Es „luthert“ allmählich und schrittweise in Deutschland. Dr. Martin Luther, der große Reformator des 16. Jahrhunderts, heftete am 21. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Am 15. Mai diesen Jahres – mehr als zwei Jahre vor diesem Jubiläum – wird die erste hochkarätige Ausstellung zu diesem Thema und konkret „Luther und die Fürsten“ in Torgau eröffnet. Es geht ja auch nicht um den 500. Jahrestag eines Tagesereignisses, sondern um die gesamte Epoche der Reformation und ihre gesellschaftlichen Veränderungen.
Die sächsische Stadt Torgau an der Elbe mit dem prachtvoll restaurierten Kurfürsten-Schloss Hartenfels lädt zur Begegnung mit Luther ein: zur „1. Nationalen Sonderausstellung zum 500. Reformationsjubiläum“, wie es offiziell heißt. Diese Ausstellung wurde von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Kooperation mit dem Landkreis Nordsachsen und der Stadt Torgau konzipiert und zusammengetragen.
Prof. Dr. Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes und Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, stellte die hochkarätige Exposition auf dem 191. Tourismusfrühstück der Leipziger Touristiker vor.
Das Schwert trennt und verbindet …
„Luther und die Fürsten“: auf dem Ausstellungsposter durchtrennt das stilisierte Kur-Schwert vom Fürsten Friedrich des Streitbaren einerseits geschickt den Titel, andererseits verbindet es (s. Poster). Ein schönes Bild: denn nicht nur Luther beeinflusste mit seinen Ideen die Politik der Macht der damaligen Zeit. Auch der Hochadel wirkte differenziert positiv oder negativ mit. Man denke an die Fluchthilfe für Luther auf die Wartburg. Der politische Einfluss des in Torgau ansässigen Kurfürsten sicherte die Verbreitung von Luthers Ideen im Reichsgebiet. Evangelische Fürsten schlossen sich 1526 zum Torgauer Bund zusammen, um die Glaubensfreiheit zu verteidigen. Torgau wurde ein politisches Zentrum der Reformation.
Torgau und Luther
Von Luther, bis heute ist er ein Bestsellerautor der Spitzenklasse, lassen sich zu Torgau und seinem Schloss zahlreiche Verbindungslinien ziehen. Er hielt sich mehr als 40 Mal in Torgau auf. Hier predigte Luther und weihte auf Schloss Hartenfels die Schlosskapelle. Sie gilt als erste protestantische Kirche nach seinen Vorstellungen. In Torgau verfassten Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen die sogenannten ‚Torgauer Artikel‘, theologische Gutachten über kirchliche Zeremonien. In der Schlosskanzlei inspirierte ihn die dort angewandte Sprache für seine Übersetzungen und Schriften. Dieses sächsische Kanzleideutsch wurde von vielen Menschen verstanden.
Und noch etwas: In Torgau starb 1552 – sechs Jahre nach ihrem Gatten – Luthers Ehefrau Katharina. Sie wurde in der Stadtkirche St. Martin beigesetzt. Ein Ratsherr von Torgau hatte sie mit anderen Nonnen aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma befreit.
Spitzenexponate
Für eine derartige Sonderausstellung lüften Museen ihre Magazine und polieren manch historisch interessanten Schatz. Mit anderen Worten: der Besucher bekommt etwas zu sehen, was er sonst kaum und nicht in diesem Kontext betrachten kann. Einiges wurde aus der Ferne geholt. Für besagte Sonderausstellung sind Exponate aus Cleveland, London, Madrid, Toledo, Paris, Wien sowie aus anderen deutschen Museen dabei. 200 Exponate werden zu sehen sein, darunter Juwelen der Geschichte wie der Becher und Siegelring von Luther, historische Dokumente und als Gegenpart das Gemälde „Hofjagd auf Hirsche und Bären“ mit Schloss von Lucas Cranach d. Ä. aus dem Jahre 1540, außerdem fürstliche Kleidung und Waffen sowie kirchliche Kunst, wie die 500 Jahre alte prächtige Kopfbedeckung vom Erzbischof Albrecht von Brandenburg.
Macht zeigen
„Wir wollen im Schloss Hartenfels die Tür zur Lutherzeit öffnen“, erklärte Prof. Syndram, der Experte für historische Ausstellungen. Es sei, so versichert er, keine religiöse Ausstellung. Es geht um Macht, um Reformation nicht nur der Kirche, um Aufbruch. Gezeigt werden sollen die Wirkungen Luthers und der von ihm angeregten Reformation auf alle damaligen Lebensbereiche, der Zeitgeist des 16. Jahrhunderts, der bis in die Gegenwart hinein strahlt. In Torgau erlebt die Reformation eine Renaissance.
Luther hatte eine Medienrevolution eingeleitet. Unweit von Torgau, in Leipzig, wurden seine Ideen auf Flugblätter in großer Auflage gedruckt. Luther ist heute noch in der Sprache hörbar. Denken wir nur an seine Wortneuschöpfungen bei der Bibelübersetzung oder an seine mitunter deftigen Sprüche, die längst von unserer modernen Alltagssprache vereinnahmt worden sind. Wer kennt nicht: „Kümmere dich nicht um ungelegte Eier.“, Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“ oder „Das passt wie die Faust aufs Auge“.
Epilog des Autors
„Luther und die Fürsten“ – besser konnte der Titel für die Ausstellung nicht gewählt werden. Denn wo frische Ideen für die Gesellschaft entwickelt werden, da entsteht auch Abwehr oder Unterstützung seitens der Herrschenden. Das kennen wir alle – oder?! Die Stadt Torgau und ihr Schloss „…bilden eine authentische Kulisse für die Sonderausstellung ‚Luther und die Fürsten‘. Sie soll spannend und unterhaltsam werden“, versichert Historiker Prof. Dirk Syndram.
Tipps für den Besuch
Diese Ausstellung von Rang kann vom 15. Mai bis 31. Oktober 2015 besucht werden. Öffnungszeiten von 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen.
Eintritt für Einzelpersonen 10 Euro, ermäßigt 7,50 Euro
Besucher unter 17 Jahren haben freien Eintritt.