CTOUR VOR ORT: Musiksommer in Eisenach

Mit altem Brauch in die neue Tourismussaison

Zeter und Mordio auf dem Marktplatz, Geschrei und Gebrüll vor dem Eisenacher Rathaus. Einmal im Jahr erleben die Einheimischen und ihre Gäste („Hergeloffne“) diese Zeremonie. Festlich geschmückte Wagen, von 100 Pferden gezogen, schieben sich aus der Georgenvorstadt ins Stadtzentrum, Frauen tragen Blütenkränze aus Krepppapier, Männer gekleidet als mittelalterliche Ritter, Jungen und Mädchen mitunter in allerlei bunte Gewänder gehüllt.

Die Häuser am Ehrensteig: prächtig geschmückt für den Wettbewerb

Die Stiegker Originale Henner und Frieder, Tante Frieda und Hermine belustigen die Gäste mit aktuellen Anspielungen auf das heutige Leben in der Stadt. Die Heilige Elisabeth und Gemahl Hermann von Thüringen sind von der Wartburg heruntergekommen, mischen sich unter das Volk und die Festtagesgäste.

Der Streit zwischen Frau Sunna in goldenem Kleide und dem in schneeweiß gekleideten Herrn Winter ist erst nach ausgiebiger verbaler Auseinandersetzung vorbei, wenn der Winter schließlich symbolisch im Strohfeuer verbrennt. Der Sommer hat den Winter besiegt: Sommergewinn.

Diesen alten Brauch feiern im Frühjahr tausende Eisenacher und „Hergeloffne“, 70 000 waren es in diesem Jahr.  Eine Tradition, seit 1897 in den Annalen festgehalten, ist heute in die UNESCO-Liste immaterieller Kulturgüter aufgenommen.

Start in die neue Saison

Man kann den Sommergewinn auch als Startzeichen in die neue Tourismussaison  der Eisenach-Wartburg-Region ansehen. Schon Anfang 2019 hatten Verantwortliche aus der Stadt das umfangreiche Konzept in der Landesvertretung Thüringens in Berlin vorgestellt. Diesmal soll das vielfältige musikalische Leben Vorrang haben. So treffen sich Ende Mai 600 Gospelsänger/ innen in und außerhalb der Kirchen und laden zum Mitsingen ein – „Eisenach singt to go(d)“. In einer sinfonischen Woche in der Wandelhalle – Soirees en plein air – präsentiert die Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach zum Abschluss den ausgelobten Preis der Stadt.

Für Richard Wagners romantische Oper „Tannhäuser“ gibt es wohl kaum einen geeigneteren Ort als die Wartburg. Der Legende nach trafen sich hier am landgräflichen Hofe die Minnesänger Tannhäuser, Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide, um im Sängerwettstreit die innigsten Liebeslieder zu preisen. Von April bis Dezember – wie in jedem Jahr – erklingen Wagners Arien an authentischem Ort. Seit Jahren finden nun schon die Konzerte auf der Wartburg statt, übertragen vom MDR aus dem Palas der Burg, die Aufmerksamkeit über Thüringens Grenzen hinaus erlangten. Einige der Konzerte sind schon heute ausverkauft.

Die Wartburg: Einzug der Minnesänger in den Festsaal des Palas

Hommage am Taufbecken Bachs

In der Taufkirche von Johann Sebastian Bach am Markt erklingen das ganze Jahr über Kantaten und Motetten, die an Organisten erinnern, die zur großen Familie der Bachs gehören. Höhepunkt dabei zweifellos die Hommage „QuerBach“ am Taufstein des Meisters unter dem Motto „Bach und die Wiener Klassik“. Georg Philipp Telemann, auch einst Kantor zu St. Georg, sind Festtage im Juni gewidmet, in deren Mittelpunkt weltliche Musik erklingen wird, die einst für den Eisenacher Hof komponiert wurde.

Im Lutherhaus und auf der Wartburg

Auf zwei Ausstellungen sei noch hingewiesen. Das Lutherhaus wird an ein Ereignis erinnern, das 80 Jahre zurückliegt. Auf der Wartburg fanden sich 1939 elf evangelischen Landeskirchen zusammen, um das sogenannte „Judeninstitut“ zu gründen. In einer Villa in der Bornstraße wurden Bibel und  Kirchengesangbücher durchforstet, um jene Stellen auszumerzen, die „jüdisch sind in Wort und Denken“. Öffentlich, kritisch und fundiert soll sich jetzt eine Sonderausstellung „Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche Entjudungsinstitut 1939-1945“ mit diesem dunklen  Kapitel der Kirchengeschichte beschäftigen. Mit Vorträgen, in öffentlichen Debatten und bei museumspädagogischer Begleitung sowie bei den jüdisch-christlichen Begegnungstagen können Hintergründe und Wurzeln des Antisemitismus in der Institution Kirche weiterführend erläutert werden.

Ausstellung im Lutherhaus: kritische Auseinandersetzung mit der Kirchengeschichte

Freunde der historischen Fotografie – des Lichtbildes – werden in diesem Jahr mit einem Besuch auf der Wartburg beschenkt. Im Bestand fand man viele der zerbrechlichen Kollodium-Nass-Platten aus der Geschichte der Burg, teils in hervorragender Qualität mit wenigen Kratzern, andere von der Hand des Retuscheurs bearbeitet. Die gläsernen Platten, einst in langwierigem Entwicklungsprozess hergestellt, stammen aus der frühen Zeit von dokumentarischen Abbildungen von Gebäuden und Ereignissen, beginnend mit einem Blick in den zweiten Burghof von 1855. So wird auch der Prozess der Wiederherstellung der Burg durch Großherzog Carl Alexander belegt, einschließlich der Besuche von Wilhelm II.. Der Burghauptmann Hans Lucas von Cranach selbst war ein leidenschaftlicher Fotograf, der auch die Geselligkeit auf der Burg in Bildern festhielt. Er bewirkte auch, dass die ersten Postkarten von der Burg schließlich in die ganze Welt gelangten.

Diese Sonderausstellung auf der Wartburg ist zugleich eine Hommage an die alte Plattenfotografie.

Fotos: Eisenach-Wartburgregion Touristik (1), Günther Wolfram (6)

www.eisenach.info

www.wartburg.de

www.luther-eisenach.de

www.bachhaus.de