ZU GAST BEIM PORTUGIESISCHEN LANDADEL

CTOUR on Tour
Die staatlichen Paradores in Spanien oder die Pousadas in Portugal sind ein inhaltlich fest umrissener Begriff. Die Adelsgüter „Solares“ im Norden-Portugal hingegen haben inoffiziellen Charakter. Um die historischen Gemäuer entsprechend erhalten zu können, stellen Adelsfamilien und wohlhabende Weingutbesitzer ihre „Wohnjuwelen“ Gästen zur Verfügung. Im Gegenzug hoffen die Herrschaften auf niveauvolle Gäste, internationalen Austausch, auf Menschen, die das Flair der weiten Welt in ihr abgeschiedenes Paradies bringen.

Britande ist kleines aus der Welt gefallenes Dörfchen mit 900 Einwohnern am Rande von Lamego. Die Geschichte dieser kleinen Stadt reicht bis in die Römerzeit. Die viele Jahrhunderte dauernde kirchliche Vorherrschaft hat zahlreiche sakrale Bauten entstehen lassen. Ein Blick durch das schmiedeeiserne Tor vom Casa Santo Antonio de Britiande lässt ahnen, welch ein Pflanzenparadies mich erwartet.

Hochgelobte Gartenarchitekten schufen lauschige Ruheoasen unter jahrhundertalten Bäumen. In allen Farben blühen englischen Teerosen. Jede dieser alten Sorten hat ihren speziellen Duft. Unwillkürlich kommt mir beim Spazieren auf den hellen Kieswegen der etwas verstaubte Begriff vom „Lustwandeln“ in den Sinn. Der breite, in Kugelform getrimmte Lavendel wird von meterhohen, silbergrauen Artischockenbüschen überragt.

Senhora Ana Maria Pinto Ribeiro liebt, ob Villa oder Garten, die Gestaltung. Gäste durch den Park zu führen, macht sie glücklich. Charmant plaudert sie über ihre „Philosophie“. Für sie ist es kein Ziel, ausgebucht zu sein. Sie liebt die Ruhe, und strahlt sie aus. Blühzeiten und Ernte kennt sie von jeden Baum, von jedem Strauch.

Am Ende der Einführung in ihr Pflanzparadies klappt sie die Liegestühle auf. Prüft die Temperatur im Pool und huscht um ein dickes, selbst mit Lavendel aus eigenen Anbau gefülltes Duftkissen, für den Rücken der Gäste ins Haus.

Sollten Sie einen Halbtagsausflug zur barocken Wallfahrtskirche Santa Cruz in Lamego mit dem Ziel planen, die 613-Treppenstufen zu erklimmen, dann empfiehlt es sich, im Anschluss daran auf einem der lauschigen Steinbänkchen im Park von Casa Santo Antonio Platz zu nehmen. Das kühle Glas Weißwein aus der hauseigenen Kellerei wird den Genuss ganz sicher verstärken.

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Ponte de Lima

Ob die Stadt ihren Bekanntheitsgrad der schmucken Altstadt verdankt, den römischen Brücken und vorgeschichtlichen Ausgrabungen, oder sich durch die Geschichten unzähliger Jakobswegpilger einen Namen gemacht hat, lässt sich schwerlich beantworten. Unerwartet war für mich die Beschallung an der römischen Brücke. Vom ersten bis zum letzten Schritt tönte eine Mischung von Marsch/Walzer aus den alle zehn Meter installierten Lautsprechern. Ob dies müde Pilger munter machen oder die Mücken abschrecken sollte, konnte mir niemand verraten.

Etwa vier Kilometer vom Ortskern entfernt steht inmitten von Weinbergen das Herrenhaus Calheiro. Wer sich mit dem Auto durch das beängstigend schmale Tor traut, gelangt auf die von Magnolienbäumen gesäumte Einfahrt. Ihn erwartet eines der schönsten Herrenhäuser Portugals. Wer nun glaubt, hier gäbe es eine Rezeption, der irrt. Kein Tresen und kein Klingelkopf. Auf mehrfaches Rufen erscheint der Graf Calheiro. persönlich. Welche Räumlichkeit man beziehen wolle? Die Auswahl sei groß, antwortete er und bot sich an, durchs Schloss zu führen. Vorbei an vier Salons mit riesigen Kaminen, langen Tafeln und in Kastanienholz getäfelten Speisezimmern.

Der Jakobsweg spielt über Jahrhunderte eine entscheidende Rolle für das Grafengeschlecht. Selbst im Familienwappen finden sich die Jakobsmuscheln. Vor allem wohlhabenden amerikanischen und australischen Pilgern scheint das Anwesen ein Begriff zu sein. Agenturen haben besondere Pilgerprogramme entworfen. „Jakobspilgrimtour light“. Das schwere Gepäck wird von einer Nobelunterkunft zur nächsten transportiert. Die Begleitpersonen fungieren als „Pilgram-Nurses“. Sie versorgen ihre Pilgerschützlinge mit Getränken, mit Heftpflastern und manchmal auch haken sie erschöpfte Pilger unter, und bringen sie über die letzten Meter.

