Historischer russischer Dreimaster erstmals in Stralsund

Für einen Tag hat die russische Fregatte SHTANDART nach einem Besuch in Stettin zum ersten Mal am Sund festgemacht – ein maritimes Schmankerl, das Flaggschiff des Zaren Peter des Grossen. Eine Replika der Fregatte von 1703. Den ganzen Tag konnte man sie besichtigen und echtes Hanse-Feeling erleben. Oder für 150 Euro eine Woche bis als Trainee mitsegeln (www.shtandart.eu). Ein echter Traum!

Fregatte SHTANDART auf Stippvisite

SHTANDART von der GORCH FOCK (I)-Back aus gesehen
In Hängematten wird unter Deck geschlafen
SHTANDART und GORCH FOCK (I) an der Stralsunder Ballastkiste

Die Crew um Kapitän Vladimir Martus hat am Montag auch der an der Ballastkiste gegenüber liegenden GORCH FOCK (I) einen Besuch abgestattet. Am Dienstag früh hat der stolze russische Dreimaster Stralsund über die Nordansteuerung wieder verlassen Kurs Aalborg in Nordjütland.
Martus, ein echter vollbärtiger Seebär, hat die Geschichte des Großseglers kurz umrissen: Die Fregatte SHTANDART ist das erste Kriegsschiff der Russischen Ostseeflotte. Sie wurde 1703 in nur fünf Monaten erbaut, und zwar nach eigenhändigen Zeichnungen und unter unmittelbarer Teilnahme von Peter dem I. Am Fluss Swir wurde extra die Olonetskaja Werft angelegt (heute Lodejnoe Pole). Es waren insgesamt fünf Schiffe, die zum Schutz der im Newa-Delta neu gegründeten Festung Sankt Petersburg vorgesehen waren. Das größte davon war die 28-Kanonen-Fregatte SHTANDART, die zum Flaggschiff der neuen Ostseekriegsmarine wurde. Die Flotte wurde seit dem Frühling 1704 nicht nur zum Schutz der Stadt eingesetzt, sondern nahm auch an der Meerestiefen-Vermessung für den Festungsbau von Kronstadt teil.
Die erste Schlacht, an der die SHTANDART teilnahm, schlug sie 1705 bei der Abwehr schwedischer Angriffe auf St. Petersburg. 1711 wurde das Schiff bereits reperaturbedürftig, denn es war wegen der Kürze der Bauzeit aus nicht getrocknetem Holz gebaut worden. Planken und Spanten mussten daher teilweise ersetzt werden. Das runderneuerte Schiff diente noch bis 1719 und bekam dann nach Peters Befehl, es „ewig aufzubewahren, als der Flotte Erstgeborenes und der Schiffsbaukunst ein Denkmal“, einen Liegeplatz als Museumsschiff im Kronwerk-Kanal. Ohne Pflege nagte der Zahn der Zeit an den dort liegenden Schiffen. Als 1727 eine nach dem Befehl von Katharina I. einberufene Kommission die Schiffszustände geprüft hatte, wurde beschlossen, die SHTANDART an Land zu ziehen und zu reparieren. Sie war aber schon dermaßen beschädigt, dass die Schlepptaue sie praktisch durchschnitten und in Stücke zerfallen ließen. Die historische SHTANDART wurde schließlich demontiert. Schließlich gab es einen Erlass: „Zum Gedenken seines Namens, von Seiner Majestät Peter I. gegeben, ein neues anzulegen und zu bauen“. Dieser Erlass blieb aber bis in die jüngste Zeit unerfüllt, und den Namen SHTANDART trugen nur die Zarenyachten.
Eine Gruppe von Enthusiasten aus St. Petersburg hatte 1994 die Idee, das erste Schiff der Baltischen Flotte nachzubauen. Das Projekt sollte auch Interesse bei jungen Leuten für die russische Seefahrt und Marinegeschichte wecken. Innerhalb von sechs Jahren wurde die Fregatte SHTANDART an den Ufern der Newa nachgebaut. Zu den heutigen Aufgaben des Projektes zählen vor allen die Vermittlung von Seemannschaft, Führungsqualitäten und Teamgeist sowie internationalen Kontakten. Der Bauplan, selbst entworfen von Kapitän Vladimir Martus, teilte das Schiff in zwei Zonen: die historische (über dem Kanonendeck) und die moderne (im ehemaligen Laderaum). Wo zu Peters Zeiten Wassertonnen, Ankertaue, Kanonenkugeln und Schwarzpulver aufbewahrt wurden, ist heutzutage alles Lebensnotwendige untergebracht, d.h. zwei Dieselmotoren je 560 PS, ein Elektrogenerator, Wasserpumpen, Wassertanks sowie Kombüse, Messe und Kojen.
So originalgetreu wie möglich nachgebaut wurden auch Masten, Tauwerk, Kanonen, Ankerwinde, Holzschnitzereien, Steuerrad, Treppen und Luken. Eine echte maritime Augenweide nicht nur für Schiffsliebhaber. Die heutige SHTANDART – der realisierte Traum von einst.

Infos: Typ: Dreimast-Fregatte, 28 Kanonen; Baujahr: 1703/2000;
Tonnage: 220 t; Länge: 34,5 m; Breite: 6,9 m; Tiefgang: 3,3 m;
Höhe Großmast: 33 m; Decks: 3; Maschine: 2x 420 kW Volvo Penta;
Geschwindigkeit: 11 kn (max.), Segelfläche: 620 qm;  Crew: 40 (1703: 120)

Zwei Crew-Mädels neben dem Steuerruder
Eine der 28 Kanonen auf dem Hauptdeck