Martin Luther blieb zeitlebens eng mit der Stadt und der Burg verbunden
Martin Luther 2017 allerwegen. Und allerorten. In repräsentativen Ausstellungen und in neuen Büchern, in Lobpreisungen von der Kanzel und Würdigungen in Festsälen, auf wissenschaftlichen Konferenzen und theologischen Seminaren. Luther in Vergangenheit und Gegenwart, würdigend und in kritischer Auseinandersetzung. Die einen sehen ihn als Reformator, Rebell, Sprachschöpfer, Revolutionär, andere als Ketzer, Zerstörer, Barbar, Fürstenknecht, vorrevolutionären Denker gar.
Luther soll in seiner Vielfalt dargestellt werden, der Mann, der die europäische Geschichte tief geprägt hat. Dennoch: Bis heute reiben und scheiden sich die Geister an Luther.
In drei Städten in Deutschland finden zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags nationale Sonderausstellungen statt. In Wittenberg führt der Weg von der Schlosskirche in neuem Glanz ins Augusteum zum authentischen Ort der Tischgespräche…Und zum Projekt LUTHER! 95 SCHÄTZE – 95 MENSCHEN, wie hat der Mann bekannte und weniger bekannte Nachfahren beeinflusst.
Im Martin-Gropius-Bau Berlin zeigt der LUTHEREFFEKT die weltumspannende Wirkungsgeschichte des Protestantismus…
Und Eisenach? Hier steht die Stadt und die Wartburgregion ganz im Zeichen Luthers, dessen Leben und Wirken so eng diesem Land verbunden ist. Auf einer Pressekonferenz in der Thüringer Landesvertretung in Berlin stellten Vertreter der Stadt ihre umfangreichen Vorhaben für das Jubiläumsjahr vor: die Bürgermeisterin Katja Wolf, Heidi Günther (Eisenach Wartburgregion Touristik), Pfarrer Stephan Köhler, Andreas Volkert (Wartburg), Dr. Jochen Birkenmeier (Lutherhaus) und Dr. Jörg Hansen (Bachhaus).
Eisenach will diesen Mann in seiner Zeit zeigen und zugleich lebendig werden lassen. Ohne die Stadt in ein Lutherdisneyland zu verwandeln, Luthers Wirken soll durch Fäden in die Gegenwart führen, so die Bürgermeisterin Katja Wolf.
Luthers Denkzettel
Die Wartburg, schon heute mit 350 000 Besuchern die meistbesuchte Lutherstätte weltweit, bereitet sich auf weitere wissensdurstige Besucher vor. Die Burg wird dann überall mittelalterliche Atmosphäre ausstrahlen – vom Pallas bis zur Kapelle. Als Lateinschüler ist Martinus Luder vom Hause der Frau Cotta den Berg hinauf zur Burg gewandert, als Gefangener des Kurfürsten wurde er hierher entführt, hier soll er den Teufel mit dem Tintenfass vertrieben haben. Und hier fand er als Junker Jörg Zeit und Muße in nur elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen in ein damals geläufiges Deutsch zu bringen. Seine heute noch gültigen Wortschöpfungen springen ins Auge: Lästermaul, Denkzettel, Lückenbüßer, Herzenslust, die Perlen vor die Säue werfen…
Die Spur, die Martin Luther in der Geschichte hinterlassen hat, zeigt die Ausstellung (ab 4. Mai) LUTHER UND DIE DEUTSCHEN. Sie belegt einerseits, wie die Bibelübersetzung zur nationalen Herausbildung beigetragen hat, und wie der fromme Mönch gegen Rom und die Kurie wetterte, und welche Reaktionen sein Rebellieren im Heiligen Römischen Reich auslöste. Und wie sich die Auslegung der Bibel nach Luther weltweit auswirkte: Messe statt lateinischer Rituale, singende Gemeinde (auch nach Luthers Texten), Pfarrhaus mit Frau und Kindern…
Ein weiterer Ausstellungsteil zeigt, wie Luthers unmittelbare Hinwendung und Glaube an Gott unterschiedliche Deutungen in der deutschen Geschichte zuließ: Religion als Kriegsgrund, Luther als Gewährsmann der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten…
Luther aus katholischer Sicht
Das Lutherhaus, eines der ältesten Fachwerkhäuser Thüringens, zeigt weiterhin „Luther und die Bibel“. Seit Herbst 2015 das Haus nun erweitert und in altem/neuen Gewand, endlich auch aus alt-musealer Sicht befreit und lebendig offen. Beispiele aus Luthers Übersetzung machen auch jungen Menschen deutlich, wie unsere Sprache somit bereichert wurde. Auch das dunkle Kapitel der antisemitischen Äußerungen wird nicht ausgespart.
