Von Lutz Schönfeld
„Sehr geehrte Damen und Herren, unser Flug nach Kangerlussuaq ist nun zum Einstieg bereit. Für die Verspätung vom drei Stunden bitten wir um Entschuldigung. Hier noch eine Information für unsere Anschlusspassagiere nach Kopenhagen: Sie werden Ihren Anschlussflug noch erreichen.“ So oder ähnlich lauten oft die Ansagen auf den Flughäfen Westgrönlands.
Ertragen einheimische Fluggäste Durchsagen wie diese mit nahezu stoischer Gelassenheit, so setzen sie das Blut ausländischer Touristen regelmäßig in Wallung, sehen sie doch ihre Heimreise gefährdet. Und auch in umgekehrter Richtung funktioniert die Weitereise ab Kangerlussuaq (3-Letter Code: SFJ) zum endgültigen Reiseziel oft nicht reibungslos.
Das Chaos ist vorprogrammiert. Grönlands Flughäfen sind am Limit. Ihre Wetterabhängigkeit ist extrem hoch, verfügen sie doch oft nur über rudimentäre Ausstattung. Regelmäßiger und planbarer Flugverkehr speziell an der im Vergleich zur Ostküste dicht besiedelten Westküste mit ihren unzähligen, schwer erreichbaren Siedlungen und touristischen Hotspots und mit ihren häufigen Wetterkapriolen ist nur selten möglich.
Den Flughäfen fehlt es an ausreichend langen Start- und Landebahnen sowie an modernen Landehilfen. Dabei wird der Luftverkehr dringend benötigt, sind doch viele Orte nur per Schiff, Flugzeug oder gar nur per Helikopter erreichbar. Grönland verfügt über 13 Flughäfen, aber auch über etwa 40 Hubschrauberlandeplätze.
Das hat auch die grönländische Regierung inzwischen erkannt und sich entschlossen, endlich Abhilfe zu schaffen. Bisher diente ausschließlich der weitab von jeglichen größeren Siedlungen gelegene Flughafen von Kangerlussuaq als internationales Tor zu Westgrönland.
Er verfügt als ehemaliger Militärflughafen der USA aus dem 2. Weltkrieg sowohl über moderne Anflughilfen als auch über eine ausreichend lange Start- und Landebahn. Neben Charterflügen ist hier besonders Air Greenland mit ihrem nagelneuen modernen A330-800 Neo fast täglich präsent.
Und so wiederholt sich regelmäßig dasselbe Schauspiel: kleine Propellermaschinen vom Typ Dash 8-200 von Air Greenland bringen aus allen Teilen Westgrönlands einem Hummelschwarm gleich ab dem frühen Morgen mit unzähligen Flügen Passagiere zum Drehkreuz SFJ, um nach Landung der Langstreckenmaschine aus Kopenhagen die ankommenden Gäste mit ebenso vielen Flügen wieder über Westgrönland zu verteilen.
Nicht selten bildet dann der Helikopter noch das letzte Teilstück zum Endziel.
Doch damit soll bald Schluss sein. In Grönland wird gebaut!
Bereits 2015 wurde beschlossen, die drei wichtigsten Standorte Westgrönlands mit zeitgemäßer Flughafeninfrastruktur auszustatten. Dazu wurden fünf Milliarden Dänische Kronen bereitgestellt. So wird neben der Hauptstadt Nuuk (hierhin reist mehr als die Hälfte aller Passagiere in Grönland) speziell der Touristenhotspot Ilulissat aufgerüstet. Ilulissat ist bekannt und bei Touristen beliebt wegen der Diskobucht und dem Eisfjord, UNESCO-Welterbestätten. Der Bau von jeweils 2.200 Meter langen Start- und Landebahnen (SLB) mit entsprechenden Anflughilfen ist in vollem Gange und auch die Terminalkapazitäten werden mittels Neubauten massiv erweitert und wesentlich zeitgemäßer gestaltet. Dritter Ort im Bunde ist Qaqortoq im Süden Grönlands, wo ebenso ein komplett neuer Airport entsteht, der den bisherigen, weit abgelegenen in Narsarsuaq ersetzen wird.
