Taiwan – „The heart of Asia”
Henry ist super-pünktlich. Als wir 30 Minuten vor Plan nach einem 13,5-Stunden-Flug in Taipeh landen, steht er 5.30 Uhr Ortszeit gutgelaunt am Ankunftscounter.
Der Flughafen der taiwanesischen Hauptstadt hat sich in den vergangenen zehn Jahren rasant zu einem der Drehkreuze Asiens entwickelt. Von hier geht es weiter nach Tokio, Hongkong, Brisbane, Adelaide, Bangkok, Singapore, Peking. Und natürlich auch Ziele Richtung Nord- und Südamerika sowie Europa stehen zuhauf an der Anzeigetafel.
„Taiwan – theheartofAsia“. Dieser offizielle Werbeslogan prangt uns überall am Flughafen entgegen. Und er wird uns von jetzt an eine Woche lang im ganzen Land begleiten.
Bild oben: Taipeh, die Hauptstadt Taiwans, mit dem 509 Meter hohen Wolkenkratzer „Taipei 101“. Er wurde in Form eines Bambusrohrs errichtet und bietet eine imposante Aussichtsplattform.
„Wir wollen das Beste aus allen Welten nach Taiwan holen“,
klärt uns Henry gleich zu Beginn über die Philosophie der Insel auf. Sein Englisch ist makellos, nicht selbstverständlich für einen Taiwanesen oder auch Chinesen.
„Stellt Euch eine Süßkartoffel vor, eine solche Form hat Taiwan auf der Landkarte“,
macht Henry einen anschaulichen Vergleich. Auch gut, bisher dachte man immer an die Form eines Wales. Henry ist sichtlich stolz: auf seine Heimat, auf sein entwickeltes Land, aber auch darauf, dass er die „Germans“ führen darf.
Touristen sind gern gesehen in Taiwan. Zwar kommen jede Menge Festlandchinesen, allerdings fallen sie nicht immer angenehm auf: oft in großen Gruppen mit bis zu 100 Menschen unterwegs, sind sie: fast immer etwas zu laut, fast immer etwas zu fordernd, fast immer etwas zu unaufmerksam. Europäer dagegen, insbesondere Deutsche, sind überaus willkommen. Es sollen mehr werden.
Wir fahren ins Zentrum der Hauptstadt, nach Taipeh. Was sofort auffällt: eine moderne, üppig ausgebaute Verkehrs-Infrastruktur, ein geordnetes öffentliches Leben, in dem etwa die Ampelphasen für Autos und Fußgänger in Sekunden angezeigt werden, Zusteigende in den U-Bahnhöfen exakt an markierten Einsteigelinen stehen, die Sauberkeit im öffentlichen Raum fast perfekt ist und – Massen von Menschen.
Taipeh, im Norden des Landes, ist für seine geschäftigen Nachtmärkte, das Nationale Palastmuseum mit chinesischer Kunst aus der Kaiserzeit sowie den 509 Meter hohen Wolkenkratzer „Taipei 101“ bekannt. Er wurde in Form eines Bambusrohrs errichtet und bietet eine wirklich imposante breite Aussichtsplattform.
Die Fahrt hinauf bewältigt der „schnellste Lift der Welt“ in nur 46 Sekunden. Schnelligkeit und Effizienz sind zwei Stichworte, ohne die das öffentliche Leben dieser Sechs-Millionen-Metropole nicht funktionieren würde.
Das U-Bahn-System ist leistungsfähig, das Ein- und Aussteigen passiert durch die genannten Markierungen auf den Bahnsteigen reibungslos und in 30 Sekunden sehr schnell. Die Taktung der Züge ist hoch, auf den meisten Linien rollt alle zwei bis drei Minuten ein Zug.
„Viel gelernt von Japan“, erklärt Henry.
Schilder verbieten essen, trinken, Kaugummis kauen und Tiere in der Metro.
„Viel gelernt von Singapur“, schmunzelt Henry.
Da ist es wieder: In Taiwan ist man offen für Neues. Und die guten Dinge dieser Welt übernimmt man gern.
Bei den Unterkünften hat der Besucher die Qual der Wahl.
Wer „einmal im Leben“ Fünf- Sterne-Luxus wünscht, ist in Asien richtig. Und in Taiwans Städten sowieso.
Ob in Taipeh, in Tainan, in Taichung oder in Kaoshiung: für umgerechnet 120 bis 180 Euro übernachten zwei Personen im großen Doppelzimmer mit jeglichem Komfort. Das wäre in Europa und Amerika auf diesem Komfortlevel so nicht möglich.
In Taiwan kommt eine Besonderheit hinzu: Weil das Land, ähnlich wie Japan, häufig von Erdbeben heimgesucht wird, gelten in allen öffentlichen und privaten Gebäuden, also auch in Hotels, besondere Sicherheitsstandards. „Dieses Haus ist erdbebensicher gebaut. Im Fall eines Erdbebens gehen Sie bitte nicht ans Fenster, sondern in die Mitte des Raumes. Meiden Sie die Nähe zu großen Schränken und Einbauten und benutzen Sie keinesfalls die Fahrstühle.“ Diesen Merkzettel kennen alle Taiwanesen auswendig – und Touristen nach drei Tagen ebenso.
