EU-KOMMISSION: LEITLINIEN FÜR SICHEREN TOURISMUS

CTOUR-Informationen aus Brüssel zur Wiederaufnahme von Reisen und Wiederankurbelung des europäischen Tourismus

Die EU-Kommission hat am 13. Mai 2020 ein Paket mit Leitlinien und Empfehlungen vorgelegt, um die Mitgliedstaaten bei der schrittweisen Aufhebung von Reisebeschränkungen zu unterstützen und es der Tourismuswirtschaft zu ermöglichen, unter Einhaltung der notwendigen Gesundheitsschutzmaßnahmen nach monatelangen Ausgangsbeschränkungen wieder den Betrieb aufzunehmen.
Das Paket soll auch dazu beitragen, dass sich die Tourismusbranche in der EU von den Folgen der Pandemie erholt. Dafür werden die Unternehmen unterstützt und es wird sichergestellt, dass Europa auch weiterhin ein Hauptreiseziel bleibt.

Die Kommission möchte dafür sorgen, dass die Menschen die Möglichkeit haben zu reisen und dies mit einem Gefühl von Vertrauen und Sicherheit tun können. Dazu sollen folgende Maßnahmen beitragen.

Auf Sicherheit bedachte Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen und Wiederherstellung der Freizügigkeit:

Die Freizügigkeit und Auslandsreisen sind für den Tourismus von zentraler Bedeutung. Sobald es den Mitgliedstaaten gelingt, die Verbreitung des Virus einzudämmen, sollten pauschale Beschränkungen der Freizügigkeit durch gezieltere Maßnahmen ersetzt werden. Falls eine generelle Aufhebung der Beschränkungen aufgrund der Gesundheitssituation nicht vertretbar ist, schlägt die Kommission einen abgestuften und koordinierten Ansatz vor, bei dem zunächst die Beschränkungen zwischen Gebieten oder Mitgliedstaaten mit hinreichend ähnlicher epidemiologischer Lage aufgehoben werden. Der Ansatz muss auch flexibel sein und die Möglichkeit vorsehen, bestimmte Maßnahmen wieder einzuführen, wenn die epidemiologische Lage dies erfordert. Die Mitgliedstaaten sollten auf der Grundlage der folgenden Kriterien handeln:

  • epidemiologischer Kriterien, unter besonderer Berücksichtigung von Gebieten oder Mitgliedstaaten, in denen sich die Lage verbessert, auf der Basis der Orientierungshilfen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und anhand der vom ECDC erstellten regionalen Karte;
  • der Fähigkeit, Eindämmungsmaßnahmen, während der gesamten Reise (auch an den Grenzübergängen) sowie zusätzliche Schutzmaßnahmen, wo physische Distanzierung unter Umständen kaum möglich ist, anzuwenden und
  • wirtschaftlicher und sozialer Erwägungen, wobei zunächst Grenzübertritte in Schlüsselbereichen und aus persönlichen Gründen Vorrang haben sollten.

Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ist von besonderer Bedeutung: Beschließt ein Mitgliedstaat, Reisen in sein Hoheitsgebiet oder in bestimmte Regionen und Gebiete innerhalb seines Hoheitsgebiets zuzulassen, so sollte dies auf nichtdiskriminierende Weise erfolgen, d. h. die Einreise aus allen Regionen oder Ländern der EU mit ähnlichen epidemiologischer Bedingungen sollte erlaubt werden. Ebenso müssen jegliche Beschränkungen für alle Bürgerinnen und Bürger der EU und alle Einwohner dieses Mitgliedstaats unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedslos aufgehoben und in allen Teilen der Union mit einer ähnlichen epidemiologischen Lage angewendet werden.

Verkehrsdienste EU-weit wiederherstellen und gleichzeitig die Gesundheit von im Verkehrssektor Beschäftigten und von Passagieren schützen:

In den Leitlinien werden allgemeine Grundsätze für die sichere und schrittweise Wiederaufnahme der Personenbeförderung im Luft-, Schienen-, Straßen- und Schiffsverkehr vorgestellt. Darin wird eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, beispielsweise, dass der Kontakt zwischen Passagieren und Beschäftigten des Verkehrssektors und den Passagieren untereinander begrenzt werden muss und die Passagierdichte soweit möglich verringert werden sollte.

In den Leitlinien wird auch auf die Verwendung persönlicher Schutzausrüstungen wie Schutzmasken und auf adäquate Protokolle für den Fall, dass bei Reisenden Coronavirus-Symptome auftreten, eingegangen. Darüber hinaus enthalten die Leitlinien für jedes einzelne Verkehrsmittel Empfehlungen sowie einen an die Mitgliedstaaten gerichteten Appell, die schrittweise Wiederherstellung der Verkehrsverbindungen untereinander zu koordinieren.

