Im Quellgebiet des Rheins

CTOUR on Tour: In der Gotthardregion der Schweiz

Hinauf zu den Quellen – Attraktiver Wanderweg im Gotthardmassiv am 5. August 2012 neu eröffnet

Mir ist’s unter allen Gegenden die ich kenne, die liebste und interessanteste, es sei nun, dass alte Erinnerungen sie wert machen oder dass mir das Gefühl von soviel zusammen geketteten Wundern der Natur ein heimliches und unbenennbares Vergnügen erregt.
Gotthard-Reisender Johann Wolfgang Goethe in seinem Tagebuch Juni 1775

Im Quellgebiet des Rheins
Im Quellgebiet des Rheins Foto: R. Keusch

Der kleine Ort Andermatt in der Gotthardregion im Schweizer Kanton Uri hat schon einige Karrieren durchlaufen. Die Weltgeschichte schaute vorbei, als der russische General Suworow mit tausenden seiner Soldaten im Jahr 1799 in der nahen sehenswerten Schöllenen-Schlucht französische Truppen unter Napoleon besiegte, woran heute ein Denkmal mit russischer Fahne und ein Museum erinnern. Als anfangs des 19.Jahrhundert der Gotthardpass fahrbar gemacht wurde, blühte der Handels- und Ferienort im Urserntal auf. Die wirtschaftlichen Rückschläge begannen mit der Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels vor 130 Jahren und später mit weiteren Tunneln. Direkt an der Wetterscheide des Gotthardmassivs gelegen, gilt das auf einer Höhe von 1447 Metern gelegene Andermatt in der Schweiz und anderswo nicht als Landschaft für Sonnenanbeter, wenn der Wind oft den Nebel und Regenwolken ins Tal bläst. Trotz all dem ist der ägyptische Multimilliardär und weltweite Investor Samih Sawiri angetreten, um hier in einem Tourismus-Resort ein Luxushotel, nebst noblen Ferienhäusern und einen 18-Loch Golfplatz zu bauen. Glanzvolle Eröffnungen vielleicht schon im nächsten Jahr. Im diesjährigen Sommer ging Andermatt erneut wieder an den Start. Dieses Mal als idealer, sehr günstig gelegener Ort, um bequem zu dem am 5. August 2012 eröffneten 4-Quellen-Wanderweg zu gelangen

Roter Leuchtturm auf der Passhöhe
Einer der Ausgangspunkte der Wanderung ist der Bahnhof in Andermatt, von dem aus die traditionsreiche Matterhorn-Gotthardbahn gemächlich bis auf 2044 Meter zur Oberalppasshöhe fährt. Hier auf dem Pass, sozusagen im Herzen der Schweiz, empfängt den Wanderer ein zehn Meter hoher roter Leuchtturm. Das vier Meter höhere Original stand 70 Jahre lang 1.230 Kilometer entfernt als Leuchtturm in Hoek van Holland an der Einmündung des Rheins und jetzt im Hafenmuseum von Rotterdam. Die Nachbildung des Leuchtturms fungiert sozusagen jetzt als Starter der ersten Etappe des 4-Quellenweges zur Quelle des Rheins.

Rheinquelle am Tomasee
Rheinquelle am Tomasee Foto: R. Keusch

Der Wanderweg ist nagelneu ausgeschildert und schlängelt sich ganz allmählich über viele Kehren noch insgesamt 300 Meter hoch. Nach der Hälfte der Strecke lässt man die Geräusche der modernen PS-Zivilisation hinter sich. Immer wieder sind kleine namenslose Bäche in verschiedene Richtungen zu entdecken. Die Schweiß treibenden Mühen des Anstiegs werden durch das Bergpanorama belohnt.

Ein Wanderweg zu vier Quellen
Mit dabei in unserer Wandergruppe ist der 67jährige Paul Dubacher, zu Hause am Vierwaldstättersee. Neben seinem Architektenbüro hat der Schweizer das Hobby, Wanderwege in seinem Land ins Leben zu rufen. Auch der 4-Quellenweg ist sein Baby. Er wollte eine hochalpine und zugleich familienfreundliche Wegstrecke kreieren, die er nach langem suchen und testen schließlich in der Gotthardregion gefunden hat. Denn nur hier konnte eine Wander-Route konzipiert werden, die die Quellen der vier Flüsse Rhein, Reuss, Ticino und Rhone erreicht, die dann wiederum in vier verschiedene Himmelsrichtungen fließen. Außerdem sind insgesamt die vier Kantone Graubünden, Tessin, Wallis und Uri einbezogen, in denen vier verschiedene Sprachen gesprochen werden.

