreichischer Landesrekord. Ebenfalls rekordverdächtig ist die Zahl der Sitzbänke an den Wanderwegen. Die Stadtverwaltung hat 300 Sitzbänke von unterschiedlichen Größen und Formen aufgestellt, dazu kommen noch etwa 250 von Bewohnern aufgestellte Ruheplätze.
Mut zum eigenen biologischen Alter
Bei den Messungen wird aus den Messdaten auch das biologische Alter ermittelt. Die 44jährige schlanke athletisch gebaute Wanderführerin von der Bergschule im Kleinwalsertal, Mutter von drei Kindern, die nebenbei auf steilen Hängen Landwirtschaft betreibt, wurde ein Alter von 22 Jahren bescheinigt. Eine ältere Hoteliers-Gattin konnte die ersten Ergebnisse der Messung, die weit über ihrem tatsächlichen Alter lagen, kaum glauben. Sie beherzigte danach ein halbes Jahr strikt alle Empfehlungen. Und konnte dann stolz berichten, dass sie sich nach erneuter Messung wieder mit ihrem biologischen Alter verjüngen konnte. Ein bisschen Mut gehört schon dazu, sich einer Messung mit biologischer Alters-Ansage zu stellen. Vielleicht braucht mancher auch nur einen Anstoß, um gesündern zu leben.
www.kleinwalsertal.com
www.genuss-aktivhotel.com