Touristische Dienstleistungen sicher wiederaufnehmen:

Die Kommission legt einen gemeinsamen Rahmen mit Kriterien für die sichere und schrittweise Wiederaufnahme touristischer Aktivitäten und die Erarbeitung von Gesundheitsprotokollen für Hotels und andere Arten von Unterkünften zum Schutz der Gesundheit von Gästen und Personal fest. Bei diesen Kriterien handelt es sich um epidemiologische Nachweise, um ausreichende Kapazitäten der Gesundheitssysteme für die Bevölkerung vor Ort und für Touristen sowie um solide Kapazitäten für Überwachung, Kontrolle und Tests und im Bereich der Nachverfolgung von Kontakten. Mit diesen Leitlinien wird es für die Menschen möglich sein, sich sicher in Hotels, Campingplätzen, Pensionen oder anderen Ferienunterkünften aufzuhalten, in Restaurants, Bars und Cafés zu essen und sich an Stränden und in anderen Erholungsgebieten im Freien aufzuhalten.

Grenzübergreifende Interoperabilität von Kontaktnachverfolgungs-Apps gewährleisten:

Die Mitgliedstaaten haben sich mit Unterstützung der Kommission auf Leitlinien zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Interoperabilität von Kontaktnachverfolgungs-Apps geeinigt, sodass die Bürgerinnen und Bürger auch auf Reisen in der EU vor einer möglichen Corona-Infektion gewarnt werden können. Dies wird für die mit den nationalen Gesundheitsbehörden zusammenarbeitenden Entwickler maßgeblich sein. Solche Kontaktnachverfolgungs-Apps müssen auf freiwilliger Basis, auf transparente Weise, für einen beschränkten Zeitraum und unter Wahrung der Cybersicherheit eingesetzt werden. Dabei wird auf anonymisierte Daten zurückgegriffen und die Bluetooth-Technologie genutzt. Zudem muss die Interoperabilität der Apps über Grenzen und Betriebssysteme hinweg gewährleistet sein. Die Interoperabilität ist von entscheidender Bedeutung: Die EU-Bürger müssen auf sichere und geschützte Weise Warnung in Bezug auf eine mögliche Infektion erhalten können, und zwar unabhängig davon, wo in der EU sie sich aufhalten und welche App sie benutzen. Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Suche nach der richtigen Lösung gemäß den Grundsätzen des EU-Instrumentariums und der Leitlinien der Kommission zum Datenschutz.

Gutscheine für Verbraucher zu einer attraktiveren Option machen:

Nach EU-Recht haben Reisende einen Anspruch darauf, zwischen Gutscheinen und einer Barerstattung für annullierte Tickets (für Flug-, Bahn- und Busreisen sowie Überfahrten mit einer Fähre) oder Pauschalreisen zu wählen. Mit der Empfehlung der Kommission wird dies bekräftigt und zugleich sichergestellt, dass Gutscheine eine praktikablere und attraktivere Alternative zur Erstattung des Geldwerts für im Kontext der aktuellen Pandemie annullierte Reisen werden, durch die Reiseveranstalter auch finanziell stark unter Druck geraten sind. Die auf Freiwilligkeit basierenden Gutscheine sollten vor einer Insolvenz des ausgebenden Unternehmens geschützt, mindestens 12 Monate gültig und bei Nichteinlösung nach höchstens einem Jahr erstattbar sein. Sie sollten den Passagieren zudem ausreichende Flexibilität bieten und es ihnen erlauben, auf derselben Strecke zu denselben Konditionen zu reisen. Ferner sollten sie es ermöglichen, eine Pauschalreise mit gleichartigen Leistungen oder gleichwertiger Qualität zu buchen. Überdies sollten sie auf einen anderen Reisenden übertragbar sein. 

Die Bürger an das touristische Angebot vor Ort heranführen, Attraktionen und den lokalen Tourismus und Europa als sicheres Reiseziel bewerben:

Die Kommission wird zusammen mit den Mitgliedstaaten ein Patensystem bewerben, mit dem Gäste ihre Lieblingshotels oder -restaurants durch Gutscheine unterstützen können. Die Kommission wird auch europaweite Werbekampagnen für Europa als weltweit beliebtes Reiseziel fördern.

Zur Ergänzung dieser kurzfristigen Maßnahmen wird die Kommission weiterhin mit den Mitgliedstaaten daran arbeiten, einen nachhaltigen Tourismus im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal zu fördern und den digitalen Wandel der Tourismusdienstleistungen voranzubringen, damit mehr Auswahlmöglichkeiten geboten und Ressourcen besser verteilt sowie neue Wege bei der Steuerung von Reise- und Touristenströmen beschritten werden.

Die Kommission wird eine europäische Tourismuskonferenz veranstalten und dabei mit EU-Institutionen, der Industrie, den Regionen und Städten sowie anderen Interessenträgern über die künftige Gestaltung nachhaltiger, innovativer und widerstandsfähiger europäischer Tourismusstrukturen („Europäische Tourismusagenda 2050“) beraten.