Zehn Kilometer Wanderweg neu angelegt
Es dauerte mehr als elf Jahre, bis aus der Idee des Wanderfreaks Dubacher Wirklichkeit wurde. Von dem insgesamt 85 Kilometer langen Wanderweg mussten zehn Kilometer Weg völlig neu erstellt und bis zu 50 Kilometer verbessert werden. Da gab es viele bürokratische Hürden zu nehmen, beispielsweise, wenn für die Hauptwege die Kantone und für die Nebenwege die Gemeinden zuständig sind oder wenn bei der Wegstrecke privates Eigentum berücksichtigt werden musste. Paul Dubacher fand auch viele private Sponsoren und Unterstützer aus der Wirtschaft und der Politik, deren Engagement auch weiter gefragt ist. Schließlich hat Dubacher im Kopf, dass der jährliche Unterhalt des Weges mindestens 100.000 Franken kostet. Außerdem besteht nach wie vor das Ziel, die Route zu den vier Quellen in einem Rundwanderweg zu vollenden. Dazu fehlen immerhin noch zwei Kilometer.

Initiator Paul Dubacher
Initiator Paul Dubacher Foto: R. Keusch

Sehr zufrieden ist er damit, dass alle Teilstrecken einzeln gewandert werden können und jeder Wanderer bei allen fünf Etappen neben Wanderhütten auch Hotels erreichen kann. Der Schweizer Reiseveranstalter Swisstrail hat dazu Angebote, die übrigens auch den Gepäcktransport einschließen.

Rheinquelle hat etwas Besinnliches
Am Ende des Aufstiegs zur Rheinquelle erwartet den Wanderer ein besonderer Anblick – die Schönheit des Tomasees mit seinem klaren sauberen Wasser. Die Nennung des Tomasees als Quelle des Rheins geht auf einen Benediktinerpater zurück, obwohl vom Standpunkt der Mündungsferne, wie Fachleute feststellten, ein Quellfluss noch ein paar Kilometer länger ist. Auf jeden Fall steht der Gedenkstein für die Rheinquelle am Ufer des Tomasees.
„Es gibt schon sehr viele Anfragen aus Deutschland. An die Quelle des Rheins zu wandern, das hat gerade für viele Deutsche schon etwas Besinnliches“, erzählt Paul Dubacher beim Abstieg. „Sehr reizvoll ist diese Tour auch deshalb, weil sie komplett auf Naturwegen ohne Asphalt verläuft.“
Natürlich ist für ihn die gesamte Wegstrecke attraktiv, aber er räumt ein, dass der 4-Quellenweg beim Wanderpublikum einen Favoriten haben wird. Das ist der Abfluss vom Tomasee, die Rheinquelle.

Im Eistunnel in den Gletscher spazieren
Auf dem letzten Abschnitt des 4-Quellenweges sind 17 Kilometer zurück zu legen. Veranschlagt sind mehr als sieben Stunden Wandern, da bis zum Rhonegletscher 1600 Höhenmeter absolviert werden müssen. Am Fuße des Rhonegletschers fließt die Rhone dann aus dem See des Schmelzwassers durch die Region des Wallis, an Lyon vorbei ins Mittelmeer.

Auf dem Gotthardpass
Auf dem Gotthardpass Foto: R. Keusch

Ein krönender Abschluss, so heißt es bei den Wander-Insidern, ist die Einquartierung in das ebenfalls traditionsreiche 130 Jahre alte Hotel Belvèdère am Furkapass. Erstes Ziel sind nicht seine nostalgisch gestalteten Zimmer und das Einschlafen, sondern rechtzeitiges Wachsein, um bei Sonnenunter- und Sonnenaufgang Fotos vom Gletscher zu schießen.
Der eigentliche Star am Furkapass ist allerdings die sich auf 2300 Meter Höhe befindende Eisgrotte. Dazu wird seit 170 Jahren jedes Jahr neu künstlich ein 100 Meter langer blauer Eistunnel ins Eis des Gletschers gebohrt und Eiskammern angelegt. Im Laufe des Sommers werden dann 30 Meter des Tunnels aus Eis abschmelzen. Doch einmalig ist der Gletscher nicht allein durch die Grotte, sondern auch durch seine nähe zur Straße. Nirgendwo in Europa können Autos und Busse so nahe an einen Gletscher fahren wie an den Rhonegletscher.

Der Rhone-Gletscher
Der Rhone-Gletscher Foto: R. Keusch

Für gut Trainierte ist der Weg freundlich
Auf der Wanderskala des Schweizer Alpenvereins wird der 4-Quellenweg auf der Schwierigkeitsskala von 1 bis 6 bei 2 bis 3 eingestuft. Lakonisch wird ergänzt, der Wanderer sollte trittsicher sein, sich gut orientieren können und mit steilem Gelände klarkommen. Für den Vater des 4-Quellen-Weges, Paul Dubacher, ist es schon wichtig, dass sein Wanderweg auch ein familienfreundliches Angebot in den Hochalpen darstellt. Für Familien mit Kindern besonders aus dem Flachland ist der Weg allerdings nur freundlich, wenn alle gut trainiert sind und über Erfahrungen mit anstrengenden Wanderungen verfügen.

Infos
www.andermatt.ch
www.swisstrails.ch
www.vier-quellen-weg.ch