RITTERROMANTIK UND BACKSTEINGOTIK IM POLNISCHEN BURGENLAND

Von Michael Juhran

Danzig: Die polnische Metropole ist mit Sicherheit eine der schönsten Ostseestädte, die nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut wurden. Für einen Städtetrip ideal. Dicht aneinander wechseln sich Architektur-Highlights mit gemütlichen Restaurants, Bernsteinauslagen mit wiedererrichteten Kaufmannshäusern ab und ermüdete Füße finden nach einer kurzen Bootsfahrt am Sandstrand von Sopot Erholung.

Foto oben: Wie im Mittelalter dominiert noch heute der Kranturm die Danziger Uferpromenade.

Schlendert man von der Danziger Speicherinsel über die Mariacka, am Rathaus vorbei bis zu den Markthallen, beeindrucken insbesondere die in der Architektur der Backsteingotik wiedererrichteten Gebäude. Direkt am Flussufer der  Mottlau dominiert der einst größte Hafenkran des Mittelalters (1442-44 gebaut) die Promenade der touristisch belebten Rechtstadt. Wenige Meter weiter ragt die Marienkirche (1343-1502) – die größte Backsteinkirche Europas – dem Himmel entgegen. Die imposante Nikolaikirche passierend, gelangt man schließlich zur Brigittenkirche (ab 1396 gebaut), deren elf Meter hoher Bernsteinaltar Touristenscharen in das Gotteshaus lockt.

Ein 11 Meter hoher Bernsteinaltar schmückt die Brigittenkirche.

All diese Wahrzeichen eint ihr Ursprung in einer Periode, in der Danzig zum Einflussbereich des Deutschritterordens gehörte und sich als Hansestadt dynamisch entwickelte.

Rund um die Ostsee entstanden in dieser, vom prosperierenden Handel geprägten Zeit vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eine Vielzahl von Kirchen, aber auch Profanbauten, wie das Holstentor und das Rathaus in Lübeck sowie das Stralsunder Rathaus mit seiner gotischen Fassade. Es ist erstaunlich, wie viele Monumentalbauten aus den gebrannten Backsteinen in einem relativ kurzen Zeitraum aus dem Boden schossen. Viele renovierte oder wiedererrichtete Bauten lassen sich heute auf der „Straße der Backsteingotik“ von Dänemark bis zum Baltikum erkunden. Allein im Gebiet zwischen unterer Weichsel und Memel sollen unter der Ägide der Deutschritter rund 120 Ordensburgen erbaut worden sein.

Wer alle wieder zugänglichen Burganlagen der Deutschritter erkunden möchte, benötigt einen längeren Urlaub. Ihre Burg- und Schlossanlage in Danzig fiel zwar 1454 einem Aufstand der Danziger und des Preußischen Städtebundes zum Opfer, aber 16 weitere Ordensburgen stehen Besuchern im Verband der polnischen Gotik-Burgen offen.  

Will man dennoch in wenigen Tagen einen gewissen Eindruck vom Reich des Deutschen Ritterordens erhalten, muss man die 60 Kilometer von Danzig entfernte Marienburg besuchen, in der von 1309 bis 1454 der Hochmeister des Ordens residierte.

Die Marienburg ist das größte Backsteinbauwerk Europas.

Allein die Abmaße des größten Backsteinbauwerks Europas lassen Besucher verblüffen: Millionen von Mauerziegeln ließen die Ritter hier zwischen 1276 bis Ende des 14. Jahrhunderts auf einem 21 Hektar großen Gelände verbauen. Eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass ein großer Brennofen damals maximal 80 Tausend Ziegel pro Jahr produzieren konnte. 60 Tausend Quadratmeter Dachfläche bedecken die Burganlage, die sowohl als sakrale Stätte, wie auch als Wehranlage und als Verwaltungs- und Repräsentationsbau samt Wohnbereich diente. Nach den Kreuzzügen aus dem Heiligen Land vertrieben, baute der Deutsche Orden hier im 13. und 14. Jahrhundert seine neue Machtzentrale auf und nutzte dazu ein Hilfeersuchen des Masowischen Herzogs, der sich von den Prußen bedroht fühlte.

Mit seinen imposanten Deckengewölben und großflächigen Wandmalereien beeindrucken heute insbesondere der Kapitelsaal des Hochschlosses, in dem regelmäßig das Große Kapitel des Gesamtordens und die Repräsentanten der sechs Hansestädte tagten, und der Große Remter im Mittelschloss. Mit seinem gotischen Baustil, großen Fensterflächen, Heizungs- und Sanitäranlagen gehörte die Marienburg zu den modernsten Bauten ihrer Zeit.