Äußerungen von Mitgliedern der Kommission:

Der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas erklärte dazu:

„Der Tourismus ist für den Binnenmarkt und die vier Grundfreiheiten unverzichtbar und trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben in der EU bei. Durch die zur Eindämmung von COVID-19 notwendigen Maßnahmen wurde er stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Mitgliedstaaten heben nach und nach Beschränkungen auf, und wir schaffen die Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der Tourismusstrukturen und des Binnenmarkts. Dabei gehen wir auf Sicherheit bedacht und koordiniert vor, sodass ein Aufflammen des Virus verhindert wird und unsere gewohnte Lebensweise erhalten bleibt.“

Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton erklärte dazu:

„Millionen von KMU und familiengeführte Beherbergungsbetriebe, Restaurants, Beförderungsunternehmen und Reisebüros sind vom Konkurs bedroht und können Mitarbeiter nicht mehr halten. Sie müssen den Betrieb dringend wieder aufnehmen. Wir tragen dazu bei, den europäischen Tourismus wieder in Gang zu bringen, ohne dass Gesundheit und Sicherheit gefährdet werden. Heute präsentieren wir ein gemeinsames europäisches Konzept für die sicherlich schwierige Sommersaison 2020 und ebnen gleichzeitig den Weg für nachhaltigere und digitale Tourismusstrukturen in der Zukunft.“

Die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige Kommissarin Stella Kyriakides äußerte sich wie folgt:

Wir wissen, wie sehr sich die europäischen Bürger auf den Summen und auf das Reisen freuen. Aufgrund der enormen Opfer, die von ihnen in den vergangenen Monaten erbracht wurden, ist eine vorsichtige und allmähliche Wiederaufnahme des Tourismus nach aktuellem Stand möglich. Die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen und die Tourismusaktivitäten sind aber nicht frei von Risiken, solange das Virus zirkuliert. Wir müssen weiterhin wachsam bleiben, Abstand halten und strenge Gesundheitsschutzmaßnahmen im gesamten Tourismus- und Verkehrssektor anwenden, um weitere Ausbrüche weitgehend zu verhindern. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Anstrengungen umsonst sind.“

Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz und Verbraucher, ergänzte:

Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher können darauf vertrauen, dass die Kommission ihre im EU-Recht verankerten Ansprüche auf eine Erstattung annullierter Reisen nicht schmälern wird. Wir empfehlen jedoch, Gutscheine für die Kunden, die sich für diese Option entscheiden, attraktiver zu machen. Nach wie vor gilt, dass die Freizügigkeit das von den Europäerinnen und Europäern am höchsten geschätzte Grundrecht ist. Sobald die Umstände es zulassen, muss dieses Recht unbedingt wieder in Anspruch genommen werden können.

Die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Adina Vălean äußerte sich wie folgt:

Wir sind bestrebt, in allen Verkehrsmitteln für maximale Sicherheit für die Reisenden und die Beschäftigten in der Branche zu sorgen. Diese Leitlinien geben für die Behörden und die Interessenträger einen Standardrahmen für die Wiederherstellung der Verkehrsverbindungen vor. Für uns hat es Priorität, die Mobilität so bald wie möglich, aber nur mit klaren Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen wiederherzustellen.

ZUM HINTERGRUND:

In Europa sind dynamische Tourismusstrukturen beheimatet.
Reisen, Verkehr, Unterkunft, Verpflegung, Freizeit- oder Kulturangebote tragen fast 10 % zum BIP der EU bei und stellen in zahlreichen europäischen Regionen eine wichtige Beschäftigungs- und Einkommensquelle dar. 267 Millionen Europäer (62 % der Bevölkerung) unternehmen jährlich mindestens eine private Reise, 78 % der Europäer verbringen ihren Urlaub in ihrem Heimatland oder in einem anderen EU-Land.

Die Tourismusstrukturen sind ihrerseits besonders stark von den strikten Ausgangs- und Reisebeschränkungen betroffen, die infolge des Corona-Ausbruchs verhängt wurden. Die Welttourismusorganisation (UNWTO) prognostiziert einen Rückgang der Zahlen der internationalen Besucher um 60 bis 80 %, wodurch es bei den globalen Exporteinnahmen zu Verlusten in der Größenordnung von 840 bis 1100 Mrd. EUR kommen wird. In Europa ist der Sommer für den Tourismus von entscheidender Bedeutung: In einer durchschnittlichen Sommersaison (von Juni bis August) unternehmen die Einwohner der EU 385 Millionen Urlaubsreisen, auf denen sie 190 Mrd. EUR ausgeben. 

Das am 13. Mai 2020 vorgestellte Paket folgt dem gemeinsamen europäischen Fahrplan, den die Kommission am 14. April in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rat veröffentlicht hat. Der Fahrplan sieht vor, die infolge des Corona-Ausbruchs eingeführten Eindämmungsmaßnahmen schrittweise aufzuheben.

© Europäische Kommission 2020

Weitere Informationen:
Webseite der EU-Kommission

Deutsche Tourismusverbände fordern
Gipfeltreffen im Kanzleramt
Wie mehrere Medien berichteten, haben indessen die Tourismusverbände BTW, DEHOGA, DRV, DTV, IHA, RDA und VIR aufgrund der angespannten Situation in der Tourismusbranche ein Gipfeltreffen im Kanzleramt gefordert.
www.drv.de