In Nuuk ist der Baufortschritt inzwischen deutlich sichtbar, allerdings sollte der neue Airport ursprünglich bereits 2023 eröffnet werden. Inzwischen spricht man von Ende 2024.
Der Flughafen von Nuuk liegt etwa vier Kilometer nordöstlich der Stadt. Die Bauarbeiten auf dem Territorium des bestehenden Airports begannen 2019. Es galt, Millionen Kubikmeter Gestein zu bewegen, um Baufreiheit zu schaffen für die neue SLB und das komplett neue und hochmoderne Terminal, schließlich soll der Airport international erreichbar werden.
Gleichzeitig galt es, die Belange des bestehenden Flughafens zu berücksichtigen und weiterhin einen möglichst reibungslosen Flugbetrieb zu ermöglichen. Wie so oft bei Flughafenprojekten ist nicht nur der Zeitplan sondern auch das Budget inzwischen weit überschritten. Ende 2022 wurde endlich der südliche Teil der neuen SLB eingeweiht, aktuell erfolgt der Abbruch der alten Start- und Landebahn, um danach auch den Rest der neuen SLB fertigzustellen. Auch der Rohbau des neuen, 8.000 Quadratmeter großen Terminals steht, aktuell erfolgt hier der Innenausbau.
Nuuk soll sowohl das weit abgelegene Kangerlussuaq als Gateway nach Grönland ablösen als auch dazu dienen, zusätzlichen direkten internationalen Verkehr zu ermöglichen und damit lästige Umsteigeverbindungen zu reduzieren.
Dient der neue Hauptstadtairport dann als Hot Spot und Drehscheibe für den Süden der Insel, so soll Ilulissat eine ähnliche Funktion für den nördlichen Teil Grönlands bekommen. Auch hier wird neben einer modernen SLB ein neues, wenn auch mit etwa 6.000 Quadratmetern etwas kleineres Terminal gebaut.
Die Bauarbeiten erfolgen hier allerdings auf einem komplett separaten Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Flughafen. Und wie in Nuuk wird auch hier das Terminal, ein Novum für Grönlands Inlandsflugverkehr, mit Sicherheitskontrolleinrichtungen ausgestattet werden.
Somit sind zukünftig Direktflüge aus dem Ausland nach Ilulissat ebenso möglich wie auch eine Drehscheiben- und Verteilfunktion für den nördlichen Teil der Insel. Flugzeuge in Form ihrer acht Dash 8-200 hat ja die nationale Fluggesellschaft Air Greenland dann wieder verfügbar, entfällt doch der aufwändige Zubringerverkehr im Inland von und nach Kangerlussuaq.
Last but not least Qaqortoq, wo ein komplett neuer Airport direkt am idyllischen Fjordstädtchen entsteht und der mit seiner zukünftig 1.500 Meter langen Landebahn (erweiterbar auf 1.800 Meter) sowohl die direkte Erreichbarkeit mit Dash 8-200 gewährleistet als auch den entfernt liegenden Flughafen in Narsarsuaq entbehrlich macht. Fertigstellung hier soll Ende 2025 sein.
Größere und modernere Flughäfen und einfachere Erreichbarkeit bedeuten auch mehr Touristen. So ist man sich im Land bewusst, dass auch in die touristische Infrastruktur weiter investiert werden muss, z.B. in den Bau weiterer Hotels und Restaurants. Baustellen wird man also im Land auch zukünftig noch reichlich begegnen, nur die Verspätungsdurchsagen auf den Flughäfen des Landes werden wohl signifikant abnehmen.
Fotos: Lutz Schönfeld, Kalaallit Airports International AS