Als Statuen verewigt. Vier der Großmeister des Deutschen Ordens in der Marienburg

Als der Deutsche Orden im Jahr 1257 die Genehmigung des Papstes zum freien Handel erhielt, führten die Einnahmen durch den Export von Holz und Getreide zu einer wirtschaftlichen Blüte und den stetigen Ausbau der gewaltige Burganlage. Als äußerst ertragreich erwies sich dabei auch das Handelsmonopol der Ritter für Bernstein. Einen Eindruck von den begehrten Schmuck- und Kunstwaren, die aus dem Gold der Ostsee entstanden, vermittelt das Bernsteinmuseum in der Marienburg.

Das Bernsteinmuseum der Marienburg birgt unermessliche Schätze.

Ungefähr 40 Kilometer südlich von Malbork gestattet die Mitte des 14. Jahrhunderts gebaute Domkirche und das Schloss Marienwerder weitere Einblicke in das Leben der Ordensritter, die ihre Burgen östlich der Weichsel in einem engmaschigen Netz errichteten, um so die Kontrolle über ihr bis zu 200 Tausend Quadratkilometer großes Herrschaftsgebiet zu gewährleisten. Kirche und Schloss sind nicht nur wegen der dort befindlichen Gräber von Hochmeistern sehenswert. Eine Ausstellung zur Geschichte der unteren Weichselregion und Pomesaniens mit vielen landwirtschaftlichen Gebrauchsgütern illustriert die harten Arbeits- und Lebensbedingungen der Landbevölkerung. Als sich in Westeuropa die Pest ausbreitete, sorgten deutsche Übersiedler für ein dynamisches Bevölkerungswachstum in etwa 100 neu gegründeten Städten und 1000 angelegten Dörfern. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass sich gerade in Marienwerder die unter den Abgaben und Zöllen der Ritter leidenden Städte und der Landadel im Jahr 1440 zum Preußischen Bund vereinigten, der gemeinsam mit Polen und Litauen die Deutschritter in die Knie zwang.

Der 54 Meter hohe Dansker ist eine Besonderheit der Ordensburg in Marienwerder.

20 Kilometer nordwestlich von Marienwerder und auf der anderen Seite der Weichsel wird die wehrhafte Tradition der Ritter im Schloss Gniew (Mewe) wachgehalten, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts errichtet wurde. Jedes Jahr in der letzten Juniwoche kann man hier einem Ritterturnier beiwohnen und in der ersten Augustwoche stellen mutige Streiter in blecherner Rüstung die Schlacht von Gniew nach, als Polen und Litauer 1626 den Mannen Gustav Adolfs unterlagen. Klirrende Schwerter, rasselnde Rüstungen, stampfende Pferdehufe und das Sturmgebrüll der Angreifer inklusive. Die Umwandlung des Schlosses in ein Hotel mit Wellnessbereich macht es Besuchern dieser eindrucksvollen Inszenierungen besonders bequem.

Die Ordensburg Gniew hat sich in ein Hotel mit Spa verwandelt.

Kampfgetümmel und anschließendes Relaxen im einstigen Schloss der Deutschritter – lässt sich ein mittelalterliches Geschichtserlebnis noch besser mit einem erholsamen Urlaub kombinieren?

INFOBOX

Allgemeine Informationen
Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 14199 Berlin, Tel.: 030 21 00 92 11, E-Mail: kg@polen-info.de,
www.polen.travel
www.pomorskie.travel/pl

Polnische Gotik-Burgen:
http://zamkigotyckie.org.pl/

Anreise
z. B. Bus und Bahn bis Danzig ab ca. 26 €, Flug bis Danzig z. B. mit Eurowings ab 38 €. Mit dem eigenen PKW auf der E28, über Stettin, Koszalin und Slupsk.

Unterkunft
Danzig: Central Hotel, direkt am Bahnhof mit Restaurant und eigener Brauerei, centralhotelgdansk.pl/en

Marienburg in Malbork: www.zamek.malbork.pl

Burg Marienwerder in Kwidzyn: http://zamek.kwidzyn.pl

Schloss Gniew: www.zamek-gniew.pl/de, Zimmer ab ca. 110 €/Zi/Nacht, Veranstaltungen: www.zamek-gniew.pl/de/eventkalender