Die Speisen in Taiwan sind typisch asiatisch, wenn auch weniger scharf. Natürlich gibt es in den Restaurants die bekannten Drehtische. Alle Teller und Schüsseln mit viel Gemüse, Fleisch, Süßkartoffeln, Obst, Teigwagen kommen drauf und jeder isst von allem. Sehr praktisch für kulinarische Entdecker. Allerdings: Je nach Restaurant unterscheidet sich die Qualität des Gereichten doch erheblich. Fast immer gut und sehr geschmackvoll isst jeder Einheimische und Besucher auf den Nachtmärkten. Was dort alles gekocht, gegrillt, frittiert wird, ist für europäische Augen und erst recht Gaumen gewöhnungsbedürftig. Aber nur Mut! Frittierte Heuschrecken sind nicht jedermanns Sache, allerdings wegen ihres Proteins gesund und eiweißhaltig. Gesundheitlich unbedenklich und jederzeit sicher ist das Essen auf Taiwans Nachtmärkten und Straßenküchen sowieso. Auch das ist bekanntlich nicht überall selbstverständlich in Asien.
Nach fünf Tagen haben wir die Westküste einmal komplett abgefahren, kommen an der südlichen Spitze in Kaohsiung an. Kaohsiung ist eine große Hafenstadt und die zweitgrößte der Insel. Hier stehen viele Wolkenkratzer wie der 248 Meter hohe Tuntex Sky Tower – und es gibt zahlreiche Parks. Das Zentrum bildet der Liebes-Fluss mit Spazierwegen und Cafés am Ufer sowie Ausflugsbooten auf dem Wasser. Die Einkaufsmöglichkeiten reichen von eleganten Malls bis zum Liuhe- und Ruifeng-Nachtmarkt.
Auch hier pulsiert die Stadt, obwohl es Sonntag ist. Viele Familien sind auf den Straßen und in den Freizeitparks unterwegs.
Trotz der Massen: Auch hier ist die Atmosphäre der Menschen sehr freundlich untereinander. Kinder pusten Seifenblasen durch den Wind, Familien bereiten Picknicks vor, Autos schleichen entspannt durch die Stadt.
Am späten Nachmittag besteigen wir einen der 300 Stundenkilometer schnellen Expresszüge. Er bringt uns in nur 90 Minuten einmal zurück nach Taipeh an die Nordspitze Taiwans. Insgesamt 30 Hochgeschwindigkeitszüge befahren die 345 Kilometer lange Neubaustrecke entlang der Westküste Taiwans von Zoujing nahe der südlichen Metropole Kaoshiung nach Taipeh. Sie ist mit 15 Milliarden US-Dollar eine der teuersten Hochgeschwindigkeitsstrecken der Welt, da die Strecke gegen natürliche Einflüsse wie Erdbeben, Überflutungen und Taifune überwiegend als Viadukt errichtet wurde.
247 Kilometer der Strecke sind als Viadukt erbaut, wobei die Pfeiler etwa 100 Meter tief im Erdboden verankert sind. Weitere 65 Kilometer verlaufen in Tunneln und nur 33 Kilometer sind eben verlegt. Ausgelegt ist die Strecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h. Es gibt zwölf Bahnhöfe, zwei Depots, zwei Wartungsstandorte und eine Hauptwerkstatt. Die Streckensignalisierung und die Oberleitung sind von den japanischen Hochgeschwindigkeitsstrecken übernommen worden. Henry schmunzelt noch einmal:
„Das Beste aus aller Welt.“
Am Abend startet unser Direktflug mit China Airlines von Taipeh zurück nach Frankfurt. Alle Maschinen nach Europa und Amerika haben in dieser Nacht eine Stunde Verspätung, Grund sei ein Hurrican in Flughafennähe, erfahren wir.
Das bringt hier niemanden aus der Ruhe, die freundlichen Taiwanesen gleich gar nicht!
FOTOS: Taiwantourismus.de
Inselstaat mit hippen Cities und viel Natur
Taiwan ist ein kleiner Inselstaat, 180 km östlich von China.
Die Insel ist 394 km lang, die maximale Breite beträgt 144 km.
Auf einer Fläche von 35.800 Quadratkilometern leben etwa 23 Millionen Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist mit 642 Einwohnern pro Quadratkilometer um einiges höher als in Deutschland.
Das spürt man allenthalben: durch quirliges Gedränge auf den Straßen durch Enge in den Gassen der Stadt, durch viele Staus auf den Straßen, durch volle U-Bahnen.
Allerdings: Unfreundlich wird es nie! Die Menschen gehen sorgsam miteinander um – Ausländern gegenüber noch einmal besonders freundlich. Man lässt sich den Vortritt auf Rolltreppen, an Einkaufstüren, in Verkehrsmitteln. Autofahrer lassen einfädeln.
Für Fußgänger an Übergängen zu halten, ist geübte Praxis. Auch das ist nicht selbstverständlich mitten in Asien.
Die Städte an der Westküste Taiwans gehen oft nahtlos ineinander über. In den modernen Citysfinden sich immer wieder diverse Wolkenkratzer und überbordende teils 12-spurige Verkehrsschneisen.
Aber ebenso viele Ruheoasen: üppige, weitläufige Parkanlagen, viele Grünflächen, kleine Sportplätze in jedem Stadtbezirk. Ebenso traditionelle chinesische Tempel, auch Thermalquellen- resorts und eine vielfach dramatische Berglandschaft.
Taiwan verfügt auf einer Größe von Baden-Württemberg über zwei Klimazonen. 200 Gipfel über 3.000 Meter prägen ebenso die Insel wie Steilküsten, Regenwälder, Reisfelder oder tropische Strände. Über 50 Prozent Taiwans sind bewaldet, weite Strecken an der Ostküste mit Bergketten durchzogen. Hunderte Kilometer an Wander- und Fahrradwegen und ein gut ausgebautes Straßennetz erschließen diese Naturschätze.
Hippe Millionenstädte wie Taipeh, Tainan oder Kaohsiung an der Westküste bieten mit ihrer modernen Architektur und Kunst sowie einem vibrierenden Nachtleben die urbanen Gegenpole.