Die Sonderausstellung „Ketzer, Spalter, Glaubenslehrer – Luther aus katholischer Sicht“ (ab April) beleuchtet, wie die Katholische Kirche seit 1517 den Mann einst gesehen hat und heute sieht. Er wird heute als bedeutende Figur der Kirchengeschichte und als Religionsstifter anerkannt.
Eine feste Burg
Luther und Bach standen sich nahe, wenn auch historisch durch genau zwei Jahrhunderte getrennt. Johann Sebastian ward in der Kirche St. Georg getauft, in der Luther gepredigt hatte, beide besuchten die Lateinschule zu Eisenach, beide sangen in der Kurrende, dem Kinderchor der Georgenkirche. Johann Sebastian Bach wurde ein zutiefst lutherisch geprägter Komponist.
Im Bachhaus zeigt die Ausstellung BACH UND LUTHER (ab 28. April) diese enge Verbindung anhand der 14 Luther-Kantaten. Als Beispiel mag hier die Vertonung von Luthers „Eine feste Burg ist unser Gott“ gelten. Ein audiovisuelles Chorprojekt macht diese Kongenialität akustisch erlebbar.
Einen weiteren Beleg für die Geistesverwandtschaft zeigt die Buchsammlung „Bachs theologische Bibliothek“. Die fast 100 Bände, die erstmals so präsentiert werden, zeigen wie sich der Musiker mit Luthers Theologie und der Kirchengeschichte beschäftigte.
In der Georgenkirche, in der mehrere Generationen aus der Bachfamilie als Kantoren und Organisten tätig waren, finden das ganze Jahr über Orgelmusiken, Chor- und Orchesterkonzerte statt. Zu einer Predigtreihe „Das Wort sie sollen lassen stahn…“ sind prominente Prediger eingeladen. Ausgangspunkt für diese Redefolge ist, dass im Jahre 1940 Bibelworte aus dem Alten Testament, angebracht an den Emporen, getilgt und überschrieben wurden, weil sie auf jüdische Wurzeln des Christentums zurückgingen.
Luther auf der Bühne
Auch das Eisenacher Landestheater kann mit einigen Überraschungen aufwarten. Erneut im Programm das erfolgreiche Musical „Luther – Rebell wider Willen“, die Tanzkompanie beteiligt sich mit dem Ballett „Re:formation“. Das Stück „Ablass“, anknüpfend an Luthers Anprangern des Ablasshandels, um sündenfrei weiter zu leben, soll jüngere Zuschauer anlocken, und sie auch zur Auseinandersetzung mit dem Missbrauch der Religionen einladen.
„Die Gegend ist überherrlich…“
„Wandern auf Luthers Spuren“ ist der diesjährige Deutsche Wandertag (26. – 31. Juli) überschrieben, der rund 30 000 Gäste aus allen Teilen des deutschen Wanderlandes in Stadt und Region bringt. Angelehnt an die 95 Thesen stehen 95 geführte Wanderrouten zwischen Eisenach, Rennsteig, Hainich und der Rhön im Einladungsprogramm. Eingeschlossen sind dabei Luthers Stationen im Wartburgkreis, so das Städtchen Möhra, dem Stammhaus der Familie Luder und der Ort im Glasbachgrund, an dem der vogelfreie Mönch in Schutzhaft genommen wurde und zur Wartburg entführt wurde…
Das Wandern durch die dichten Buchenwälder, über die sonnenüberfluteten Wiesen, durch die wildromantischen Schluchten sollen den Freunden auf flotten Beinen erlebnisreiche Tage bringen, denn „die Gegend ist überherrlich“, wie schon Wanderfreund Goethe bekannte.
Eine Sonderausstellung im Eisenacher Stadtschloss „Wanderlust oder die Sehnsucht nach dem Paradies“ (ab 1. Juli) wird nicht nur die Wanderfreunde erfreuen. Die lebendige Kulturgeschichte des Wanderns seit über 200 Jahren breitet sich vor dem neugierigen Betrachter aus: originale Wanderschuhe und -kluften der Naturfreunde und des Wandervogels, Bilder aus den Urzeiten der Fotografie, alte Einladungen zu Wandertreffs, Handschriften der Altvorderen, Lieder für Unterwegs, Prosa und Lyrik der Schriftsteller und Dichter, wo natürlich Goethe wieder nicht fehlen darf: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen“.
Eisenach im Lutherjahr 2017. Die Stadt fühlt sich herausgefordert. Sie ist gerüstet und freut sich auf die Gäste aus dem In- und Ausland. Und wenn der Tourist und Wanderer den Weg von der Wartburg bergab zum Predigerkloster wählt, hat er einen guten Blick auf die Stadt, so wie Luther einst: „In Eisenach sitzt fast meine ganze Verwandtschaft und ich bin daselbst bekannt und … angesehen… Keine andere Stadt kennt mich besser.“
Weitere Infos:
www.eisenach.info
Fotos: Günther Wolfram