Das Casa de Caheiro ist der Auftaktort. Der imposanteste, so wurde mir versichert. Das Abendessen mit dem gutaussehenden, charmanten Conte, der die Damen mit einem zart hingehauchten Handkuss begrüßt, bleibt der Damenwelt unvergesslich. An einer langen Tafel vor knisterndem Kamin sitzt an der Stirnseite Conte Francisco. Er hebt sein Glas, gefüllt mit den feinsten Tropfen deines Weingutes, und gibt die sechshundert Jahre alte Familiengeschichte zum Besten. Zum Schluss erwähnt er, die Pferden die zum reiten bereit stünden, den fabelhaften Innen und Außenpools und noch mehr. Außerdem bedaure er es sehr, dass die Herrschaften aus Zeitmangel nicht alles wirklich nutzen könnten. Stolz erzählt er, dass die Vermarktung der Herrenhäuser in Nordportugal auf seinem Konzept beruhe. Und dass er sich noch heute freue, gegen den Widerstand seines Vaters die kostenintensiven Renovierungsarbeiten nicht gescheut zu haben.

Von Mai bis Oktober findet das Festival Internacional de Jardins de Ponte de Lima statt, eine seit 2005 ausgerichtete internationale Gartenschau mit wechselnden thematischen Ausrichtungen.

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Guimarães

Die meisten Historiker nicken, wenn die mittelalterliche Stadt Guimarães (35 000 Ew.), eine knappe Eisenbahnstunde nördlich von Porto gelegen, als „Wiege der Nation“ bezeichnet wird. Portugals erster König Alfonso Henriques wurde in den stimmungsvollen Mauern der kleinen Stadt um 1109 geboren. Damals war Guimarães bereits Hauptstadt der Grafschaft Portucale. Nach dem Sieg Alfonsos über die Mauren 1140 machte der junge König Guimarães zur Hauptstadt seines Königreiches.

Obwohl das alles lange her ist, ist die Geschichte Portugals in dem Gewirr aus engen Gassen und Gässchen mit den Händen zu greifen. Die gesamte Altstadt wirkt wie eine ausgedehnte Puppenstube, klein, fein und vorbildlich restauriert. Kein Wunder, das Guimarães im Jahre 2012 Kulturhauptstadt Europas sein durfte. Das hat die kleine Gemeinde noch einmal richtig aufgehübscht.

Die wohl älteste Straße der Stadt, die Rua de Santa Maria, führt vom Castelo, der mächtigen siebentürmigen Burgruine, zum zentralen Platz, dem Largo da Oliveira („Ölbaumplatz“). Hier muss die schöne Geschichte vom westgotischen Fürsten Wamba erzählt werden., der gerade bei Pflügen war, als ihm die Königswürde angetragen wurde. Eigensinnig, wie der Fürst war, wollte er sie nur annehmen, wenn sein Pflug Blüten treiben würde. Sogleich schossen die Blätter eines Ölbaums aus dem Pflug. Wohl oder übel nahm Wamba die Krone an!

In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1376 gerade mal zweihundert Jahre nach wirken des ersten Königs , taucht zum ersten mal in einer Urkunde der Name „Casa de Sezim“ auf.

Sie bezeugt, dass Graf Alfons Martins, für treue Taten und in der Hoffnung auf weitere gute Taten, vom König Ferdinand dem Schönen, der letzte aus dem Hause Burgund, das Anwesen  Sezim überschrieben bekam. Seit diesem Zeitpunkt ist es im Besitz der ein und derselben Familie.

Das Gut erstreckt sich über 75 Hektar Wälder, Weinberge und Gemüsegärten. Der-Gärtner hat ein Hobby: längst vergessene Samen zu kultivieren. Mit großem Spaß zeigt er schwarze Tomaten und noch schwärzere Karotten. Der Gemüsegarten ist für alle Arbeiter und ihre Familien frei zur Verköstigung.

Conte José Paulo Pinto de Mesquita legt Wert auf ein familiäres Betriebsklima.

Vom einstigen Snobismus einer Gräfin beispielsweise, die ihre gesamte Mitgift in schon damals fast unbezahlbare Wandtapeten für die Gemächer steckte, (wie sie übrigens auch Jacky Kennedy in den Sechzigern für das Weiße Haus orderte), fehlt bei ihm jede Spur.

Sein kleiner Hund Goody ist der Liebling des Hauses. Er läuft den Gästen in der Einfahrt entgegen, und weicht dem Conte beim Dinner in der Bibliothek keinen Zentimeter „von der Pelle“.

Der Hausherr kümmert sich am ersten Abend persönlich um seine Gäste. Gesprächig und sichtlich erfreut schenkt er vor dem Kamin grünen Wein (Rota das Vinhos), aus eigener Kellerei ein. Das dreigängige Abendessen besteht aus einer Gemüsesuppe aus dem Garten, dem Hauptgericht mit Bacalao-Fischauflauf (wie überall in Portugal) und zum Abschluss gibt es frischen Apfelkuchen.

Die Atmosphäre ist ungekünstelt und entspannt. Am späteren Abend machen die Gäste eine Strichliste für den Wein, den sie nach der Verabschiedung des Hausherrn konsumieren. Und sie wissen auch, wo der beste Portwein steht. Man legt noch ein paar Scheite Holz nach und plaudert über die schönsten Wanderungen und besten Entdeckungen in der Umgebung.

Die Meinung ist einhellig: „Drei Tage sollte man sich schon gönnen.“ Zufrieden geht es dann spätabends in die viktorianisch Schlafräume, und in die mit einem Baldachin überdachten Betten.

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Fotos: Veronika Zickendraht